Alte Scheune mit neuem Leben
Ein Paar und sein Architekt haben eine Ruine in Niederkassel in ein modernes Zuhause verwandelt – mit offenen Treppenhäusern.
Ein Paar und sein Architekt haben eine Ruine in Niederkassel in ein modernes Zuhause verwandelt – mit offenen Treppenhäusern.
Wie gut, dass man vorher nicht so genau weiß, was einen erwartet, wenn man sich auf das Abenteuer einlässt, ein Haus zu bauen. In Buchhandlungen lässt sich auf etlichen Regalmetern nachlesen, wie diese Erfahrung mehr oder weniger amüsant beschrieben wird – mit all ihren Pannen, schlaflosen Nächten und der immer wieder keimenden Vorfreude. Dreieinhalb Jahre hat diese Lebensphase bei Katja und Thomas gedauert, vom Warten auf die Baugenehmigung bis zurVollendung des Lichtkonzepts. Und dann war er fertig – ihr Wohntraum, der nun eine Ruine in Niederkassel mit neuem Leben füllt.
Der erste Eindruck: so viele Treppen! Da steht man im Erdgeschoss der ehemaligen Scheune, der Blick wandert hoch bis zum fast zehn Meter hohen Dach, Stufe für Stufe. Das Haus mit seinen großzügigen 240 Quadratmetern Wohnfläche hat zwei(!) offene Treppen bis in die zweite Etage – und ganz gleich, wo man sich gerade befindet, sieht man Holzstufen und metall-schwarzes Geländer. Die Treppe als ästhetisches Element, doppelte Wirbelsäule dieses Gebäudes. „Wir wollten es offen und loftartig“, sagen die beiden Besitzer. Und ihr Architekt Simon de Grussa aus Köln, der von diesem Objekt so begeistert war, dass er schon ein Modell bastelte, noch bevor er den Auftrag hatte, nahm sie beimWort.„Wir waren uns sofort einig, Raum zu schaffen statt Fläche.“Außerdem: Durch die Treppen auf zwei Seiten ist jeder Raum schnell erreichbar.
Die Scheune, rund 100 Jahre alt, stammt aus Niederkassels bäuerlicherVergangenheit. Im Erdgeschoss wird das Vieh gestanden haben, ganz oben wurde wohl Heu gelagert. Uralte, noch erhaltene Holzleitern sind der Beweis. Geblieben aus dieser Zeit sind ansonsten nur die Mauern und ein wunderbares Gebälk, das dem Haus Halt gibt – und Charakter. Das Holz-Scheunentor von einst (später durch ein schnödes Garagentor ersetzt) wurde vergrößert, ist heute ein Doppeltor – Glas mit schwarzen Sprossen, das sich zu einem Weg an der Hausseite öffnen lässt.„DiesenWeg müssen wir noch pflastern, das wird dann die letzte Arbeit sein“, meint Thomas, der in seiner Fantasie schon das fertige Ergebnis sieht, den kleinen Tisch davor, zwei Stühle, eine Flasche Wein...
Zurück ins Haus und in die Gegenwart: Durch die gläsernen Tore fällt Licht in den zentralen Raum im Erdgeschoss und direkt auf den langen, schmalen Esstisch, der genug Platz bietet für Familie und Freunde. Vor einer alten Ziegelwand, die beim Umbau gerettet wurde, haben zwei wuchtige englische Ledersessel ihren Platz gefunden. Neben einer Stehlampe, die aus einem Industriebohrer entstand, geht es durch eine schwarze Stahl-Sprossentür (kleiner Verwandter der großen Tore) in ein Arbeitszimmer, dessen Accessoires mit der Vergangenheit spielen: Eine Kommode wirkt, als sei sie aus sechs alten Koffern zusammengefügt, den Schreibtisch schmückt eine Schreibmaschine, Relikt aus dem Vor-Computer-Zeitalter.
An beiden Seiten dieses Haus-Zentrums führen die Treppen in die erste Etage zu einem offenen Wohnraum, der noch auf seinen Kamin wartet („das wird dann die allerletzte Arbeit sein“), vom Sofa aus blickt man auf ein Klavier im ebenfalls offenen, gegenüberliegenden Raum. Und wieder geht‘s eine Treppe höher – das Haus hat ein eingebautes Fitnessprogramm – vorbei am Bad auf einer Zwischenebene zur Schlafetage, auf der eine Brücke die Verbindung schafft zwischen Kinder- und Elternschlafzimmer, dort fanden neben dem Bett alte Turnbänke als Nachttische eine neue Funktion. Und ein ehemaligerWerkzeugschrank glänzt nun als Wickelkommode – alles eine Frage von Flexibilität und Fantasie.
Die Dachterrasse war nur an der Nordseite möglich, wieder eine Herausforderung für Architekt de Grussa. Mit einer speziellen 3-D-Simulation hat er den Sonnenverlauf nachempfunden. „Wir wollten unbedingt erreichen, dass die Terrasse trotz ihrer Lage Sonne bekommt.“Wie er das geschafft hat? Durch ein Fenster an der Südseite, dessen Lage exakt berechnet wurde.
Das Paar lebt nun seit zwei Jahren mit seinen zwei kleinen Kindern in Niederkassel. Genießt den dörflichen Charakter – dabei ist die Großstadt per Fahrrad erreichbar. Spätestens jetzt ist klar: „Eine rundum gute Entscheidung.“