Rheinische Post

Vergesst Berlin!

Den mit Stars besetzten Episodenfi­lm „Berlin, I Love You“hätte es nicht gebraucht.

- VON CHRISTIAN FAHRENBACH

(dpa) Wenn bei einem neuen Film mehr über seine Entstehung als über den Inhalt gesprochen wird, dann deutet das auf gehörige Probleme hin. „Berlin, I Love You“ist so ein Fall. Schon im Vorfeld gab es Häme von einigen Bewohnern der Stadt und sogar einen kleinen Skandal um den chinesisch­en Künstler Ai Weiwei. Der Regimekrit­iker hatte einen Kurzfilm für den Episodenre­igen gedreht, erlebte aber dann eine Überraschu­ng: Sein Teil war herausgesc­hnitten worden.

In einem Interview mit der Deutschen Welle vermutete der Künstler hinter diesem Rausschmis­s Zensur. DieVerantw­ortlichen hätten aus Angst vor politische­n Konsequenz­en und schlechter­en Vermarktun­gschancen vor der Regierung gekuscht, erklärte er. Angeblich hätte sogar die Berlinale den Film abgelehnt, weil Ai Weiwei ein Teil davon war. Der damalige Festivalch­ef Kosslick wies das damals zurück. „Wir haben den Film nicht ausgewählt, weil er einfach grottensch­lecht ist“, erklärte er unumwunden.

In Berlin gab es bereits für den Werbeclip zum Film viel Spott. In der Filmvorsch­au nämlich wirkte die Metropole wie ein global seltsam unveranker­ter Ort zum Wohlfühlen für die Mittelschi­cht. Genauso sahen bereits die anderen Teile dieser Reihe aus. „Cities of Love“heißt sie – das sind Episodenfi­lme, die immer in einer anderen Großstadt mit Kurzfilmen berühmter Regisseure von der Liebe erzählen. Das bei Kritik und Publikum passabel erfolgreic­he „Paris, je t’aime“spielte im Jahr 2006 weltweit mehr als 17 Millionen Dollar ein und„NewYork, I love you“zwei Jahre später kam immerhin noch auf rund acht Millionen Dollar. Es folgten Tbilisi, Rio und nun eben die deutsche Hauptstadt, wieder mit einer beeindruck­enden Starbesetz­ung.

Helen Mirren und Keira Knightley spielen dabei in einer Episode über ein Flüchtling­skind Mutter und Tochter, Altstar Mickey Rourke lernt in einer weiteren Episode in einer Bar eine mysteriöse Frau kennen, und Hannelore Elsner ist in einer ihrer letzten Rollen zu sehen. Inszeniert wurden die Teile unter anderem von Dani Levy, Dennis Gansel und Peter Chelsom. Doch unter anderem eine unglücklic­he Feminismus-Episode mitVeronic­a Ferres als schnodderi­ge Waschsalon-Besitzerin zeigt, was alles nicht stimmt mit „Berlin, I Love You“: Die Dialoge, mit denen ein Filmregiss­eur kritisiert wird, der mit jungen Schauspiel­erinnen schläft bevor sie einen Vertrag bekommen, geraten platt; eine kurz darauf folgende Party sieht aus wie in einer Vorabendse­rie. Kaum berühren kann auch eine hölzerne Rahmenhand­lung mit Robert Stadlober als Straßenkün­stler.

Neben solchen misslungen­en Einzelepis­oden fehlt dem vollständi­gen Film das Gespür für den Reiz der Hauptstadt. Pflichtsch­uldig wird in Schwarz-Weiß-Animatione­n die Zeit des Mauerbaus abgearbeit­et oder die Charaktere fahren mal eben im Auto an Siegessäul­e und Brandenbur­ger Tor vorbei.

„Ist das typisch Berlin?“, fragt eine Figur an einer Stelle. „Nein, nichts ist typisch Berlin“, bekommt sie als Antwort. Das aber ist genauso faul und uninspirie­rt wie dieser komplett verzichtba­re Kurzfilmka­talog.

Berlin, I Love You, Deutschlan­d 2019, unter anderem von Dennis Gansel, Dani Levy, Peter Chelsom, mit Helen Mirren, Mickey Rourke, Hannelore Elsner, 120 Minuten

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FOTO: DPA Szene aus „Berlin, I Love You“mit Helen Mirren und Liam Gross.

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