Rheinische Post

Lehrer sollen Umgang mit Antisemiti­smus lernen

- VON EVA QUADBECK

BERLIN Binnen weniger Tage melden Polizei und Israelitis­che Kultusgeme­inde aus München gleich zwei antisemiti­sche Vorfälle: Ein Rabbiner und seine beiden Söhne wurden als „Scheißjude­n“beleidigt und bespuckt. Ein Mitglied der jüdischen Gemeinde findet in seinem Wohnhaus eine Davidstern-Schmierere­i. Ende Juli wurde in Berlin Rabbiner Yehuda Teichtal ebenfalls bespuckt.

„Die Angriffe auf Rabbiner und ihre Angehörige­n in Berlin und München sind unerträgli­ch. Wir dürfen Antisemiti­smus nicht dulden, sondern müssen uns entschiede­n und couragiert entgegenst­ellen“, sagt dazu der Antisemiti­smusbeauft­ragte der Bundesregi­erung, Felix Klein, unserer Redaktion.„Jüdisches Leben gehört zu uns – zu unserer Gesellscha­ft, unserer Kultur und unserem Alltag. Das habe ich auch Rabbiner Teichtal in einem Telefonat versichert. Dafür stehe ich ein.“

Klein ist seit Mai 2018 im Amt. Seine Stelle wurde neu geschaffen. Sein Netzwerk wächst. Seit 2018 ist es ihm gelungen, ein bundesweit­es Meldesyste­m für antisemiti­sche Taten auch unterhalb der Strafbarke­itsschwell­e aufzubauen. „Mittlerwei­le haben elf von 16 Ländern eigene Antisemiti­smusbeauft­ragte beziehungs­weise zentrale Anlaufstel­len. In drei weiteren Ländern soll eine solche Stelle geschaffen werden“, sagt Klein. Auch in der evangelisc­hen Kirche gibt es nun Forderunge­n, einen Antisemiti­smusbeauft­ragten zu etablieren.

Vorbild für das zentrale Meldesyste­m sei die Berliner Rechercheu­nd Informatio­nsstelle Antisemiti­smus. „Ziel ist es, die Realität von Antisemiti­smus in Deutschlan­d für die gesamte Gesellscha­ft sichtbar zu machen und dadurch eine empirisch belegte Grundlage für seine Bekämpfung zu schaffen“, betont Klein. Insbesonde­re für die Prävention­sarbeit sei es wichtig, dass man erfahre, aus welcher Motivation eine antisemiti­sche Tat erfolge, ob sie etwa einen politisch rechten, linken oder islamische­n Hintergrun­d habe.

Wichtige Verbündete sind für Klein die Länder. Jüngst wurde eine eigene Bund-Länder-Kommission eingericht­et. Etwa 80 Prozent der Maßnahmen im Kampf gegen Antisemiti­smus seien Ländersach­e, sagt Klein, weil sie etwa für Polizei, Bildung und Kultur zuständig seien. Ein besonderes Augenmerk möchte der Regierungs­beauftragt­e auf die Schulen legen: „Der Umgang mit Diskrimini­erungen und Antisemiti­smus muss verpflicht­ender Teil der Lehrerausb­ildung überall in Deutschlan­d werden.“

Offiziell wurden unter Antisemiti­smus bisher nur Straftaten gezählt. Das Bundesinne­nministeri­um veröffentl­icht seit 2001 jährlich die Zahlen antisemiti­sch motivierte­r Straftaten. Dem Ministeriu­m zufolge gab es 2018 insgesamt 1799 antisemiti­scheVergeh­en. 2014 waren es knapp 1600 Fälle, 2006 sogar mehr als 1800. Im Durchschni­tt kam es seit 2001 zu etwa vier Vergehen täglich.

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FOTO: DPA Nach dem Besuch der Synagoge in München wurden am Wochenende ein Rabbiner und seine Söhne beleidigt und bespuckt.

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