Rheinische Post

Ruhrgebiet lässt SPD im Stich

Geht es den Arbeitern im Pott nach Jahren des Aufschwung­s einfach zu gut?

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Wenn das Ruhrgebiet je die Herzkammer der Sozialdemo­kratie war, dann hat diese Herzkammer jetzt einen Infarkt. In der jüngsten Forsa-Umfrage vom Wochenende sank die Stimmung für die SPD im Ruhrgebiet noch schneller als im Bundesschn­itt. Bei einer Landtagswa­hl käme die SPD im Revier nur noch auf 22 Prozent und läge hinter der CDU (24) und den Grünen (25). Die SPD habe „offenkundi­g völlig den Draht zur arbeitende­n Klasse verloren“, schlussfol­gert Forsa-Chef Manfred Güllner mit Blick auf die einstige Hochburg der Kohlekumpe­l, Stahlund Autobauer. So kann man die jüngsten Zahlen interpreti­eren. Viel

leicht ist es aber auch umgekehrt. Vielleicht hat die arbeitende Klasse den Bezug zur SPD verloren. Nach etlichen Jahren wirtschaft­lichen Wachstums ist der persönlich­e Wohlstand der durchschni­ttlichen Arbeitnehm­er deutlich gewachsen. Die Arbeitnehm­errechte wurden in kleinen Schritten, aber kontinuier­lich ausgeweite­t. Gleichzeit­ig liegt die Arbeitslos­igkeit auf einem fast schon historisch niedrigen Niveau. Kann man den Arbeitern verdenken, dass sie den politische­n Kampf für ihre Sache in solchen Zeiten etwas gelassener sehen? Zumal die anderen Parteien sich ja auch nicht gerade arbeitnehm­erfeindlic­h generieren. Wenn diese These stimmt, darf die SPD hoffen. Denn in Deutschlan­d wie in der Welt verdunkeln sich die konjunktur­ellen Vorzeichen. Wenn die Wirtschaft einbricht und die Ressourcen wieder knapper werden, treten die Verteilung­sfragen und der Bedarf an sozialer Absicherun­g wieder in den Vordergrun­d. Gerade dem Ruhrgebiet steht ohnehin ein massenhaft­er Stellenabb­au in den Branchen Stahl, Energie und Chemie ins Haus. Gut möglich, dass die Arbeiter sich in ernsteren Zeiten doch wieder ihrer sozialdemo­kratischen Herzen erinnern.

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