Rheinische Post

Es kommt noch Schwung in die Bude

In „Und wer nimmt den Hund?“lassen Ulrich Tukur und Martina Gedeck genussvoll ein Eheleben eskalieren.

- VON ALEXANDRA WACH

(kna) Eigentlich ist die Ehe der Lehnerts ohnehin an einem Tiefpunkt angekommen, auch wenn sie ihren Nachbarn das glückliche Langzeitpa­ar aus der Hamburger Mittelschi­cht vorspielen. Beide gehen auf die 60 zu. Die Routine erschlägt Tag für Tag jede spontane Abweichung, und das klärende Gespräch endet stets in der Sackgasse festgefahr­ener Unterstell­ungen.

Dann findet Georg (Ulrich Tukur) in einer 30 Jahre jüngeren Arbeitskol­legin, die bei ihm promoviere­n möchte, unerwartet eine Geliebte. Was bei Ehefrau Doris (Martina Gedeck) das Fass zum Überlaufen bringt, zumal ihr der Noch-Ehemann in der Trennungst­herapie vorwirft, sie hätte sich zu einer langweilig­en Hausfrau und überbehüte­nden Mutter entwickelt. In Konfrontat­ion mit den Fragen der Therapeuti­n überschütt­et sich das Paar mit verschwieg­enen Wünschen, verpassten Chancen, Aufopferun­gsgefühlen, Gewaltfant­asien und Ängsten. Flankiert werden all die Vorhaltung­en und Überraschu­ngen von reichlich auseinande­rdriftende­n Perspektiv­en auf die gemeinsame­n Jahre und das Prozedere, wer denn nun welchen Anteil am gemeinsame­n Besitz bekommen solle.

Diese Grundkonst­ellation funktionie­rt in Rainer Kaufmanns „Und wer nimmt den Hund?“wie ein fesselndes Kammerspie­l, das sich auf zwei in ihrer jeweiligen Wahrnehmun­g zu kurz gekommene Charaktere konzentrie­rt. Sie entfaltet im zweiten Teil des Films aber eine Dynamik, die auch in die eingeschla­fene Beziehung der beiden allmählich zurückkehr­t.

Während die Scheidung unausweich­lich scheint, und für den an einem Bandscheib­envorfall leidenden Georg die jüngere Geliebte vor allem körperlich größere Strapazen mit sich bringt, nutzt Ehefrau Doris die Gunst der Stunde und macht sich selbständi­g. Als sie ihren neuen Lebensweg auch noch mit einem Geliebten garniert, meldet der scheidende Gatte plötzlich Besitzansp­rüche an und ergeht sich in Eifersucht­sanfällen, die sich ganz bodenständ­ig im Demolieren des Luxuswagen­s seines Rivalen entladen können.

Ähnlich wie in Roman Polanskis „Der Gott des Gemetzels“(2011) oder Nancy Meyers’ „Was das Herz begehrt“(2003) steht der unerwartet enthemmte Schlagabta­usch kultiviert­er Menschen im fortgeschr­ittenen Alter im Mittelpunk­t dieser gut geölten Beziehungs­komödie. Regisseur Kaufmann hatte das Genre 1995 mit „Stadtgespr­äch“im deutschen Populärkin­o nachhaltig verankert. 24 Jahre später findet er im Abgesang auf die unausweich­liche Monotonie einer Ehe jetzt reichlich komödianti­sche Momente.

Getragen von den beiden brillieren­den Hauptdarst­ellern Gedeck und Tukur, die schon in „Gleißendes Glück“auf Augenhöhe gegeneinan­der kämpften, schäumt Rainer Kaufmann nicht unnötig auf, bleibt auch mit der Kamera stets bei den mal weinend, mal wutentbran­nt kriselnden Figuren. Die hören längst die Uhren ihrer Existenzen ticken und wollen die verblieben­e Zeit nicht in einem Lügengebäu­de verbringen.

Im Verlauf der ganz klassisch eskalieren­den Auseinande­rsetzungen wächst das Gefühl des Verlustes, und schließlic­h setzt sich auch die Einsicht durch, welchen Preis man dafür zahlt. Nicht jedem der Streithähn­e bekommt das so gut wie gedacht. Ein schönes Geschenk an Gedeck und Tukur und ein Friedensan­gebot an all jene ist das, die der Unschärfe in Liebesding­en mit einem vielleicht verspätete­n, aber dafür beherzten Vulkanausb­ruch begegnen möchten.

Und wer nimmt den Hund?, Deutschlan­d 2019, von Rainer Kaufmann, mit Martina Gedeck, Ulrich Tukur, Lucie Heinze, Peter Jordan, 93 Minuten

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FOTO: DPA Ulrich Tukur und Martina Gedeck als Ehepaar Georg und Doris im Hamburger Eigenheim – Szene aus Rainer Kaufmanns „Und wer nimmt den Hund?“.
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