Rheinische Post

Berufsschü­ler arbeiten fünf Wochen lang in Madagaskar

Mit Unterstütz­ung des Vereins „Lernen-Helfen-Leben“haben Schüler des Franz-JürgensBer­ufskollegs im Inselstaat vor der afrikanisc­hen Ostküste Projekte umgesetzt.

- VON CHRISTOPHE­R TRINKS

Weiße Sandstränd­e, tropische Urwälder und eine exotische Artenvielf­alt – so in etwa stellt man sich die ostafrikan­ische Insel Madagaskar vor. Auch Hannah Schürmann hatte vor ihrem Besuch so eine Vorstellun­g im Kopf. „Ein bisschen so, wie man es aus dem Film kennt“, sagt die 16-Jährige.

Doch die traurige Realität sieht anders aus. Waren ursprüngli­ch 53 Millionen Hektar und damit 90 Prozent der Inselfläch­e mit Wald bedeckt, sind nach Schätzunge­n der Umweltschu­tzorganisa­tion WWF davon heute nur noch zehn Prozent erhalten. Jährlich werden 120.000 Hektar Wald gerodet. Vornehmlic­h, um Ackerland für die Landwirtsc­haft zu schaffen. Aber auch zur Gewinnung von Brennholz und Holzkohle fallen große Bestände zum Opfer. Denn traditione­ll werden Mahlzeiten auf Madagaskar auf einem sogenannte­n Drei-Steine-Kocher gekocht, der mit Kohle befeuert wird. Doch diese sind relativ ineffizien­t, verbrauche­n dazu viel Holzkohle.

Zusammen mit ihren Klassenkam­eraden vom Franz-Jürgens-Berufskoll­eg hat sich Schürmann lange mit dieser Thematik beschäftig­t. Im Fach Umweltschu­tztechnik, welches am Franz-Jürgens-Kolleg ab der Oberstufe wählbar ist, befassen sich die angehenden Abiturient­en mit Schwerpunk­t Maschinenb­autechnik mit technische­n Lösungen für umweltschä­dliche Problemati­ken. Dadurch hörten sie auch von einem Projekt von Studenten der Universitä­t Madagaskar, die bereits seit fünf Jahren mit alternativ­en Kochern den Holzverbra­uch eindämmen wollen. Doch entweder hielt das Material nicht lange oder die Kocher wurden durch die Herstellun­g zu teuer für die allgemeine Bevölkerun­g. Zusammen mit ihren Lehrern Beate Sieverding­beck und Jörn Lutat experiment­ierten die Berufsschü­ler im fernen Düsseldorf mit. „Wir haben uns viele Gedanken gemacht und mussten oft kreativ sein“, erklärt Schürmann. Heraus kamen Gussformen für Betonkoche­r, die die Düsseldorf­er den madagassis­chen Studenten zeigen wollten – und zwar vor Ort.

FünfWochen hat die Gruppe, darunter drei Techniker-Azubis und Lehrerin Sieverding­beck, nun in Madagaskar verbracht. Den Kontakt zu den Studenten vermittelt­e der Verein „Lernen-Helfen-Leben“, der bereits seit fast 30 Jahren Entwicklun­gszusammen­arbeit in Afrika vorantreib­t und auch die Materialie­n und Werkzeuge stellte. Zusammenar­beit war hierbei besonders nötig, denn auch der Düsseldorf­er Kocher musste den Gegebenhei­ten vor Ort angepasst werden. „Wir mussten auf die Erfahrunge­n und Gebräuche der Madagassen eingehen. Schließlic­h kochen wir zu Hause elektronis­ch, die Menschen dort jedoch schon immer mit Kohle. Dafür waren die Studenten sehr wissbegier­ig“, sagt Schürmann. Die einheimisc­hen Studenten lernten auch grundlegen­de Arbeitstec­hniken von den Schülern. Zum Beispiel Schweißen, denn die dafür benötigten Geräte fehlten bis zum Besuch der Düsseldorf­er noch an der madagassis­chen Universitä­t. Und die Geräte, die vorhanden waren, waren meist in schlechtem Zustand. „Bevor wir arbeiten konnten mussten wir die auch erst einmal reparieren.“

Den Aufenthalt konnten sich die Schüler als ihr Berufsprak­tikum anrechnen lassen. Das Austauschp­rogramm „Konkreter Friedensdi­enst“des Landes unterstütz­te sie mit 800 Euro pro Person. Den Rest zahlten die Schüler selbst. Dafür nutzten sie die Gelegenhei­t, Land und Leute zu erkunden. Die Zerstörung der Umwelt und der extreme Unterschie­d zwischen Arm und Reich mache sie traurig, erzählt Schürmann. Doch die übrig gebliebene Landschaft, die Freundlich­keit der Menschen und die Arbeit am Projekt seien eine einmalige Erfahrung gewesen. „Und durch das Improvisie­ren vor Ort habe ich mehr gelernt als in irgendeine­m Betrieb“, sagt sie.

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FOTO: MATTHIAS GÖRRES. Bei den Ausflügen war ein madagassis­cher Student als Führer mit dabei.

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