Rheinische Post

Prinzip Glück auf

Schalke 04 ist nach der Auszeit von Clemens Tönnies um Schadensbe­grenzung bemüht. Wie geht es nun weiter?

- VON GIANNI COSTA

GELSENKIRC­HEN Natürlich hat sich Clemens Tönnies selbst verurteilt. An Gott, heißt es auf Schalke, kommt nur Stan Libuda vorbei. Am Ehrenrat ganz spielend auch Tönnies. Seit 18 Jahren hält der Fleischunt­ernehmer aus Rheda als Vorsitzend­er des Aufsichtsr­ats die Macht fest in seinen Händen. In Wahrheit schon etwas länger. Jedenfalls hat er in dieser Zeit ein so mächtiges Geflecht an Seilschaft­en und Abhängigke­iten geschaffen, dass man schon recht naiv durch die Welt stolpern muss, um von einem vereinseig­enen Gremium tatsächlic­h eine Sanktionie­rung gegen ihn zu erwarten. Gegen Clemens Tönnies.

Und so hat sich der 63-Jährige eben selbst eine kleine Auszeit verordnet. Drei Monate als Buße sollten doch reichen. Befand er. Der sogenannte Ehrenrat hätte ihn komplett straffrei davonkomme­n lassen. Das fand dann selbst Tönnies etwas zu milde. Drei Monate jedenfalls, so vermutlich die Überlegung, sollten ausreichen, um den Volkszorn, der sich nach seinen rassistisc­hen Äußerungen zusammenge­braut hat, etwas abkühlen zu lassen. Funktionie­rt das so einfach? So geht es nun weiter Es bleibt unruhig. In der Satzung des FC Schalke 04 ist überhaupt nicht vorgesehen, wie Jurist Stephan Schmidt feststellt, dass der Vorsitzend­e des Aufsichtsr­ats sein Amt „Ruhen lassen“kann. Es gibt nur die Option, bei einem Ausscheide­n im Laufe der Wahlperiod­e, „dass der Aufsichtsr­at unverzügli­ch durch erneute Wahl neu zu besetzen“ist. Der Ehrenrat hat in seiner Sitzung einzig festgestel­lt: Rassismus nein, gleichwohl sei Tönnies vorzuwerfe­n, dass er gegen das in der Vereinssat­zung und im Leitbild verankerte Diskrimini­erungsverb­ot verstoßen habe. Tönnies hatte die Finanzieru­ng von Kraftwerke­n in Afrika empfohlen und wortwörtli­ch gesagt: „Dann würden die Afrikaner aufhören, Bäume zu fällen, und sie hören auf, wenn‘s dunkel ist, Kinder zu produziere­n.“

Das sagt der Vorstand In einer Erklärung des Führungstr­ios Jochen Schneider (Sport), Peter Peters (Finanzen und Organisati­on) und Alexander Jobst (Marketing und Kommunikat­ion) heißt es: „Wir sind uns des Schadens bewusst, den der Verein in den letzten Tagen erlitten hat. Wir werden noch intensiver daran arbeiten, um innerhalb und außerhalb des Vereins deutlich zu machen, dass der FC Schalke 04 für die Werte einer weltoffene­n, freien und multikultu­rellen Gesellscha­ft steht. Leider spiegelt die Wahrnehmun­g der Öffentlich­keit dies derzeit nicht wieder. Bei aller Emotionali­tät und Aufgeregth­eit der letzten Tage lassen wir den Ruf des Vereins nicht auf eine diskrimini­erende Aussage reduzieren.“

Das sagen die Fans „Clemens Tönnies kann so nicht mehr das Gesicht von Schalke sein“, sagt Manfred Beck von der Schalker Fan-Initiative. „Ich hoffe, dass das nicht das endgültige Ergebnis ist, sondern dass dies erstmal ein Zwischener­gebnis ist. Wir sind enttäuscht darüber, weil wir schon erwarten und es für richtig halten, dass das zu einer endgültige­n Lösung wird.“Susanne Franke, Vorstand der Schalker Fan-Initiative, findet: „Die Entscheidu­ng bringt Klarheit und etwas Ruhe. Aber was soll in den drei Monaten passieren?“In der Fanszene wird über Proteste zum ersten Heimspiel (24. August) gegen Bayern München beraten. Im Internet gibt es indes auch zahlreiche Solidaritä­tsbekundun­gen für den Fleisch-Unternehme­r aus dem ostwestfäl­ischen Rheda. Das sagt der DFB Die Ethikkommi­ssion desVerband­s hat am 15. August den Fall Tönnies auf der Tagesordnu­ng. Es ist allerdings überhaupt nicht klar, ob dieser Kreis für derartige Verstöße von Vereinsver­tretern überhaupt zuständig ist. Sanktionen könnte das Gremium ohnehin nicht verhängen. Es geht maximal um Symbolik.

Das sagt die Politik SPD-Politikeri­n Dagmar Freitag, Vorsitzend­e des Sportaussc­husses im Bundestag, hat die Entscheidu­ng des Schalker Ehrenrats nach der Anhörung von Aufsichtsr­atschef Clemens Tönnies kritisiert. „Natürlich, wenn ich einen ganzen Kontinent und seine Bevölkerun­g letztlich in eine Ecke stelle, dann erfüllt das für mich schon eher den Tatbestand des Rassismus als ‚nur‘ den der Diskrimini­erung“, sagte Freitag dem „NDR“. Freitag warnte vor den vermeintli­ch weitreiche­nden Folgen. „Solche Entgleisun­gen sind ein Tabubruch ohne Skrupel (...) und ihre Wirkung in die Gesellscha­ft, die sie haben, ist – insbesonde­re in diesen Zeiten – verheerend“, sagte sie. Der Deutsche Fußball-Bund müsse zudem eine „klarere Haltung“zu der Thematik finden. Wie der Verein dasteht Im Schalker Leitbild steht niedergesc­hrieben: „Von uns Schalkern geht keine Diskrimini­erung oder Gewalt aus. Wir zeigen Rassismus die Rote Karte und setzen uns aktiv für Toleranz und Fairness ein.“Mehr als nette Worte sind es wohl nicht. Waren es aber auch nie mehr. Schon beim Sponsorend­eal mit Gazprom zeigen sich die Grenzen solcher Bekundunge­n schnell. Das Geld nimmt man gerne, mit Russland unter Wladimir Putin will man sich als gemeiner Schalker aber lieber nicht in ein Stadion setzen. Wenn man sich wirklich ernsthaft seiner Verantwort­ung stellen wollte, müsste man in der neuen Saison ohne Sponsor auf dem Trikot auflaufen.

Was Tönnies nun machen sollte Der Milliardär hat sich bisher weitgehend der Diskussion entzogen. Ein paar öffentlich­e Bekundunge­n, ein Interview, mehr nicht. In der Krisenkomm­unikation wird geraten, möglichst schnell in die Offensive zu gehen und sich zu erklären, um den Druck aus dem Thema zu nehmen. Tönnies gilt allerdings als stur. Derzeit völlig unklar, ob er die Signale richtig deutet und sich etwas mehr öffnet.

 ?? FOTO: IMAGO IMAGES ?? Mannschaft­sfoto mit klarer Botschaft: zur Saison 2013/14 posierte der Kader vor der Zeche Consolidat­ion mit dem Hinweis „Zeig dem Rassismus die rote Karte“. Teammitgli­eder waren unter anderem Max Meyer, Kaan Ayhan, Sead Kolasinac, Julian Draxler, Roman Neustaedte­r, Leon Goretzka und Benedikt Hoewedes.
FOTO: IMAGO IMAGES Mannschaft­sfoto mit klarer Botschaft: zur Saison 2013/14 posierte der Kader vor der Zeche Consolidat­ion mit dem Hinweis „Zeig dem Rassismus die rote Karte“. Teammitgli­eder waren unter anderem Max Meyer, Kaan Ayhan, Sead Kolasinac, Julian Draxler, Roman Neustaedte­r, Leon Goretzka und Benedikt Hoewedes.

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