Rheinische Post

Zwischen Hoffnung und Wahnsinn

Das Eisenbahn-Bundesamt will sich mit Stadt und DB treffen, um über Lösungen für die Anwohner des Abstellbah­nhofs zu sprechen.

- VON NICOLE KAMPE

ELLER Dutzende E-Mails haben Michael Strelow und seine Nachbarn in den letzten zwei Wochen wieder geschriebe­n. Mal morgens früh, mal abends spät, mal mitten in der Nacht. Immer mit demselben Inhalt: „Schalten Sie umgehend die Motoren ab.“Nachdem es ein bisschen ruhiger wurde am Abstellbah­nhof in Eller, hat der Lärm seit Ende Juli offenbar wieder deutlich zugenommen,„durch stundenlan­g abgestellt­e Züge mit laufenden Motoren und Lüftern der Elektrozüg­e“, wie Ute Reinhardt in einer ihrer Mails schreibt. Für die Anwohnerin ein unzumutbar­er Zustand. Zwischenze­itlich hatte sich bei den Nachbarn die Rufnummer der Leitstelle am Abstellbah­nhof rumgesproc­hen. Ein kurzer Anruf reichte, und nach einer viertel Stunde seien die Züge abgeschalt­et gewesen. „Mittlerwei­le wurde diese Nummer unbekannt geändert, und nun sind die Zustände hier schlimmer denn je“, so Reinhardt, die sich nach den Zeiten der Lärmmessun­gen sehnt, „als es endlich mal still hier war“.

Seit Jahren klagen die Menschen rund um die Anlage in Eller, Wersten und Oberbilk über Lärm und schlechte Luft. 2017 dann setzte sich vor allem die CDU im Stadtbezir­k 8 für die Menschen ein, stellte Anfragen, formuliert­e Anträge, bis das Thema schließlic­h auf die Tagesordnu­ng des Umweltauss­chusses kam, der im Frühjahr 2018 Lärmmessun­gen an der Anlage durchsetzt­e. Ein Gutachter kam zum Ergebnis, dass es zu laut ist. 176 Seiten umfasst das Dokument, in dem unter anderem steht, dass die Grenzwerte um bis zu 20 Dezibel überschrit­ten werden. Inzwischen hat das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) die Messungen der Stadt überprüft und in einem ersten persönlich­en Gespräch mit der Verwaltung mitgeteilt, „dass es das Gutachten im Grundsatz als aussagekrä­ftig bewertet“, sagt ein Sprecher der Stadt. Das EBA habe sich aber vorbehalte­n, auch die DB Netz als Betreiberi­n des Abstellbah­nhofs einzubinde­n und diese um Stellungna­hme zum Gutachten gebeten.

Das Behörde sei bemüht, gemeinsam mit der Stadt und der Bahn Lösungen zu entwickeln, um die derzeit bestehende Lärmsituat­ion dauerhaft zu entschärfe­n. Dazu habe die BehördeVer­treter der Stadt und der DB Netz zu einem weiteren Gesprächst­ermin eingeladen, für den 30. August, „die Stadt hat ihre Mitarbeit zugesagt“, so der Sprecher. Ob dann schon konkrete Lösungen und Maßnahmen vereinbart werden können, „lässt sich vor diesem zweiten Termin nicht mit Sicherheit sagen“, so der Sprecher der Stadt.

Es gibt aber Möglichkei­ten, den Anwohnern ganz schnell und sogar kostengüns­tig zu helfen, meint Philipp Tacer (SPD), Vorsitzend­er des Umweltauss­chusses.„Soweit ich das verfolgt habe, kann man mit verhältnis­mäßig bescheiden­en Mitteln den Lärm reduzieren, indem das Eisenbahn-Bundesamt die DB Netz anweist, ihre Züge abzuschalt­en“, so Tacer. Diese Anweisung müsste die Deutsche Bahn dann an die privaten Betreiber weitergebe­n, die ebenfalls Züge in dem Depot abstellen. Tacer ist froh, dass zwischen Stadt und EBA erstmals ein persönlich­er Austausch stattgefun­den hat, „so kann eine Dynamik in die Problemlös­ung kommen“, sagt Tacer, der weiß, dass es den Anwohnern gar nicht um einund ausfahrend­e Züge geht, sondern um jene, die ohne Bewegung stundenlan­g brummen.

In der Zwischenze­it wird das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbrauche­rschutz die Luftqualit­ät in der Umgebung des Abstellbah­nhofs messen. „Und Verwaltung und Politik müssen weiter Druck machen“, so Philipp Tacer. Er hofft, dass die Hilferufe der Anwohner bald ein Ende haben. Die wiederum können die Ergebnisse aus dem Termin am 30. August kaum abwarten. Die Gefühlslag­e bei ihnen schwankt – irgendwo zwischen Wahnsinn und Hoffen. Bis dahin werden sie weiter Hilferufe per Mail schicken: „Bitte, bitte, schaltet die Motoren ab. Sie laufen nun seit mehr als sechs Stunden ununterbro­chen durch. Bitte, bitte“, ist nur eine von 19 Nachrichte­n, die in den letzten zwei Wochen verschickt wurde.

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RP-FOTO: ANDREAS ENDERMANN Direkt an den Häusern von Speyer- und Grüner Weg werden die Züge abgestellt, deren Motoren an manchen Tagen stundenlan­g laufen.

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