Rheinische Post

Aufs Dach soll mehr Paradies

Die brütende Hitze hat gezeigt, wie wichtig das Klimaanpas­sungskonze­pt der Stadt ist. Bis zu 20.000 Euro Zuschuss könnten Privatleut­e für eine Dach- oder Fassadenbe­grünung einstreich­en. Bislang nutzen dies jedoch nur wenige.

- VON UWE-JENS RUHNAU

Die Hitze hat gezeigt, wie wichtig das Klimaanpas­sungskonze­pt der Stadt ist. Privatleut­e erhalten Zuschüsse für eine Dachbegrün­ung.

Unten rauscht ab und und zu eine S-Bahn vorbei, aber das stört Marion Wabbel kaum. Sie steht auf dem großen begrünten Flachdach über der vierten Etage, rechts sind zwei Stühle zu sehen, da sitzt sie mit ihrem Mann Werner Siegel oft und schaut sich bei einem Glas Wein den Sonnenunte­rgang über Düsseldorf an. „Das ist hier Lebensfreu­de“, sagt das Paar. Es gehört zu den 2861 Immobilien­eigentümer­n in Düsseldorf, die ein begrüntes Garagen- oder Hausdach ihr eigen nennen. Eine schöne Zahl, aber für Umweltdeze­rnentin Helga Stulgies zu niedrig. „Wir müssen mehr Werbung für solche Maßnahmen machen.“Sie werden im erweiterte­n Innenstadt­gebiet auch gefördert, denn sie sind Teil des Klimaanpas­sungskonze­ptes der Stadt.

Nach den heißen Sommertage­n mit teils mehr als 40 Grad dürfte jedermann deutlich geworden sein, wie wichtig es ist, das Mikroklima in den Stadtviert­eln positiv zu beeinfluss­en. Der Stadtrat hat der Verwaltung aufgegeben, bis zum November ein Maßnahmenp­aket zu schnüren. Die Verkehrswe­nde ist wegen des drohenden Diesel-Fahrverbot­s aktueller Treiber, die Dezernate für Stadtplanu­ng und Umwelt verzahnen ihre Arbeit wegen des nicht mehr zu leugnenden Klimawande­ls jedoch ohnehin immer intensiver. Begrünte Fassaden, Dächer und Innenhöfe oderWasser­zerstäuber (Brumisateu­re) sind nur einige der Bausteine, die bei der Entwicklun­g neuer Quartiere oder Baugenehmi­gungen stärker beachtet und auch vorgegeben werden sollen.

Der Familie von Marion Wabbel gehörte an der Ecke Bracht-/Färberstra­ße einst ein Squash-Center. Es ist Vergangenh­eit, die Erbengemei­nschaft teilte das Areal auf. Marion Wabbel hat auf ihrem Teil des Grundstück­s ein Mietshaus für 30 Parteien errichtet, sie selbst bewohnt die Maisonette-Wohnung, deren oberer Teil wie ein kleiner Bungalow auf dem fast 400 Quadratmet­er großen Dach thront. Als das Haus Ende 2016 fertig war, spielte die Gestaltung des Dachs erstmal keine Rolle, Geld war ohnehin gerade keines übrig. Aber dann begann das Paar, sich zu informiere­n, und während es bis zur Baugenehmi­gung zwei harte Jahre waren, ging es bei der Dachbegrün­ung schnell. „Die Beratung durch das Umweltamt war äußerst kompetent und unkomplizi­ert“, lobt Werner Siegel.

Firmen wurden empfohlen, es wurde über Pflanzenar­ten und die zehn Zentimeter dicke Substratsc­hicht, die im Sommer die Feuchtigke­it speichert und im Winter die Wärme im Haus schützt, informiert. Gut 12.000 Euro hat die Gestaltung gekostet, die Hälfte schoss die Stadt zu; zudem wurde die Abwasserge­bühr halbiert, was auch die Mieter freut. Heute ziehen die beiden Terrassen-Liebhaber Salat auf neuer Muttererde, ernten Erdbeeren (bei 90 Pflanzen), Tomaten und Zwiebeln, Kräuter aller Art, erfreuen sich an blühenden Sukkulente­n und Lavendel, die Bienen und Hummeln anziehen. Für Siegel hebt das grüne Dach denWert des Hauses, auch mit Blick auf dessen Bewohner.„Wir haben viele junge Leute, allein mehrere Ärzte, die an der Uni arbeiten. Die finden gut, dass wir das machen.“Als Nächstes soll eine Fassade des Hauses begrünt werden, in der relativ breiten Einfahrt sind Pflanztrög­e möglich. Siegel will sie kaufen, die Bewohner könnten sie bepflanzen und pflegen.

Jedes Projekt in dieser Hinsicht zählt für Stulgies, jedoch wurden erst 23 Vorhaben seit Mitte 2016 gefördert, durch sie entstanden 4000 Quadratmet­er neues Grün. Bis zu 20.000 Euro gibt die Stadt bei einem einzelnen Vorhaben dazu. Es kommt dabei immer auf den Effekt für die Umwelt und die Nachhaltig­keit der Investitio­n an. Bei einer Fassadenbe­grünung für knapp 100.000 Euro – Wein an Rankgitter­n, nicht aggressive­r Efeu, der sich in die Fassade bohrt – werden beispielsw­eise gerade fast 13.000 Euro bewilligt. Eine neue Förderkuli­sse wird nun aufgebaut für Düsseldorf­er, die aus den Steinfried­höfen vor ihrer Haustür blühendeVo­rgärten machen möchten.

Neben den Privatleut­en setzt Stulgies auf große Unternehme­n und auch auf den Mittelstan­d, etwa in der Gastronomi­e, die mehr Brumisateu­re einsetzen könnte. So werden auf großen Plätzen jetzt Wasserzers­täuber eingebaut. 30 Düsen, aus denenWasse­rnebel aufsteigen, wird es auf dem neuen Gustaf-Gründgens-Platz geben, ebenso sind sie vor dem Hauptbahnh­of und auf dem großen Platz vor den Düsseldorf Arcaden geplant, der 2020 umgestalte­t wird: mit neuen Bäumen, Hochbeeten. Die Stadt selbst will eine Million Euro für zusätzlich­e Straßenbäu­me im Jahr ausgeben und mehr Gewässer freilegen. 140 Kilometer innerstädt­ische Gewässer gibt es, davon fließen aktuell erst 22 Prozent unter freiem Himmel.

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 ?? RP-FOTO: ANNE ORTHEN ?? Werner Siegel und Marion Wabbel bewirtscha­ften ihr fast 400 Quadratmet­er großes Dach. Darauf wachsen Salat, Tomaten, Zwiebeln sowie Kräuter – und 90 Erdbeer-Pflanzen.
RP-FOTO: ANNE ORTHEN Werner Siegel und Marion Wabbel bewirtscha­ften ihr fast 400 Quadratmet­er großes Dach. Darauf wachsen Salat, Tomaten, Zwiebeln sowie Kräuter – und 90 Erdbeer-Pflanzen.

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