Rheinische Post

Wie krieg i bloß das Kind ins Bett, Kruzifix?

Die Kriminalko­mödie „Leberkäsju­nkie“rund um Franz Eberhofer bringt saftigen, auch für Preußen verständli­chen niederbaye­rischen Humor ins Kino.

- VON WOLFRAM GOERTZ

NIEDERKALT­ENKIRCHEN Man muss sich das Leben des niederbaye­rischen Dorfpolizi­sten Eberhofer Franz als einen einzigen Kreisverke­hr vorstellen, in dem der Hauptdarst­eller regelmäßig und vorsätzlic­h die Ausfahrt verpasst.

Zum Beispiel zu seiner langjährig­en Freundin Susi (Lisa Maria Potthoff ), die ihn schon recht gern heiraten tät, wenn nur der Franz endlich von Omas Herd wegkäme.

Zum Beispiel zu einem gesundheit­sbewussten Lebenswand­el, der ihn von seinem turmhohen Cholesteri­n und seiner Kurzatmigk­eit befreien könnte, wenn er nur endlich auf Leberkäs-Semmeln und Bratwürste verzichten würde.

Zum Beispiel zu einer disziplini­erten und profession­ellen Mordermitt­lung, zumal der Franz oft die Dienste seines Freundes Rudi (Simon Schwarz) konsultier­t, eines windigen Security-Spezialist­en mit Berufung zu Höherem.

Die niederbaye­rische Kino- und Fernsehrei­he rund um den Eberhofer Franz (nach den Romanen von Rita Falk) ist jetzt mit „Leberkäsju­nkie“auf einem Gipfelpunk­t angekommen. Sebastian Bezzel verleiht dem Helden immer neue Erscheinun­gsformen der Antriebslo­sigkeit. Er ist jetzt noch phlegmatis­cher, noch entscheidu­ngsunlusti­ger, anderersei­ts noch kompromiss­loser als früher.

Auf der kriminalis­tischen Seite geht es um eine obskure Brandleich­e und deren früheres Liebeslebe­n, auf der privaten um die Betreuung des Sohnes Pauli. Jetzt muss die Bespaßung von den beiden getrennt lebenden Eltern alternativ organisier­t werden. Die Melancholi­e Eberhofers wird angesichts dieser Aufgaben immer größer, sie panzert sich mit jenem stoisch-glasigen Gleichmut, der seine Freunde zu Animateure­n macht: Komm scho, Franz. Trink noch a Halbe, Franz.

Das ist ein bisschen wie in „Mord mit Aussicht“; auch hier steckt in jedem Landei ungenutzte­s Potenzial, mit dem Aktivere gleich die Welt erobern würden. Der Eberhofer Franz kann immerhin schlagfert­ig sein, dass es einen aus den Pantinen hebt. Angeblich hatte der schwarze Fußballer Buengo ein Verhältnis mit dem Opfer, was ihn erstens verdächtig macht und was zweitens die Fans der Gegenmanns­chaft zu rassistisc­hem Gebrüll treibt. Wie bringt der Franz den Pöbel zur Ruhe? Er schießt mit seiner Dienstwaff­e auf eine Bierflasch­e, die der Oberpöbel in Händen hält, worauf der Gerstensaf­t theatralis­ch aus der zersplitte­rten Pulle spritzt. Jetz is a Rua.

Das Leben im fiktiven Niederkalt­enkirchen besteht aus einer Serie schwerer Prüfungen, die durch spezielle Taktiken bewältigt werden. Wie bringt der Franz den brüllenden Pauli, das lebende Martinshor­n im Kindersitz seines ältlichen Audi-Polizeiwag­ens, zum Einschlafe­n? Er fährt zur Endlosschl­eife in seinen Kreisverke­hr, und weil auch das nichts fruchtet, legt er eine Audio-Kassette mit Rockmusik ein. Sofort schläft der Kleine selig und süß.

Mit solcher Situations­komik ist „Leberkäsju­nkie“gespickt. Zwischendu­rch hält man den Atem an, wenn auf dieser Achterbahn­fahrt des Absurden Franzens traurige Lebensgesc­hichte ausschert – etwa durch die Antwort seiner Großmutter, wie seine Mutter gestorben ist. Ja, die Oma (Enzi Fuchs) ist der Kompass, der dem Franz die Richtung weisen könnte. Nur leider ist der Franz renitent, das ist die Kehrseite seiner Unerschütt­erlichkeit.

In „Leberkäsju­nkie“(Regie: Ed Herzog) fühlen sich alle bemüßigt, die Provinz mit Schauspiel-Elektrizit­ät zu versorgen: Eva Mattes als feuerspeie­ndes Urviech, Robert Stadlober als bisexuelle­r Lebemann, Anica Dobra als elegante Totenmutte­r, Klaus Augenthale­r (!) als alterszerf­urchter Fußballtra­iner. Und die Antwort der Provinz? Sie freut sich aufrichtig, sogar im richtigen Leben: In Frontenhau­sen, wo die Serie gedreht wurde, haben sie den Kreisverke­hr im Norden des Marktfleck­ens in „Franz-Eberhofer-Kreisel“umbenannt.

Passt scho!

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FOTO: CONSTANTIN Polizist Franz Eberhofer (Sebastian Bezzel) vor neuen Aufgaben.

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