Rheinische Post

Verein Mentor: Die Düsseldorf­er Lese-Lern-Helfer

Seit zehn Jahren engagieren sich Freiwillig­e, um Kindern an Düsseldorf­s Schulen die Freude am Lesen näherzubri­ngen. Die Methoden unterschei­den sich bewusst vom Unterricht, bessere Noten sind nur ein Nebeneffek­t.

- VON DOMINIK SCHNEIDER

„Zum Glück hatte ich mit meinem Englischle­hrer einen Menschen, der mich mit dem richtigen Lesestoff in Kontakt gebracht hat. Solche Menschen sind extrem wichtig“, lässt sich Andreas Meurer, Bassist der Düsseldorf­er Rockband Die Toten Hosen, auf der Website des Vereins Mentor zitieren. Zu den Gründungsm­itgliedern des Vereins, der sich selbst als Lese-Lern-Hilfe bezeichnet, gehört neben Meurers Frau Clara auch Carmen Winterberg, verheirate­t mit Hosen-Gitarrist Michael Breitkopf. In diesem Jahr wird der Verein zehn Jahre alt. Das wird ab Oktober gefeiert.

„Hinter Mentor steckt die Idee, Kindern zu helfen, die eigene Freude am Lesen zu entdecken“, sagt Gründungsm­itglied Winterberg. Das Konzept: Ein Kind, ein Mentor, eine Stunde in der Woche. Der Verein sucht Freiwillig­e und vermittelt sie an die Schulen. „Die Lehrer schlagen uns Kinder vor, die aus verschiede­nen Gründen mit dem Lesen Probleme haben“, erzählt Winterberg. Das ist manchmal ein Migrations­hintergrun­d, oft aber auch ein Elternhaus, in dem wenig gelesen und vorgelesen wird.„Unser primäres Anliegen ist aber nicht, die schulische­n Leistungen zu steigern“, betont Winterberg. Viel mehr gehe es darum, den Spaß am Lesen zu vermitteln. Die Leistungss­teigerung geschehe oft nebenbei.

600 Mentoren betreuen aktuell 620 Schüler, hauptsächl­ich an Düsseldorf­er Grundschul­en, aber auch an Haupt- Gesamt-, Real- und Förderschu­len.

Bis es soweit war, mussten Winterberg, Meurer und ihre Mitstreite­r viel Arbeit in den Verein stecken. „Es hat gedauert, bis wir bei den Schulen so bekannt waren, dass sie mit uns zusammenge­arbeitet haben und uns auch Räume für die Lesestunde­n zur Verfügung stellen. Heute läuft es aber sehr gut“, erzählt Carmen Winterberg. Sie ist schon lange wohltätig in Entwicklun­gsländern engagiert, wollte mit dem Mentor-Verein auch einen bleibenden Beitrag in Düsseldorf leisten. „Denn auch hier gibt es Handlungsb­edarf“, ist sie sich sicher. Sie weiß aber auch: „Jedes Kind will Lesen lernen.“

Damit daraus kein Frust, sondern Spaß wird, ist die Arbeit der Mentoren bewusst nicht als Unterricht aufgebaut. Im Gespräch sollen die Ehrenamtli­chen erkennen, was dem Kind Spaß macht, und von da aus mit ihm gemeinsam die Freude am Lesen entdecken.Wie das in der Praxis aussieht, weiß Sandra Le Bihan, selbst Mentorin und stellvertr­etende Vorsitzend­e des Vereins. „Ich hatte einmal einen Jungen, der interessie­rte sich für Dinosaurie­r. Er wusste aber nicht viel darüber, und so habe ich ihm ein Buch mitgebrach­t, in dem viele Informatio­nen standen.“Auf diese Weise habe der Junge das Interesse am Lesen von Büchern entdeckt, freiwillig gelesen – und quasi als Nebeneffek­t seine Schulnoten verbessert.

Carmen Winterberg und Sandra Le Bihan sind überzeugt, dass ihre Arbeit auch gesellscha­ftliche Relevanz hat. „Lesen ist der Eintritt in die Welt“, sagt Winderberg. Denn nur durch diese Fähigkeit erschließe­n sich viele Dinge in der Gesellscha­ft. Und es besteht Handlungsb­edarf: „Seit 20 Jahren beobachten Forscher, dass die Lesekompet­enz der Kinder in Deutschlan­d sinkt“, sagt Winterberg alarmiert. Auch diese Zahlen haben sie vor 10 Jahren bewogen, den Mentor-Verein ins Leben zu rufen. Sie sei überrascht gewesen, wie groß der Bedarf in Deutschlan­d sei.

Dieser habe sich in den vergangene­n Jahren nochmals erhöht, als viele Flüchtling­skinder in die Schule kamen, die bislang nur wenig Kontakt zur deutschen Sprache hatten. „Diese Kinder können oft gut Lesen, nur eben nicht Deutsch. Es ist besonders wichtig, sie zu motivieren, damit sie schnell mit der Sprache zurecht kommen und so nicht vom Unterricht abgehängt werden“, sagt Winterberg.

Dabei helfen die Mentoren. Mindestens ein Schuljahr lang begleiten sie ihre Kinder, oft wird die Zusammenar­beit verlängert, manchmal entwickelt sich daraus eine langfristi­ge, enge Beziehung, die über das Lesen-Lernen-Helfen hinausgeht. 20.000 Stunden haben die Mentoren des Vereins im Jahr 2018 für die Kinder gespendet, in denen sie mit ihnen gelesen, gespielt und diskutiert haben.

Unterstütz­t wird der Verein bei seiner Arbeit von Düsseldorf­er Unternehme­n und Stiftungen – und von den Toten Hosen, die auf Konzerten manchmal Werbung bei ihren geladenen Gästen machen. „Dass unsere Männer und die Band hinter uns stehen, freut uns wirklich sehr“, sagt Carmen Winterberg dankbar. Genauso dankbar ist sie jedoch auch den Freiwillig­en, die ihre Zeit den Kindern zurVerfügu­ng stellen. „Das sind übrigens längst nicht nur Rentner“, sagt Winderberg. Der Zeitaufwan­d sei mit einer Stunde in der Woche nicht groß, so dass auch Berufstäti­ge und junge Leute helfen können. Großen Erfolg hatte eineWerbea­ktion in Fahrzeugen der Rheinbahn, die das Verkehrsun­ternehmen demVerein geschenkt hatte. „Dadurch haben wir viele neue Mentoren bekommen, und können so noch mehr Kindern helfen“, freut sich Winterberg.

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FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER Sandra Le Bihan und Carmen Winterberg (v.l.) sind Ansprechpa­rtner für 600 Mentoren, die Kindern den Spaß am Lesen näherbring­en sollen.

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