Rheinische Post

„Ich bin keine Feministin, ich bin Frauenfan“

Das ARD-Sommerinte­rview mit Christian Lindner hat seine Freundin Franca Lehfeldt (29) in den Fokus der Aufmerksam­keit katapultie­rt.

- VON ALEV DOGAN

KÖLN „Störgefühl­e“nennt es Franca Lehfeldt, wenn etwas nicht stimmt. Etwa als sie die Social-Media-Ankündigun­g des ARD-Sommerinte­rviews mit Christian Lindner sah. Darin sagte die Leiterin des ARD-Hauptstadt­studios, Tina Hassel, dass es im Interview nicht um den Jagdschein Lindners und auch nicht um „die neue Freundin“gehen werde. Bekannterm­aßen wurde die Freundin im besagten Interview dann doch thematisie­rt. „Lieber Vermögenst­euer oder gleichaltr­ige Freundin?“, fragte Hassel. „Geschmackl­os“, antwortete Lindner.

Franca Lehfeldt, jene nicht gleichaltr­ige Freundin Lindners, Franca Lehfeldt TV-Journalist­in

ist beruflich in Köln. Wir treffen die 29-jährige RTL-Journalist­in am Kennedy-Ufer. Sie möchte reden über Feminismus,Vorbilder und über besagtes Sommerinte­rview.

„Bereits vor dem Interview hatte ich ein Störgefühl“, sagt Lehfeldt. Sie habe es fragwürdig gefunden, in der Ankündigun­g neben dem Hobby Jagd aufgeliste­t zu werden. „Müssen sich nicht gerade die öffentlich-rechtliche­n Sender, die auf Qualität bestehen, an den eigenen Maßstäben messen lassen? Als Journalist­in und als Frau hätte ich diesen Weg des Verkaufens nicht gewählt.“

Das ARD-Hauptstadt­studio sei wenige Meter Luftlinie von ihrer Redaktion entfernt, bemerkt Lehfeldt. „Man trifft sich regelmäßig auf Pressekonf­erenzen oder anderen Terminen im politische­n Berlin. Da hätte ich gerade von einer Journalist­in mehr Respekt erwartet.“Zumal sie Hassel schätze und als Vorbild empfinde. „Es ist schade, wenn so etwas Risse bekommt. Gerade junge Journalist­innen brauchen ja weibliche Vorbilder zur Orientieru­ng.“

Ständig redeten alle von „Female Empowermen­t“, also der Ermächtigu­ng der Frauen, doch im Alltag herrsche immer noch Stutenbiss­igkeit, so Lehfeldt. „Wir erwarten von Männern, dass sie uns respektvol­l und auf Augenhöhe begegnen. Wie wäre es, wenn wir Frauen das untereinan­der als eine Selbstvers­tändlichke­it empfinden und leben?“, fragt sie und fügt an: „Männer unterstütz­en sich, bauen sich im Job Karrierele­itern, und trotzdem habe ich noch nie von ‚Male -Empowermen­t‘ gehört. Wir Frauen sollten aus der Opferrolle heraustret­en.“Überhaupt möge sie die Bezeichnun­g „Female Empowermen­t“nicht.„Dadurch kultiviere­n wir doch das Bild der hilfsbedür­ftigen Frauen.“

Es sind Sätze wie diese, die ihr leicht über die Lippen gehen und die man nur formuliere­n kann, wenn man aus einer privilegie­rten Position heraus spricht. Opfer zu sein, ist ihr ebenso fremd, wie es alte FreundFein­d-Bilder des Feminismus sind: Der Kampf ist ausgefocht­en, Männer und Frauen sind gleichbere­chtigt, jetzt kann man auch Männern gegenüber wieder weniger zickig sein.

Auf Instagram folgen Lehfeldt mehr als 17.400 Menschen. Ihre Follower hält sie über ihr Leben, ihren Arbeitsall­tag und ihre Urlaube auf dem Laufenden. Auch darauf wird Christian Lindner angesproch­en. „Kürzlich hatte eine Sonntagsze­itung meinen Partner und seine neue Generalsek­retärin erstmals in einem Doppelinte­rview“, erzählt Lehfeldt.„Als Journalist müsste man bei so einem Termin doch tausend Fragen im Kopf haben. Stattdesse­n wird Christian gefragt, wie er zu meinem Instagram-Profil stehe.“Durch solche Themen werde sie als Freundin zum schmückend­en Beiwerk gemacht. Lehfeldt:„Leider war es auch hier eine weibliche Chefredakt­eurin, die ein großes Vorbild für junge Frauen sein kann, die aber dieses Frauenbild der 50er Jahre in ihrem Blatt akzeptiert hat.“

Sie betont, dass sie keine Fotos aus den eigenen vier Wänden veröffentl­iche und zurückhalt­end mit privaten Einblicken sei. „Und um auf Vorbilder zurückzuko­mmen: Mir schreiben immer wieder junge Frauen, dass sie meinen Job spannend finden. Sie fragen, welches Studium oder welche Ausbildung sie machen müssten, um TV-Journalist­in zu werden.“

Von den jüngsten 50 Beiträgen, die Lehfeldt auf Instagram veröffentl­icht hat, drehen sich 15 um Politik oder Journalism­us. Daneben finden sich Selfies mit Lindner vom Strand, gemeinsame Fotos mit Cathy Hummels am Pool, Einblicke in ihre Urlaube und ihr Fitnesstra­ining im bauchfreie­n Top. Muss sie sich nicht früher oder später entscheide­n, ob sie als seriöse Politikjou­rnalistin wahrgenomm­en werden will oder als It-Girl mit einem berühmten Mann? Sie findet nicht – das sei Schubladen­denken. Und tatsächlic­h kann man sich fragen, wie angebracht es ist, anhand von Franca Lehfeldt über Seriosität auf politische­m Parkett zu diskutiere­n, während Menschen wie Donald Trump und Boris Johnson den Zusammenha­ng zwischen Politik und Seriosität in ungeahnter Form infrage stellen.

Zwischen Lindner und Lehfeldt liegen gut zehn Jahre Altersunte­rschied – Grund für einige, der Beziehung den „Anstrich von etwas Ungewöhnli­chem zu geben“, so Lehfeldt. „Da werde ich mit knapp 30 Jahren plötzlich ‚blutjung‘, mein Partner mit 40 dagegen plötzlich uralt. Es ist bizarr, dass es überhaupt thematisie­rt wird.“

Er ist Spitzenpol­itiker, sie politische Berichters­tatterin – kein Problem?„Das war ein Prozess, bei dem redaktions­intern sehr sorgfältig abgewogen wurde“, erzählt sie. „Meine Chefin Jutta Bielig stand von Anfang an hinter mir.“Außerdem gebe es viele Journalist­en, die Parteimitg­lieder seien. „Wieso wirft das keine Fragen nach der Objektivit­ät auf, aber die private Partnersch­aft einer Journalist­in schon?“Sie sehe darin „uralte Rollenbild­er von Mann und Frau“: „Das Dummchen, das nachplappe­rt, was es zu Hause hört.“

Zurück zur Frauenbewe­gung. Um sicherzuge­hen, die Nachfrage: Sind Sie Feministin, Frau Lehfeldt? „Nein“, antwortet sie deutlich. „Ich bin keine Feministin, aber ich bin Frauenfan, frauenloya­l, frauensoli­darisch und Frauen und Mädchen gegenüber immer supportive.“Unterstütz­end also. Was stört sie am Begriff Feministin? „Bei Feminismus empfinde ich einenVorwu­rf an den Mann, es hat automatisc­h etwas Anklagende­s.“Franca Lehfeldt und Alice Schwarzer werden wohl keine Freundinne­n. Fraglich, ob Lehfeldt das überhaupt wollen würde.

Kennengele­rnt hätten sie und Linder sich übrigens privat, nicht beruflich. Und ja, sie hätten auch Gemeinsamk­eiten: „Wir sind beide Ordnungsme­nschen und haben einen Plan.“Und so wie sie das sagt, ist davon auszugehen, dass dieser Plan eingehalte­n, Störgefühl­e aus demWeg geräumt werden. Mit Franca Lehfeldt wird zu rechnen sein – ob mit oder ohne Christian Lindner.

„Wir Frauen sollten aus der Opferrolle heraustret­en“

 ?? FOTO: ANNE ORTHEN ?? Franca Lehfeldt bei der Begegnung in Köln.
FOTO: ANNE ORTHEN Franca Lehfeldt bei der Begegnung in Köln.

Newspapers in German

Newspapers from Germany