Eine Stadt in vielen Rollen
Unsere Stadt ist Schauplatz in Kinofilmen, Büchern und Musikstücken. Wir stellen die besten in unserer neuen Serie vor und ordnen sie den Stadtteilen zu, in denen sie spielen.
Ein buchstäblich großspuriger Traum vorab: Vielleicht gibt es ja irgendwann mal eine Straßenbahnlinie, die durch Düsseldorf führt und ausschließlich an solchen Orten Stationen hat, die in Büchern, Musikstücken, Kinofilmen und Bildern verewigt wurden. Gäste aus dem Ausland würden in den Wagen sitzen und staunen. Wenn die Eltern oder Schwiegereltern zum ersten Mal kommen, würde man mit ihnen darin fahren, und alle würde nur vom M-Train sprechen: „M“wegen Metropole und„Train“wegen international.
Noch ist es nicht so weit, aber dass so etwas grundsätzlich möglich wäre, versuchen wir in den nächsten Wochen zu zeigen.Wir stellen in unserer neuen Serie bedeutende Werke und kulturelle Ereignisse vor, in denen Düsseldorf eine Rolle spielt. Und wir ordnen sie den Stadtteilen zu, in denen sie spielen, von denen sie handeln, die sie ins Bild setzen. Das Ziel ist, einen anderen Stadtplan zu entwerfen. Einen, der klingt und etwas erzählt. Einen, der verlockend wie ein Geschenk ist, und der Rhein bildet das blaue Schmuckband, das es zusammenhält.
Wer nun denkt, mit NewYork könne man das ja leicht machen, mit Paris auch, aber wie soll das bitteschön mit Düsseldorf gelingen, der unterschätzt das Dorf. Zwischen Angermund und Hellerhof, von Heerdt bis Hubbelrath laufen nämlich unsichtbare Nervenbahnen, und die lassen diesen Ort vibrieren. Nehmen wir nur mal Gleis 17 am Hauptbahnhof. Es hat eine ähnlich mythische Bedeutung unter Musikfreunden wie bei Lesern das Gleis Neun-Dreiviertel aus „Harry Potter“. An Gleis 17 posierten nämlich Kraftwerk im Jahr 1977 als Menschmaschinen-Dandys, eines der berühmtesten, längst ikonischen
Fotos der Gruppe ist das, und ihr Album dazu hieß „Trans Europa Express“. Kraftwerk beschreiben im Titelstück, wie sie im TEE aus Paris heimkehren, und dann gibt es die Zeilen, deretwegen viele Touristen ihren Besuch am Hauptbahnhof beginnen, obwohl sie mit dem Flugzeug angereist sind: „Wir laufen ’rein in Düsseldorf City / Und treffen Iggy Pop und David Bowie.“
Das Stück ist ein gutes Beispiel dafür, wie eine Stadt über ihre Kulturproduktion wahrgenommen wird. In Detroit, wo der Techno erfunden wurde, kennen sie Düsseldorf vor allem als Heimat von Kraftwerk.
So gesehen kann ein Kultur-Stadtplan eine Art sein, die eigene neu kennenzulernen, indem man nämlich mit den Augen Fremder auf sie blickt. Solch ein Stadtplan wäre ein Reiseführer für den Ortskundigen, ein Navigationsinstrument für Auskenner.
Zwei Beispiele: Wussten Sie, dass Garath in die Kulturgeschichte eingegangen ist, in die Geistesgeschichte gar? Heiner Müller und Alexander Kluge trafen sich dort zum legendären „Garather Gespräch“. Siebeneinhalb Stunden dauerte es, große Themen wurden verhandelt. Die Bedeutung dieses Gesprächs ist immerhin so weitreichend, dass es auf der Homepage der Cornell-Universität (Ivy League!) als – allerdings geschnittene – Film-Datei abgerufen werden kann. Oder Benrath: Weltliteratur! Die letzte je von Thomas Mann angeschlossene Erzählung spielt dort. 1953 vollendete er sie, knapp zwei Jahre vor seinem Tod. Titel: „Die Betrogene“. Es gibt so viele Beispiele mehr, deshalb diese Serie.
Solche Kunstwerke geben den Orten, an denen sie spielen, eine Extra-Dimension hinzu. Sie machen sie zu Ereignissen. Ein Stadtplan, der all diese Dinge verzeichnet, könnte wie eine Partitur anmuten: Diese Stadt hat einen Rhythmus, einen Sound. Und wo es gut klingt, lässt es sich gut leben. Insofern ist diese Serie natürlich auch Selbstbestätigung: Schön, hier zu sein.