Als die Kö noch Kastanienallee hieß
Das neue Jahrbuch des Düsseldorfer Geschichtsvereins ist erschienen und räumt mit vielen Legenden auf.
Wie wird in einer Stadt Erinnerung konstruiert? Zumeist über ihre zahlreichen Archive, deren zeitgenössische Dokumente eine unschätzbare Arbeitsgrundlage für jeden Historiker bilden. Aber auch Mythen und Legenden aus dem Volksmund tragen zur Geschichte bei – wobei nicht jeder Mythos auch einer wahren Begebenheit entspringt.„Auch als Historiker ist man manchmal versucht, solche Erzählungen als Gegebenheiten anzunehmen“, sagt Volker Ackermann, Vorsitzender des Düsseldorfer Geschichtsvereins.
Zu den neuesten Erkenntnissen über die Geschichte Düsseldorfs und der Region räumt das aktuelle Jahrbuch desVereins auch mit einer dieser Legenden auf. Und zeigt anschaulich, wie bedeutsam Archive als Korrektiv der Geschichtserzählung sein können.
Der Pferdeapfelvorfall So befassen sich die Autoren Christoph Laugs, Christian Schwartz und Robert Kieselbach mit dem „Pferdeapfelvorfall“, der die Benennung Friedrichstadt und der Königsallee begründet haben soll. „Im Zuge der deutschen Revolution von 1848 galt Düsseldorf damals als ein Herd der Anarchie“, sagt der stellvertretende Geschichtsverein-Vorsitzende Benedikt Mauer. „In diesem Milieu wuchs der Mythos.“Tatsächlich nimmt der Besuch des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV. im August 1848 einen ähnlich besonderen Platz wie die Schlacht beiWorringen oder der Ursprung der Düsseldorfer Radschläger ein.
Dass der preußische König die von der Nationalversammlung zuvor angebotene Kaiserkrone abgelehnt hatte, soll ihm bei seinem Besuch Unmutsbekundungen in Form fliegender Pferdeäpfel vonseiten der Bürger eingetragen haben. Als Reaktion über diese Peinlichkeit sollen die Stadtoberen den Ort des Geschehens, die Kastanienallee, mitsamt der neuen, südlichen Stadtsiedlungen zu Ehren Friedrich Wilhelms in „Königsallee“und „Friedrichstadt“umbenannt haben – so begründet sich der Mythos aus zeitgenössischen Erzählungen. Diese wurden allerdings erst Jahrzehnte später verschriftlich.
In den Rats- und Polizeiprotokollen aus dem Jahr 1848 findet sich jedoch keinWort über diesen Skandal. Vielmehr beruht die Umbenennung Friedrichstadt zu Ehren eines anderen preußischen Königs und seiner „glorreichen Regierung“, wie es 1852 in einem Ratsprotokoll heißt – Friedrich II., genannt „der Große“.
„Galerie der Neuzeit“und „entartete Kunst“Die 1937 in München gestartete Wanderausstellung „Entartete Kunst“machte deutlich, welches „Kunstverständnis“die Nationalsozialisten definierten. Vor allem dadaistische und kubistische, aber auch expressionistische Kunst wurde dort höhnisch herabgewürdigt. Doch was genau „entartet“sein soll – darüber war sich die nationalsozialistische Führungsriege unmittelbar nach der Machtergreifung 1933 noch längst nicht einig.
Sinnbildlich dafür steht die Düsseldorfer „Galerie der Neuzeit“, die im Juli 1935 in der damaligen Kunsthalle am heutigen Grabbeplatz eröffnet wurde. Immer wieder wurde diese Ausstellung von zumeist expressionistischen Künstlern auf Order der nationalsozialistischen Führungsriege neu konzipiert. Bis sie schließlich ganz eingestellt und somit ein „Spiegel der nationalsozialistischen Kunstpolitik“wurde, wie Autorin Katrin Dubois schreibt.
Ihr Aufsatz beschreibt anhand dieser Ausstellung die kulturpolitischen Unklarheiten zwischen 1933 und 1937 in der Gegenwartskunst und welche Einflüsse diese Umwälzungen auch auf die Sammlung des heutigen Kunstpalastes hatte. Der Orient aus Düsseldorfer Perspektive Der Name Poensgen ist ein Begriff in Düsseldorf – davon zeugen nicht nur Straßennamen wie die „Ernst-Poensgen-Allee“in Grafenberg. Doch ein Spross der Unternehmerfamilie, Friederike Poensgen, fand bisher wenig Eingang in die öffentlicheWahrnehmung. Dabei gibt das von Julia Lederle-Wintgens aufgearbeitete Reisetagebuch ihrer Orient-Reise von 1889 einen spannenden Einblick in eine Episode von Poensgens‘ Leben. Damals zu Beginn des 19. Jahrhunderts erlebten gerade die arabischen Länder eine Romantisierung innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft. Davon zeugt beispielsweise das 1895 erbaute „Arabische Café“an der heutigen Graf-Adolf-Straße. Poensgens‘ Bericht und ihre Erlebnisse beschreiben den Unterschied zwischen Vorstellung und Realität aus einer ganz persönlichen Perspektive – und geben dazu anschauliche Rückschlüsse auf die Anfänge des Tourismuszeitalters wieder.