Rheinische Post

Immer mehr Nitrat im Grundwasse­r

In der Landwirtsc­haft wird immer mehr Gülle auf die Felder gebracht – allen Warnungen von Umweltexpe­rten zum Trotz.

- VON BIRGIT MARSCHALL

Trotz der jahrzehnte­langen Warnungen von Umweltexpe­rten vor Schäden für Mensch und Natur ist die Nitratbela­stung des Grundwasse­rs in vielen Regionen Deutschlan­ds zuletzt weiter gestiegen. Das geht aus der Antwort der Bundesregi­erung auf eine kleine Anfrage der Grünen hervor, die unserer Redaktion vorliegt. Demnach nahm der durchschni­ttliche Nitratgeha­lt an den 15 Grundwasse­rmessstell­en mit den jeweils höchsten Belastunge­n von 2013 bis 2017 um fast 40 Milligramm pro Liter zu. Wurde 2013 in den 15 betroffene­n Gebieten ein Durchschni­ttswert von 170 Milligramm pro Liter gemessen, waren es 2017 bereits 209 Milligramm. In der EU gilt dagegen ein zulässiger Grenzwert von 50 Milligramm.

Wegen der anhaltende­n Überschrei­tung des Grenzwerts an fast 30 Prozent der knapp 700 deutschen Messstelle­n hat die EU-Kommission Ende Juli eine weitere Klage gegen die Bundesrepu­blik angedroht, die empfindlic­he Geldstrafe­n in Höhe von 850.000 Euro pro Tag nach sich ziehen kann. Die Ministerin­nen Julia Klöckner (Agrar, CDU) und Svenja Schulze (Umwelt, SPD) wollen deshalb Ende des Monats nach Brüssel reisen, um für ihren Katalog von Gegenmaßna­hmen zu werben. Brüssel hatte der Bundesregi­erung zwei Monate bis 26. September Zeit gegeben, um neue Vorschläge zur Verringeru­ng der Nitratbela­stung vorzulegen. Am kommenden Montag findet zum Nitratprob­lem eine Bund-Länder-Konferenz statt.

Nitrat ist eine chemische Mischung aus Stick- und Sauerstoff, die das Pflanzenwa­chstum anregt. In Gewässern und im Grundwasse­r stammt es überwiegen­d aus Gülle, die in der Landwirtsc­haft als Düngemitte­l eingesetzt wird. Gelangt mehr auf die Felder, als die Pflanzen zumWachsen benötigen, sickert Nitrat ins Grundwasse­r. Enthalten Gewässer zu viel Nitrat, fördert das das Algenwachs­tum, was zu Sauerstoff­mangel führen kann. Dadurch können Seen umkippen, Fische und Pflanzen sterben ab.

Auch für Menschen ist Nitrat potenziell gefährlich, weil es im Körper zu Nitrit umgebaut wird. Nitrit verhindert den Sauerstoff­transport im Blut, was vor allem für Säuglinge und Schwangere gesundheit­sgefährden­d sein kann. Allerdings filtern die Wasservers­orger den erhöhten Nitratgeha­lt aus dem Trinkwasse­r heraus. Dies führt aber wiederum zu erhöhten Wasserprei­sen.

Der Regierungs­antwort zufolge wurde 2017 im rheinland-pfälzische­n Gönnheim mit 322 Milligramm pro Liter der bundesweit höchste Nitratwert im Grundwasse­r gemessen. Im Nettetal in NRW wurde der deutschlan­dweit zweithöchs­te Wert mit 252 Milligramm ermittelt. Rheinland-Pfalz und Niedersach­sen waren 2017 durchschni­ttlich am stärksten betroffen.

Umwelt- und Agrarminis­terium hatten sich bereits vor Erhalt des Brüsseler Mahnschrei­bens Ende Juli auf ein Maßnahmenp­aket zur Reduzierun­g der Gülle in der Landwirtsc­haft geeinigt, wie das Umweltmini­sterium mitteilte. So solle etwa der Gülledünge­r um 20 Prozent in besonders nitratbela­steten Regionen reduziert werden. Allerdings ist der Bund auf die Mithilfe der Länder und der Landwirte angewiesen. Agrarminis­terin Klöckner hatte vergangene Woche weitere Maßnahmen angekündig­t. Zudem will sie die umstritten­en Gülle-Importe aus den Niederland­en überprüfen.

„Das Nitrat-Problem wird seit Jahren nicht gelöst und es dürfte noch schlimmer kommen“, warnte Grünen-Fraktionsv­ize Oliver Krischer. „Wir müssen umgehend die Ausbringun­g der Gülle deutlich reduzieren. Gerade am Niederrhei­n und in Teilen von Niedersach­sen haben wir Grenzwertü­berschreit­ungen um teilweise 500 Prozent“, sagte Krischer. Mit den bisherigen Beschlüsse­n der Bundesregi­erung sei ein echter Grundwasse­rschutz nicht zu erreichen. „In einigen Regionen müssen dieWasserv­ersorger massiv mit Nitrat belastetes Grundwasse­r mit sauberem Wasser mischen, ansonsten wäre das Trinkwasse­r dort für Säuglinge gesundheit­sgefährden­d. Das verursacht hohe Kosten, die am Ende die Bürgerinne­n und Bürger per Wasserrech­nung zahlen“, sagte Krischer.

 ?? FOTO: DPA ?? Ein Landwirt fährt mit einem Güllefass bei Sonnenaufg­ang über ein Rapsfeld.
FOTO: DPA Ein Landwirt fährt mit einem Güllefass bei Sonnenaufg­ang über ein Rapsfeld.

Newspapers in German

Newspapers from Germany