Mit dem Fahrrad von Europa nach Afrika
Es gab mal eine Zeit, in der das Reisen anstrengend und gefährlich war, in der man Tage statt Stunden brauchte, um sein Ziel zu erreichen. Doch dank Flugzeugen, Autos und Zügen sind die meisten Entfernungen heutzutage ohne Anstrengungen und in kurzer Zeit zu bewältigen. Manche Menschen wählen jedoch immer noch bewusst abenteuerliche und kräftezehrende Wege, um die Welt zu entdecken. Einer dieser Menschen ist Philipp Hympendahl.
Erst vor kurzem ist der 51-Jährige von einem 2000 Kilometer langen Radrennen von Wien nach Barcelona zurückgekehrt. Obwohl er 300 Kilometer am Tag hinter sich brachte, sitzt er bereits wieder auf dem Sattel, schließlich muss er für seine kommende Aufgabe in Topform sein. Zurzeit ist der Fotograf noch im Betondschungel Düsseldorfs unterwegs, doch im September werden sich die grünen Tannenwälder Norwegens, weite Landschaften in Russland und Afrikas Savannen vor ihm erstrecken. Gemeinsam mit dem Extremsportler Jo
nas Deichmann stellt sich Hympendahl der Herausforderung in nur 75 Tagen mit dem Fahrrad vom Nordkap, dem nördlichsten Punkt Europas, bis nach Kapstadt am südlichen Zipfel Afrikas zu fahren. Sie wollen den bisherigen Weltrekord für die 18.000 Kilometer lange Strecke um einen ganzen Monat unterbieten. Die Beiden sind während der ganzen Reise auf sich gestellt – kein Auto begleitet sie mit Ersatzfahrrädern oder Proviant, keine anderen Fahrer können ihnen im Ernstfall unter die Arme greifen.
Die Abenteuerlust wurde Hympendahl in die Wiege gelegt: „Mein Vater war als Segler auf den Weltmeeren unterwegs und ist immer dem nächsten Erlebnis hinterhergejagt“, erzählt er. „Auch ich konnte noch nie gut still sitzen und bin eigentlich immer in Bewegung.“Nach einem Motorradunfall in jungen Jahren war für Hympendahl nur das Radfahren noch schmerzfrei möglich. Seitdem nahm er an unterschiedlichsten Langstreckentouren und Ultra-Radsportrennen teil. Seine letzte Etappe von Wien nach Barcelona verlief problemlos: Lediglich etwas taube Finger und eine Woche voller Erholung folgten auf die Tour. Der kommenden Herausforderung begegnet er trotzdem mit einer großen Portion Respekt: „Die Tour mit Jonas wird eine Fahrt ins Ungewisse“, gibt Hympendahl zu. „Auf so eine lange Strecke kann man sich nicht 100-prozentig vorbereiten. Es gibt zahlreiche Faktoren, die man einfach nicht kontrollieren kann.“
In den drei kleinen Taschen an seinem Fahrrad finden lediglich eine Reiseapotheke, ein Satz Radsportkleidung zum Wechseln, eine Isomatte, sowie ein Reparaturset Platz. Nicht viel, wenn man bedenkt, dass von arktischer Kälte über die brennende Sonne Afrikas unterschiedlichste Klimazonen auf die beiden Sportler warten. Auch birgt die Route einige Gefahren für Hympendahl und Deichmann. So werden sie einige Länder mit höchst instabiler politischer Lage passieren und durch Landstriche fahren, bei denen die Gefahr besteht, an Krankheiten wie Malaria zu erkranken.
Doch gerade diese unkalkulierbaren Risiken machen den Reiz der Reise aus: „Man erlebt auf so einer Tour so ziemlich alles, was man erleben kann. Im Guten, wie im Schlechten“, erzählt Hympendahl mit einem Lachen. „An einem Tag steht man im Regen am Straßenrand und versucht mit zittrigen Händen den Fahrradschlauch zu reparieren. Am Nächsten fährt man dem Sonnenuntergang entgegen und genießt die beeindruckende Naturkulisse.“
Christoph Wegener