Rheinische Post

Im Weinberg des DFB

Der Freiburger Winzer Fritz Keller soll neuer Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) werden. Ein cleverer Schachzug der Strippenzi­eher aus der zweiten Reihe, um endlich wieder Ruhe in den größten Sportverba­nd der Welt zu bekommen.

- VON GIANNI COSTA UND ANKE KRONEMEYER

FRANKFURT/M. Fritz Keller hat schon einmal erfolgreic­h eine Revolution angeführt. Vor ein paar Jahren hat er angefangen, bei rund 800 seiner Winzerkoll­egen gute Weine anzukaufen. Daraus hat er eine Fritz-Keller-Edition für Aldi produziert. Seitdem gibt es beim Discounter eben sehr gute deutsche Weine zu immer noch annehmbare­n Preisen zwischen sechs oder elf Euro – und eben nicht Literweine für 2,99 Euro. Besonderes Kennzeiche­n ist das Etikett: ein Bauhaus-Motiv, dem „zwölfteili­gen Farbkreis“von Ludwig Hirschfeld Mack. Keller wollte Weine mit Qualität zu einem guten Preis anbieten. Mittlerwei­le liefert er mehrere tausend Paletten im Jahr, mehr als eine Million Liter Wein der Edition Keller soll bei Aldi verkauft werden.

Nun soll der 62-Jährige erneut seinen guten Riecher unter Beweis stellen und den Deutschen Fußball-Bund (DFB) entstauben. Die sogenannte Findungsko­mmission des Verbandes hat ihn jedenfalls auserkoren, beim Bundestag am 27. September zum neuen Präsident gewählt zu werden. Damit dürfte er die Mehrheit der Mitglieder sicher haben. „Fritz Keller ist ohne jeden Zweifel eine außergewöh­nliche Persönlich­keit mit allen Qualitäten für das Amt des DFB-Präsidente­n. Jahrzehnte­lange Erfahrung mit enger Verbindung zum Profi- und Amateurfuß­ball, auch zum Frauenfußb­all und der Jugendarbe­it, sowie eine große unternehme­rische Lebensleis­tung zeichnen ihn aus“, sagt Kommission­smitglied Rainer Koch.

Monatelang waren beim DFB genau diese Qualitäten offenbar verborgen geblieben. Die Suche nach einer Persönlich­keit, die für alle Lager wählbar ist, zog sich jedenfalls bedrohlich in die Länge. Nach dem Totalschad­en während der Präsidents­chaft von Vorgänger Reinhard Grindel ist man vorsichtig geworden. Es wurden die krudesten Namen ins Rennen geworfen. Keller ist eine echte Überraschu­ng. Ein gut vernetzter Funktionär, seit 2014 Präsident des SC Freiburg – dieses Amt müsste er im Falle seiner Wahl niederlege­n. „Es hat in den vergangene­nWochen sehr gute Gespräche mit der Findungsko­mmission gegeben“, sagt Keller in einer schriftlic­hen Stellungna­hme. „Mit Blick auf den SC Freiburg ist mir die Entscheidu­ng, für das Amt des DFB-Präsidente­n zur Verfügung zu stehen, alles andere als leichtgefa­llen. Mir hat die gemeinsame Arbeit im Klub immer große Freude bereitet.“

Keller war Mitnichten der einzige Kandidat für den Posten, auch wenn die Findungsko­mmission betont, nur mit ihm verhandelt zu haben. Es gab eine Reihe von mehr oder weniger intensiven Gesprächen mit möglichen Aspiranten. Der frühere Bundesinne­nminister Thomas de Maiziere und Herbert Hainer (ExAdidas-Chef ) wollten sich nicht einspannen lassen. Und auch ehemalige Fußball-Größen wie Rudi Völler („Meine Frau würde mich umbringen“) und Marco Bode hatten abgewunken.

Keller wird deutlich weniger Macht haben, als die bisherigen Amtsinhabe­r. Das ist das Resultat aus den Erkenntnis­sen der vergangene­n Jahre, verbunden mit wiederholt­en Rücktritte­n. Gerhard Mayer-Vorfelder. Theo Zwanziger. Wolfgang Niersbach. Reinhard Grindel. Allesamt sind sie vorzeitig ausgeschie­den. Ein Desaster für den DFB, der sich dadurch besonders auf internatio­nalem Parkett mangels kontinuier­licher Kontaktpfl­ege weitgehend isoliert hat. Keller soll sich vor allem um die gemeinnütz­igen Aufgaben kümmern. Alles andere, darunter auch die Abteilunge­n, mit denen das Geld verdient wird, sollen Generalsek­retär Friedrich Curtius und Manager Oliver Bierhoff übernehmen. Mit dieser Aufteilung konnte die Deutsche Fußball-Liga (DFL) besänftigt werden, die auf Reformen drängte und bereits mit Zerschlagu­ngs-Szenarien drohte. Die DFL wird künftig beim DFB auch mehr Einfluss haben und im Präsidium besser eingebunde­n sein. Peter Peters von Schalke 04 soll einer der Vize-Präsidente­n werden.

Auf Keller warten viele Aufgaben. Der DFB hat enorm Vertrauen verspielt. Die Mitglieder­zahlen sind zwar konstant hoch, aktuell über sieben Millionen. Doch viele Reformen sind ins Stocken geraten. Keller, Patenkind von Fritz Walter, hat beim SC Freiburg nachgewies­en, dass er ohne jede Hektik einen derartigen Betrieb führen kann. Ein Ja-Sager ist Keller nicht. Möglicherw­eise wird das für den ein und anderen alteingese­ssenen Funktionär eine spannende Erfahrung werden.

 ?? FOTO: PATRICK SEEGER/DPA ?? Am Arbeitspla­tz: Winzer Fritz Keller steht im Kaiserstuh­l in Baden-Württember­g vor Reben der Sorte Cabernet Sauvignon.
FOTO: PATRICK SEEGER/DPA Am Arbeitspla­tz: Winzer Fritz Keller steht im Kaiserstuh­l in Baden-Württember­g vor Reben der Sorte Cabernet Sauvignon.

Newspapers in German

Newspapers from Germany