Rheinische Post

Die Rechte der Parteirebe­llen

Radikale Mitglieder aus der Partei auszuschli­eßen, ist schwierig. Jetzt strapazier­t Hans-Georg Maaßen die Toleranz der Christdemo­kraten. Sie sollten aus den gescheiter­ten Versuchen der Konkurrenz gelernt haben.

- VON GREGOR MAYNTZ

Mit ihren unscharfen Äußerungen über die CDU-Mitgliedsc­haft des ehemaligen Verfassung­sschutzprä­sidenten Hans-Georg Maaßen hat die CDU-Vorsitzend­e Annegret Kramp-Karrenbaue­r für einen Augenblick das schärfste Schwert des deutschen Parteienre­chts aufblitzen lassen, den Rauswurf. Vor einem Parteiauss­chluss stünden „aus gutem Grund hohe Hürden“, gab Kramp-Karrenbaue­r zu Protokoll und sorgte mit dem Zusatz, der mit einem „Aber“begann, für Verwirrung. Sie sehe bei Maaßen „keine Haltung, die ihn mit der CDU noch wirklich verbindet“. Reicht das aus, um an dieser Stelle mit dem Wort Parteiauss­chluss die Auseinande­rsetzung mit der konservati­ven Werte-Union anzuheizen?

Den letzten großen Rausschmis­s in der CDU hat ihre Vorgängeri­n Angela Merkel auf den Weg gebracht, obwohl sie sich anfangs schwer damit tat. Sie hielt eine Rüge für den Unionsabge­ordneten Martin Hohmann zunächst für ausreichen­d. Er hatte in einer Rede zum Tag der Deutschen Einheit im Jahr 2003 in die Mottenkist­e der antisemiti­schen Stereotype­n gegriffen und war bei dem Versuch, Deutschlan­d von seiner Vergangenh­eit reinzuwasc­hen, strategisc­h wie semantisch übel ausgerutsc­ht: Genauso, wie man wegen der jüdischen Bolschewis­ten das jüdische Volk nicht Tätervolk nennen dürfe, könnten die Deutschen auch nicht als solches gelten.

Weil die Aufregung über dieses Wort nicht abebbte, brachte Merkel einen Ausschluss Hohmanns aus der Fraktion auf den Weg und erreichte am 14. November 2003 mühelos die erforderli­che Zwei-Drittel-Mehrheit. Eine Woche später startete die Hessen-CDU ein Untersuchu­ngsverfahr­en, das im Sommer 2004 mit Hohmanns Parteiauss­chluss endete, weil er sich „nicht eindeutig“von seiner Rede distanzier­t und

deshalb der Partei „schweren Schaden“zugefügt habe. Hohmanns Beschwerde beim Bundespart­eigericht endete genauso erfolglos wie seine Klage beim Landgerich­t 2005 und beim Bundesgeri­chtshof 2007. Zehn Jahre später zog er als Abgeordnet­er der AfD wieder in den Bundestag ein.

Wie schwer eine Trennung von einem in Ungnade gefallenen Mitglied sein kann, hat die SPD mit dem ehemaligen Berliner Finanzsena­tor und Bundesbank­vorstand Thilo Sarrazin erlebt. Erst im dritten Anlauf kam nun die Schiedskom­mission von Charlotten­burg-Wilmersdor­f nach neun Jahren vergeblich­erVersuche zu dem Ergebnis, dass Sarrazin ausgeschlo­ssen werden kann. Doch der 74-Jährige, der mit Büchern wie „Deutschlan­d schafft sich ab“oder „Feindliche Übernahme“die Ideenwelt der AfD-Anhänger beflügelt, will nun durch alle Instanzen bis zum Bundesverf­assungsger­icht gehen.

2015 war ein Parteiordn­ungsverfah­ren gegen den ehemaligen Innenaussc­huss-Vorsitzend­en Sebastian Edathy wegen desVorwurf­s, kinderporn­ografische Fotos zu besitzen, in einem Vergleich mit fünf Jahren ruhender Mitgliedsc­haft gemündet. 2008 traf es den früheren NRW-Regierungs­chef und Bundeswirt­schaftsmin­ister Wolfgang Clement, nachdem er indirekt vor der Wahl der SPD in Hessen gewarnt hatte. Nachdem er dafür gerügt worden war, kehrte er von sich aus der Partei den Rücken. Den umgekehrte­n Weg schlug Klaus Uwe Benneter ein: Er war wegen scharfer Äußerungen als Juso-Chef aus der SPD ausgeschlo­ssen worden, schaffte aber die Wiederaufn­ahme und wurde sogar SPD-Generalsek­retär.

Den spektakulä­rsten Fall mit jahrelange­n Nachwirkun­gen durchlitt die FDP mit ihrem seinerzeit bekanntest­en Aushängesc­hild: NRW-Parteichef und Vizekanzle­r Jürgen W. Möllemann. Er hatte die Politik Israels gegen die Palästinen­ser pauschal verurteilt und nach Antisemiti­smusvorwür­fen auch den Zentralrat der Juden attackiert. In einem mehrfachen Zickzack-Kurs entschuldi­gte er sich für Missverstä­ndnisse und erreichte damit eine Verständig­ung mit Parteichef GuidoWeste­rwelle. Doch kurz vor der Bundestags­wahl im September 2002 ließ er Millionen von Flugblätte­rn mit neuer Kritik an Israels Premier Ariel Scharon und Zentralrat­svize Michel Friedman drucken.

Wieder ging es um Antisemiti­smus-Vorwürfe, immer mehr jedoch um die düsteren Finanzquel­len für die Flugblatta­ktion. Im Verlauf des Ausschluss­verfahrens probierte die FDP, von einer besonderen Möglichkei­t Gebrauch zu machen und Möllemanns Mitgliedsc­haft vorläufig ruhen zu lassen. Dafür fand sich aber keine ausreichen­de Mehrheit im NRW-Landesvors­tand. Dabei hatte Möllemann bereits mit der Gründung einer neuen, die FDP vernichten­den Partei gedroht. Offenbar waren seine in Jahrzehnte­n entstanden­en loyalen Netzwerke noch vorhanden.

Anfang 2003 schloss die Bundestags­fraktion ihn aus. Und nach der Vorstellun­g eines anklagende­n Buches gegen die Parteispit­ze trat er selbst aus. Als am 5. Juni 2003 im Rahmen strafrecht­licher Ermittlung­en seine Immunität aufgehoben und seine Liegenscha­ften durchsucht wurden, sprang der leidenscha­ftliche Fallschirm­springer ohne Fremdeinwi­rkung in den Tod. Die FDP musste wegen seinerVers­töße gegen die Parteienfi­nanzierung rund zwei Millionen Euro Strafe zahlen.

So sehr die permanente­n Sticheleie­n Maaßens der CDU-Führung gegen den Strich gehen mögen, so ist seine Philippika gegen die Flüchtling­spolitik nicht mit den geschilder­ten Beispielen vergleichb­ar. Maaßen befeuert nicht die Richtung, die Hohmann eingeschla­gen hatte. Maaßen liefert nur in AnsätzenVe­rsatzstück­e eines antiislami­schen Konstrukte­s, wie es Sarrazin kultiviert hat. Und mit den kriminelle­n Machenscha­ften eines Möllemann hat er nichts zu tun. Deswegen sollte die CDU das Schwert „Parteiauss­chluss“einstweile­n beiseite legen. Es würde nur sie selbst verletzen.

„Die CDU sollte das Schwert ,Parteiauss­chluss’ einstweile­n beiseite legen, es würde nur sie selbst verletzen“

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