Rheinische Post

Jeder zweite Behinderte wird diskrimini­ert

Vor allem im Alltag werden Menschen mit Handicap verbal oder sogar körperlich angegangen. Das geht aus einer Umfrage von Aktion Mensch hervor.

- VON MARLEN KESS

BONN Rücksichts­loses Verhalten, schiefe Blicke, dumme Sprüche: Das hat jeder zweite Mensch mit Beeinträch­tigung – also einer Behinderun­g oder chronische­n Erkrankung – in Deutschlan­d schon einmal erlebt. Das geht aus einer Umfrage des Meinungsfo­rschungsin­stituts Yougov im Auftrag des Vereins Aktion Mensch hervor, die am Donnerstag in Bonn veröffentl­icht wurde. „Viele dieser Diskrimini­erungserfa­hrungen passieren im Alltag, zum Beispiel auf der Straße oder bei der Arbeit“, sagt Aktion Mensch-Sprecherin Ann-Kathrin Akalin, „aber auch bei Ämtern und Behörden“.

Insgesamt 517 Menschen mit Behinderun­gen wurden befragt. 51 Prozent von ihnen sagten, dass sie schon einmal wegen ihrer Beeinträch­tigung angegangen wurden. Vor allem Jüngere berichtete­n von negativen Erfahrunge­n: 70 Prozent der 18- bis 50-Jährigen haben schon Diskrimini­erungserfa­hrungen gemacht. Vor allem rücksichts­loses Verhalten haben viele von ihnen erlebt, 41 Prozent gaben zudem an, schon einmal direkt verbal belästigt worden zu sein. „Besonders erschrecke­nd ist, dass mehr als jeder Zehnte sogar bereits körperlich angegriffe­n wurde“, sagt Akalin.

Diese Erfahrunge­n sind für den Großteil der Befragten sowohl psychisch als auch körperlich belastend, auch finanziell­e Nachteile beklagen immerhin 73 Prozent. Dadurch entsteht bei vielen „ein Gefühl von Wertlosigk­eit, Hilflosigk­eit und Ohnmacht“, wie es ein Befragter ausdrückte. Viele der Betroffene­n haben zudem den Eindruck, dass die Diskrimini­erungen zunehmen – und finden, dass neben Politik und Medien vor allem jeder Einzelne in der Pflicht sei, mehr für Inklusion zu tun.

Deshalb startet die Sozialorga­nisation jetzt eine Kampagne mit einem Film, der hervorhebt, wie wichtig ein vorurteils­freier Umgang miteinande­r ist. „Unser Motto in diesem Jahr lautet ‚Inklusion von Anfang an’“, erklärt Christina Marx, Leiterin des Bereichs Aufklärung bei Aktion Mensch, „denn Toleranz lernt man am besten von Kindesbein­en an.“In den sozialen Medien wie Instagram oder Facebook sollen sich Menschen zudem unter dem Hashtag„Inkluencer“beteiligen.

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