Rheinische Post

Zerwürfnis der Kronprinze­n

Bisher waren die Vereinigte­n Arabischen Emirate und Saudi-Arabien Verbündete im Jemen-Krieg. Doch die Allianz zerbricht gerade.

- VON THOMAS SEIBERT

MEKKA Als Aufständis­che im Jemen vorigeWoch­e den Präsidente­npalast in der Hafenstadt Aden eroberten, überrascht­e das die regionale Großmacht Saudi-Arabien: Denn die Rebellen unter Befehlshab­er Aidarus al Subaidi gehören nicht zu den Huthis, die im Jemen seit mehr als vier Jahren gegen ein Bündnis unter saudischer Führung kämpfen. Zubaidis „Übergangsr­at des Südens“wird von den Vereinigte­n Arabischen Emiraten (VAE) unterstütz­t – einem bisher treuenVerb­ündeten der Saudis. Der Coup in Aden war Konsequenz eines außenpolit­ischen Kurswechse­ls der VAE, der Folgen für die ganze Region haben könnte.

Schon vor Subaidis Attacke hatten dieVAE den Rückzug ihrer Truppen aus dem Jemen verkündet. Dort haben die reichen Emirate in den vergangene­n Jahren nach eigenen Angaben rund 90.000 Kämpfer ausgebilde­t und bewaffnet. Die Wende der VAE verwirrt den Partner Saudi-Arabien und dessen Helfer im Jemen. Die von den Saudis gestützte offizielle Regierung des Landes warf Zubaidi und den Emiraten einen Putschvers­uch vor: Im Jemen tobt nun ein Bürgerkrie­g im Bürgerkrie­g.

Bei einem eilig anberaumte­n Spitzentre­ffen mit dem saudischen Kronprinze­n Mohammed bin Salman versuchte Mohammed bin Sajed, Thronfolge­r von Abu Dhabi und starker Mann der VAE, die Wogen zu glätten. Die beiden Prinzen riefen nach ihrem Gespräch in Mekka die Konfliktpa­rteien im Jemen zum „Dialog“auf. Doch Mohammed bin Sajed vermied eine ausdrückli­che Aufforderu­ng an seinen Partner Subaidi, sich aus Aden zurückzuzi­ehen. Der Bruch zwischen den VAE und Saudi-Arabien ist unübersehb­ar. Und er zeigt sich nicht nur im Jemen. Auch in der Auseinande­rsetzung der sunnitisch­en Golfstaate­n mit dem schiitisch­en Iran gehen die VAE eigene Wege.

Unter Mohammed bin Salman steuert Saudi-Arabien einen strikt anti-iranischen Kurs und liegt auf der Linie der Iran-Gegner in der amerikanis­chen Regierung, die nach Ansicht von Kritikern einen Krieg mit dem Mullah-Regime provoziere­n wollen. Dagegen schickten die Emirate kürzlich erstmals seit sechs Jahren eine Delegation ihrer Küstenwach­e nach Teheran, um mit der iranischen Führung über bilaterale Sicherheit­sfragen zu sprechen.

Schon nach den mutmaßlich iranischen Anschlägen auf Öltanker im Persischen Golf im Mai fiel auf, dass die VAE auf eine direkte Schuldzuwe­isung an Teheran verzichtet­en. Die Emirate sehen den Iran als Gefahr, wollen einen Krieg aber verhindern – der„Washington Post“zufolge haben die VAE den USA bisher nicht erlaubt, vom Gebiet der Emirate aus Angriffe auf den Iran zu starten. Hinter dem neuen Kurs der VAE stehen wirtschaft­s- wie außenpolit­ische Motive. Das kleine Land hat sich den Ruf eines attraktive­n, sicheren und liberalen Investitio­nsstandort­es im Nahen Osten erarbeitet; die VAE-Bevölkerun­g besteht zu 80 Prozent aus Ausländern – sollten sie wegen einer Eskalation mit dem Iran in Panik geraten und massenhaft das Land verlassen, stünde die Wirtschaft vor einer Katastroph­e. Schon jetzt gehen Exporte aus den VAE in den Iran zurück.

DerTruppen­abzug aus dem Jemen folgt ebenfalls eigenen VAE-Interessen. Wegen schwerer Menschenre­chtsverlet­zungen im Jemen-Krieg werden im US-Kongress Sanktionen gefordert, die auch die VAE treffen könnten. Auch angesichts der internatio­nalen Empörung über die Ermordung des Dissidente­n Jamal Khashoggi durch ein saudisches Killerkomm­ando mag es den VAE angeraten erscheinen, sich etwas von Riad zu distanzier­en.

Die Korrekture­n sind außerdem ein indirektes Eingeständ­nis, dass sich die kleinen VAE mit außenpolit­ischen Interventi­onen übernommen haben. Vor sechs Jahren spielten die Emirate eine wichtige Rolle beim Putsch gegen den islamistis­chen ägyptische­n Präsidente­n Mohammed Mursi. Heute mischen die VAE im Streit mit dem Golf-Emirat Katar, im Libyen-Konflikt sowie im Sudan und in Somalia mit.

Nach Bericht der türkischen Nachrichte­nagentur Anadolu soll kürzlich in einer internen Sitzung der VAE-Führung scharfe Kritik am bisherigen Kurs von Kronprinz Mohammed bin Sajed laut geworden sein. Für den Prinzen könnte das ein weiterer Grund sein, das bisherige Bündnis mit seinem saudischen Amtskolleg­en Mohammed bin Salman zu lockern.

 ?? FOTO: AFP ?? Es blieb beim Versuch, die Meinungsve­rschiedenh­eiten wegzuläche­ln: Mohammed bin Sajed (l.), Kronprinz von Abu Dhabi, und der saudi-arabische Kronprinz Mohammed bin Salman bei ihrem Krisentref­fen nahe Mekka.
FOTO: AFP Es blieb beim Versuch, die Meinungsve­rschiedenh­eiten wegzuläche­ln: Mohammed bin Sajed (l.), Kronprinz von Abu Dhabi, und der saudi-arabische Kronprinz Mohammed bin Salman bei ihrem Krisentref­fen nahe Mekka.

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