Henkel-Chef kippt erneut Prognose
Der Vorstand des Düsseldorfer Konzerns muss zum zweiten Mal seine Erwartungen für das Geschäftsjahr nach unten korrigieren.Doch Vorstandschef Hans Van Bylen setzt darauf, im Amt zu bleiben.
DÜSSELDORF Wegen unerwartet starkem Gegenwind hat der früher so erfolgsverwöhnte Dax-Konzern Henkel seine Prognose für 2019 das zweite Mal nach unten korrigiert. Es sei möglich, dass der organische Umsatz dieses Jahr nicht zulegen werde, sagten Vorstandschef Hans Van Bylen und Finanzvorstand Carsten Knobel. Bisher war angekündigt worden, dass jede der drei Sparten und der gesamte Konzern ohne Berücksichtigung von Zukäufen und von Währungseffekten um zwei bis vier Prozent wachsen solle.
Jetzt wird ein solches Plus nur noch für die rund um Persil aufgestellte Traditionssparte Waschmittel (Laundry & Home Care) erwartet, wogegen es beim wichtigsten Geschäftsbereich Klebstoffe (Adhesive Technologies) ein Minus von einem Prozent geben könnte, bei Beauty Care (Haarpflege/Kosmetik) sogar ein Minus von zwei Prozent.
Die Anleger reagierten geschockt: Das Papier rutschte um zeitweise sieben Prozent nach unten, nachdem die Aktie seit einem Jahr schon rund 20 Prozent an Wert verloren hatte. Kein Wert im Dax entwickelte sich am Dienstag schlechter. Innerhalb der vergangenen drei Jahre rutschte das Henkel-Papier sogar um fast ein Drittel ab, während der Dax um rund zehn Prozent gestiegen war. Das Düsseldorfer Unternehmen hat in drei Jahren mehr als 15 Milliarden Euro an Wert verloren.
Das„Tal der Tränen“sei noch nicht vorbei, kommentierte das US-Finanzhaus Jefferies. Die Investmentbank Goldman Sachs meinte dagegen, die Aktie könne sich mittelfristig wieder von aktuell 86 auf 100 Euro erholen. Die besonders wichtige Klebstoffsparte leide weniger unter der Krise wichtiger Abnehmer als befürchtet.
Van Bylen sagte, das Geschäft sei durch „ein zunehmend schwieriges Marktumfeld belastet“. Die „insgesamt rückläufige industrielle Nachfrage“spiele eine Rolle. Gerade der wichtige Abnehmer Autoindustrie fahre die Aufträge herunter. Allerdings sei Henkel kein Sanierungsfall: „Henkel ist nicht in der Krise. Wir haben die richtige Strategie.“Der operative Gewinn vor Sondereffekten solle dieses Jahr weiter wie angekündigt bei 16 bis 17 Prozent liegen, also bei etwas mehr als drei Milliarden Euro. „Da sind wir stolz drauf.“
Der Vorstand ergänzte, Kurzarbeit sei nicht geplant, ein Einstellungsstopp ebenfalls nicht. Auch der Abbau von Zusatzleistungen wie die kürzlich gestartete eigene Pflegeversicherung sei kein Thema.Van Bylen: „Wir sind gigantisch stolz auf unsere Sozialleistungen. Da wollen wir Vorreiter bleiben.“
Trotz mehrfacher Nachfrage antwortete der seit drei Jahren amtierendeVorstandschef nicht auf die Frage, ob der den Konzern dominierende Henkel-Clan weiter hinter ihm stehe. Allerdings kündigte der 58-jährige Belgier an, in drei Monaten erneut die Pressekonferenz zu leiten. „Ich freue mich darauf, im November über die Zahlen zu berichten.“Es sei auch ein Zeichen von Stärke und nicht von Schwäche, dass Henkel wie Anfang des Jahres angekündigt nun jedes Jahr 300 Millionen Euro zusätzlich in Marketing und Digitalisierung stecken wolle, was entsprechend die kurzfristigen Gewinne senkt: „Wir sind gut aufgestellt. Wir investieren auf hohem Niveau, um unsere Marktanteile auszubauen.“
Als größte Enttäuschung musste Van Bylen einräumen, dass die Haarpflegesparte weiterhin in der Krise steckt. Der Umsatz sank im Halbjahr organisch um 2,4 Prozent, die bereinigte Umsatzrendite fiel von 17,4 Prozent auf 13,5 Prozent ab. Er schloss aber aus, die zwischen 2005 und 2016 von ihm selbst geleitete Sparte abzugeben: Das Geschäft mit Friseuren als professionellen Abnehmern stehe gut da. Beim angeschlagenen Konsumgütergeschäft hofft er weiterhin auf eine Verbes
serung mit neuen Marken und besserer Werbung, obwohl es in China und auch in Europa schlecht läuft. In der Klebstoffsparte, die fast die Hälfte des Konzernumsatzes ausmacht, sank das Geschäft um 1,2 Prozent im zweiten Quartal. Die bereinigte Umsatzrendite lag mit 19,3 Prozent etwas über demVorjahr. Als besonders positiv werden im Halbjahresbericht Geschäfte mit der Luftfahrtindustrie gelobt. Henkel profitiert vom Trend hin zu leichteren Flugzeugen.
Nur das Geschäft mit Wasch- und Reinigungsmitteln wuchs im zweiten Quartal und zwar um 2,8 Prozent. Aber auch dies kann man kritisch sehen: Die verkaufte Menge ging um fast ein Prozent zurück, aber die Preise von Persil oder Somat gingen im Schnitt um 2,8 Prozent hoch.Van Bylen sagte selbst, der Markenartikler hoffe auf höhere Erträge bei Waschmitteln, indem immer spezialisiertere Angebote auf den Markt kommen.
An einem Punkt bestätigen die Zahlen die Henkel-Strategie: In den etablierten MärktenWesteuropa und Nordamerika schwächelt das Geschäft zwar, in Lateinamerika, Afrika und Osteuropa legt es deutlich zu. Es ist also richtig, stark auf Wachstumsregionen zu setzen. In Asien brach der Umsatz allerdings wegen der Schwäche Chinas ein.