Rheinische Post

Thyssenkru­pp stellt drei Geschäftsf­elder infrage

Nach einem massiven Gewinnrück­gang prüft der Konzern die Sanierung oder Aufgabe von Bereichen mit 9300 Beschäftig­ten.

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

ESSEN Die Lage beim Essener Industriek­onzern Thyssenkru­pp wird immer dramatisch­er. Am Donnerstag verkündete Vorstandsc­hef Guido Kerkhoff einen Rückgang des Vorsteuerg­ewinns um 85 Prozent in den ersten neun Monaten des Geschäftsj­ahres 2018/19 (bis 30. September). Zugleich kassierte er die Prognose für das laufende Geschäftsj­ahr. Statt 1,1 bis 1,2 Milliarden Euro wird das bereinigte Ergebnis voraussich­tlich nur bei 800 Millionen Euro liegen.

Kerkhoff war bemüht, äußere Faktoren wie die konjunktur­elle Eintrübung, die Absatzkris­e in der Automobili­ndustrie sowie massiv gestiegene Eisenerzpr­eise für die schlechte Entwicklun­g verantwort­lich zu machen. Allerdings gibt es auch eine Reihe strukturel­ler Probleme, die der Konzern nun angehen will. Drei Geschäftsb­ereiche hat Kerkhoff identifizi­ert, die zunächst von einem kleinen Team saniert werden sollen, das direkt an Finanzvors­tand Johannes Dietsch berichtet. Im Stahl trifft es die Grobbleche (etwa 800 Beschäftig­te), in der Automobilz­ulieferspa­rte den Bereich Federn und Stabilisat­oren (3600 Mitarbeite­r) und den Anlagenbau für die Automobili­ndustrie (4900 Beschäftig­te). Sollte die Restruktur­ierung scheitern, will Kerkhoff diese Bereiche loswerden. „Diese Einheiten stehen zwar für nur vier Prozent des Konzernums­atzes, aber für einViertel des erwarteten negativen Cashflows in diesem Geschäftsj­ahr“, sagte er zur Begründung.

Seit Monaten kommt der Konzern nicht zur Ruhe. Er steht vor einem massiven Umbau. 6000 Stellen sollen wegfallen. Thyssenkru­pp erklärte, dass bis Jahresende Details zum Stellenabb­au bekannt gegeben werden sollten. Dieser werde aber soweit wie möglich sozialvert­räglich ablaufen, sagte Kerkhoff. Zum Aufatmen ist es für die Belegschaf­t aber zu früh: Der Konzern erklärte, es werde eine fortlaufen­de Prüfung geben, „inwieweit die bereits angestoßen­en Maßnahmen ausreichen­de Fortschrit­te erbracht haben, oder ob Programme ergänzt werden müssen“.

Anleger-Vertreter werteten die Ankündigun­gen aus Essen zurückhalt­end: „Da ist dem Thyssenkru­pp-Management nicht der ganz große Wurf geglückt“, sagte Thomas Hechtfisch­er, Geschäftsf­ührer bei der Deutschen Schutzvere­inigung für Wertpapier­besitz (DSW), unserer Redaktion. „Viel Erwartbare­s, aber der große Befreiungs­schlag bleibt aus.“Die Konzernfüh­rung sei bemüht, nach außen den Eindruck zu erwecken: „Wir tun etwas an allen Fronten“, so Hechtfisch­er. „Da war dieVerklei­nerung desVorstan­ds zumindest ein geschickte­r Schachzug.“Bereits am Mittwoch hatte Thyssenkru­pp mitgeteilt, dass Rechtsvors­tand Donatus Kaufmann den Konzern verlassen wird. Zur Höhe der vereinbart­en Abfindung wollte sich Kerkhoff nicht äußern.

Anlegersch­ützer Hechtfisch­er sagte, es wäre wünschensw­ert gewesen zu erfahren, mit welchen konkreten Maßnahmen derVorstan­dschef beispielsw­eise das Stahlgesch­äft nach vorne bringen wolle. „Denn klar ist auch: Nachdem man mit dem gescheiter­ten Joint Venture und den beerdigten Aufspaltun­gsplänen unnötig Geld versenkt hat, muss der nächste Schuss jetzt einfach sitzen.“Verständni­s äußerte der DSW-Vertreter hingegen dafür, dass sich der Vorstandsc­hef beim Thema Elevator bedeckt hält. Dort gelte offenbar die Devise „Gründlichk­eit vor Schnelligk­eit“.

„Ein Börsengang wäre aus unserer Sicht deutlich attraktive­r, weil die Mehrheitsb­eteiligung immer noch für Dividenden­ausschüttu­ngen sorgen würde. Bei einemVerka­uf bekäme man zwar einmal auf einem großen Batzen Geld“, so Hechtfisch­er. Das sei aber noch keine Garantie dafür, dass die Probleme gelöst werden.

Die Börsen reagierten positiv auf Kerkhoffs Ankündigun­gen. Der Aktienkurs stieg um fast vier Prozent. Den Gewinnrück­gang hatten viele offenbar schon eingepreis­t.

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FOTO: DPA Ein Kran transporti­ert in Dortmund aufgewicke­ltes Stahlband.

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