Wie Pittiplatsch das Sprechen lernt
In einer Werkstatt im Münsterland werden die „Sandmännchen“-Figuren für neue Folgen nachgebaut.
SASSENBERG (dpa) „Ach du meine Nase!“Pittiplatsch kann reden – und zwar erstmals mit auf und zu klappendem Mündchen. Nach mehr als 500 Folgen der längst nicht mehr nur im Osten beliebten Abendgruß-Reihe hat der kleine, braune Kobold aus der Kinderserie „Unser Sandmännchen“ein Mäulchen bekommen, wo beim Original nur eine unbewegliche Zungenspitze hervorlugte.
Und nicht nur das: Pünktlich zum 60. Geburtstag der Einschlaf-Kinder-Serie „Sandmännchen“im November werden der rbb (Rundfunk Berlin-Brandenburg), der MDR (Mitteldeutscher Rundfunk) und der Kika (Kinderkanal) drei neu gebaute Figuren präsentieren. Denn erstmals seit 1991 entstehen bis dahin 13 neue Abendgruß-Folgen des Streiche ausheckenden Trios Pitti, Schnatterinchen und Moppi.
Bevor es ins Studio geht, muss ihr Schöpfer aber noch Hand anlegen. Figurenbauer Norman Schneider richtet das krause Haar von Pitti. Hund Moppis Nase könnte noch nachgedunkelt werden, Ente Schnatterinchen soll noch ein paar Accessoires bekommen. Von ersten Entwürfen bis zu diesen letzten Handgriffen hat Schneider mindestens 200 Arbeitsstunden in die drei Handpuppen gesteckt.
An diesem Sommertag trifft rbb-Redakteurin und „Sandmännchen“-Verantwortliche Nina Paysen im Figurenatelier im münsterländischen Sassenberg erstmals auf die fertigen Figuren. „Ich bin begeistert! Die Puppen leben“, sagt sie.
1962 hatte Pittiplatsch seinen ersten Abendgruß-Auftritt und wurde schnell ein Renner im DDR-Kinderfernsehen. Für viele Eltern und Großeltern im Osten gehörten seine Sendungen zu den ersten Fernseherfahrungen. „Heute spielt die Herkunft keine Rolle mehr: Kinder in Ost und West lieben Pitti und seine Freunde“, sagt Paysen. Und das, obwohl seit 1991 nur Wiederholungen zu sehen waren.
Auch für den 47-jährigen Puppenbauer Norman Schneider ist der kleine Kobold eine Kindheitserinnerung. Seit zwölf Jahren ist er selbstständiger Puppenbauer und hat sich in der überschaubaren Branche einen Namen als Schöpfer von Klappmaulpuppen gemacht. Gut zwei Hände voll Kollegen gebe es in Deutschland, jeder präge einen eigenen Stil. Schneider steht für ausdrucksstarke Puppen mit oft ausgefeilter Technik. Bevorzugtes Material sei der Frotteestoff, mit dem er viele seiner Rohlinge überzieht. Zwischen 70 und 80 Puppen entstehen pro Jahr im Atelier – meist Neukreationen, gelegentlich aber auch Kopien berühmter Originale.
So haben er und sein fünfköpfiges Team zum Beispiel für das Berliner Museum für Film und Fernsehen das pinke Vogelwesen Tiffy aus dem deutschsprachigen „Sesamstraßen“-Ensemble nachgebaut und dem Raben Rudi aus der ZDF-Serie „Siebenstein“neues Leben eingehaucht. Schneider entwarf Figuren für das kuwaitische Fernsehen, Werbespots und Musikvideos.
Für den Nachbau von Sandmännchens Freunden musste er auf alte Folgen und Fotos als Anschauungsmaterial zurückgreifen. Die Originalpuppen seien längst nicht mehr im Fundus, berichtet Paysen. „Wir wollten die Figuren auch an die Möglichkeiten des modernen Puppenbaus anpassen“, sagt sie.
Schneider führt vor, wie mühelos Moppis Laune wechseln kann. „Es ist ein großes Glück, wenn es gelingt, die Figuren so ausdrucksstark zu machen“, sagt er. Doch nun muss er sie ziehen lassen. „Sie sind mir ans Herz gewachsen, aber ich bin nun gespannt, welches Eigenleben sie führen werden.“