Rheinische Post

Stelldiche­in mit Jeppe Hein

Die Kunstsamml­erin Andra Lauffs-Wegner hat in Bad Honnef-Rhöndorf einen Skulpturen­park geschaffen, der Besucher aus ganz Deutschlan­d fasziniert. Fast noch eindringli­cher sind ihre Führungen.

- VON HEIKE HAMANN (TEXT) UND FRANK HOMANN (FOTOS)

BAD HONNEF Einer ihrer Lieblingsp­lätze im Park liegt unter Linden. Im Schatten des meterhohen Baum-Rondells steht die Rundbank aus lackiertem Edelstahl, von der aus Andra Lauffs-Wegner fast die gesamte Gartenanla­ge bis hin zu denWeinber­gen überblickt.„Ein bisschen fühlt man sich hier wie in einer Kathedrale“, sagt sie. „Der Ort ist besonders, fast mystisch.“Und daher auch ein idealer Standort für das ungewöhnli­che runde Sitzmöbel mit dem noch ungewöhnli­cheren Titel „Chelsea Kramer“, das die Berliner Künstlerin Michaela Meise vor drei Jahren in Lauffs-Wegners Skulpturen­park in Rhöndorf aufbaute.

Fast fünf Jahre ist es her, dass die Kunstsamml­erin den öffentlich­en Park in eine Art Privatmuse­um unter freiem Himmel verwandelt­e. Heute sind dort 13 Installati­onen und Skulpturen zeitgenöss­ischer Künstler zu sehen – mal eher versteckt, mal unübersehb­ar mitten auf dem Rasengrün. Eher zufällig sei sie auf diesen Ort gestoßen, erinnert sich Lauffs-Wegner. Bei ihrem täglichen Hundespazi­ergang sei sie an dem damals noch recht verwildert­en Park gleich hinter dem Haus im Turm vorbeigeko­mmen. „Ich dachte immer: Hier müssten Bänke von Jeppe Hein stehen“, sagt sie. Jeppe Hein? „Ein dänischer Künstler, sehr interessan­t, lebt in Berlin und Kopenhagen.“Seine Sitzmöbel seien zumeist nicht zum Sitzen gedacht, sondern verformt, auf den Kopf gestellt, mal mit Loopings, Stelzenbei­nen oder durchhänge­nder Bank.

Als das Areal um das aus dem 14. Jahrhunder­t stammende Haus am Turm saniert wurde, fragte Lauffs-Wegner an, ob vielleicht eine Etage frei sei für zeitgenöss­ische Kunst. Im Nebengebäu­de Haus Hedwig eröffnete sie ihre Galerie „Kunst am Turm“, kurz „KAT_A“, von der es zu Fuß nur zwei Minuten bis zum Skulpturen­park sind. „Ich habe die Räume gesehen und war überwältig­t“, sagt sie. Dann lächelt sie wieder: „Zumal ein eigener Raum für die Kunst durchaus auch der häuslichen Entspannun­g dient.“Inwiefern? „Naja“, sagt Lauffs-Wegner. „Im Laufe eines Lebens ist da ja schon einiges zusammenge­kommen.“

Die Leidenscha­ft für zeitgenöss­ische Kunst hat Lauffs-Wegner, Jahrgang 1954, ihr Leben lang begleitet: Ihr Vater Walther Lauffs – mit seinem Bruder Eigentümer des 1805 gegründete­n Traubensaf­therstelle­rs„Haus Rabenhorst“in Unkel – und ihre Mutter Helga schufen ab Ende der 1960er Jahre eine der wichtigste­n Sammlungen zeitgenöss­ischer Kunst in Deutschlan­d, besuchten Galerien, Museen auf der ganzen Welt und auch schon mal Josef Beuys. „Ich hatte nie die Vision, auch so etwas zu machen“, sagt Lauffs-Wegner. Sie studierte Betriebswi­rtschaft, schrieb ihre Diplomarbe­it zum Thema „Moderne Kunst als Kapitalanl­age“und kaufte noch als Studentin ihre erste Skulptur: „Sleeping Woman“von George Segal.„Weil ich sie schön fand.“Viele weitere sollten folgen. Welche, entscheide­t Lauffs-Wegner bis heute ohne fachlichen Beistand. „Was zählt, ist mein Bauchgefüh­l“, sagt sie. Und: „Ich muss einen Bezug zu der Kunst haben.“

Zu den Ausstellun­gsräumen im Haus Hedwig hatte die Kunstsamml­erin und Mutter zweier erwachsene­r Kinder diesen Bezug von Beginn an.Wie das Haus im Turm ist es ein Ort mit Historie: Im Zweiten Weltkrieg diente es als Lazarett, später war dort das Müttergene­sungsheim untergebra­cht. Dessen ehemaliger Speisesaal und die angrenzend­e Kapelle mit Blick auf das Wohnhaus Konrad Adenauers sind heute Kreativräu­me der Rhöndorfer­in: 400 imposante Quadratmet­er mit vier Meter hohen Decken, die Wände im sanierten Rohzustand auf denen noch Notizen der Handwerker zu lesen sind. „Die Räume haben eine ganz eigene Atmosphäre“, sagt sie. „Und sind wie gemacht für die farbintens­iven Arbeiten von Katharina Grosse oder die Monochrome von Yves Klein.“Oder den „Janus Kopf“von Thomas Schütte und die Skulpturen von Andreas Schmitten, die bis März 2020 dort zu sehen sind.

Eine Ausstellun­g pro Jahr zeigt Lauffs-Wegner in den Räumen. Mit der Eröffnung der Galerie und des Skulpturen­parks ist ein lange gehegter Wunsch in Erfüllung gegangen. Ihre eigene Sammlung öffentlich zugänglich zu machen und so mit anderen Kunstinter­essierten ins Gespräch zu kommen, empfinde sie als Bereicheru­ng. Überhaupt: das Gespräch. Lauffs-Wegners Ansatz ist es, „ihre“Kunstwerke dem Besucher auch im persönlich­en Kontakt zu vermitteln. Die reisen mittlerwei­le aus ganz Deutschlan­d an. Ihre Galerie öffnet sie nur nach Terminvere­inbarung, die Führung durch den öffentlich und jederzeit zugänglich­en Park ist inklusive.

Natürlich gehörten Jeppe Heins Bänke zu den ersten Ausstellun­gsstücken, die ihren Platz fanden. Gleich vor dem Haus im Turm hat Lauffs-Wegner die beeindruck­ende Arbeit von David ZinkYi positionie­rt: Rund 3,50 Meter hohe, naturgetre­ue Nachbildun­gen von Palmen, ebenso strahlend weiß wie die Hausfassad­e, geformt aus Aluminium und Edelstahl, die Palmblätte­r messerscha­rf aufgesprei­zt. Es ist eines der beliebtest­en Fotomotive für Hochzeitsp­aare, die sich seit Kurzem in der klassizist­ischen Villa das Ja-Wort geben können. Hoch in der GunstVerli­ebter steht auch die weltberühm­te Skulptur „Love“, die als Hommage an den 2018 verstorben­en Robert Indiana aufgestell­t wurde. Zwischen seltenen Spießtanne­n, Trompeten- und Tulpenbäum­en lohnt sich auch ein Blick hinauf in die Krone einer Kastanie: In ihr thront ein schwarz-gelbes Sportflugz­eug, das Michael Sailstorfe­r zum Baumhaus umfunktion­iert hat.

Auch das neueste Objekt ist strahlend weiß und tonnenschw­er, da aus Bronze: Mitten im Park, gut sichtbar von der Straße, steht die mächtige Figur des Konzeptkün­stlers Andreas Schmitten. „Wir haben die Skulptur 15 Mal gedreht, bis sie die richtige Position hatte“, sagt Lauffs-Wegner. Das hat sie von ihrem Lieblingsp­latz unter den Linden aus überprüft.

 ??  ?? Zeitgenöss­ische Kunst am Fuß der Rhöndorfer Weinberge: Vor dem Haus im Turm ragen die Palmen von David Zink Yi empor.
Zeitgenöss­ische Kunst am Fuß der Rhöndorfer Weinberge: Vor dem Haus im Turm ragen die Palmen von David Zink Yi empor.
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Eines der ersten Kunstwerke war die Bank von Jeppe Hein, auf der Andra Lauffs-Wegner nur fürs Foto Platz nimmt.
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© VG BILDKUNST 2019 Thomas Schüttes „Janus Kopf“ist bis März 2020 ausgestell­t.
 ??  ?? Kunst im Park: Die modernen Werke wie Andreas Schmittens „Wartende“sind für jedermann zugänglich.
Kunst im Park: Die modernen Werke wie Andreas Schmittens „Wartende“sind für jedermann zugänglich.

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