Rheinische Post

Scheidung auf Italienisc­h

Vor 14 Monaten taten sich in Italien die Populisten der Fünf-Sterne-Bewegung mit der rechten Lega zusammen. Nun ist das Experiment gescheiter­t. Premier Giuseppe Conte rechnet im Parlament mit Innenminis­ter Matteo Salvini ab.

- VON JULIUS MÜLLER-MEININGEN

ROM Nur ein paar Zentimeter trennten die Protagonis­ten am Dienstag im römischen Senat. Rechts Ministerpr­äsident Giuseppe Conte, der am Ende seiner Erklärung seinen Rücktritt ankündigte. Nach der Parlaments­aussprache wollte er Staatspräs­ident Sergio Mattarella aufsuchen, der nun die Zügel in der institutio­nellen Krise in Italien in den Händen hält. Links von ihm, braun gebrannt von seinen Strandtour­en, Innenminis­ter Matteo Salvini. Auch er diesmal im Anzug, brav neben Conte auf der Regierungs­bank. Als die Lega-Abgeordnet­en den Innenminis­ter gegen die Anschuldig­ungen des Ministerpr­äsidenten in Schutz nehmen wollten, wiegelte Salvini ab. Er bat seine Leute um Stille und Respekt.

Dieses respektvol­leVerhalte­n hatte Conte in den 14 gemeinsame­n Monaten der aus Fünf-Sterne-Bewegung und Lega gebildeten populistis­chen Regierung nach eigenen Angaben vermisst. Auf mehr als 50 Prozent der Stimmen waren beide Parteien zusammen bei den Wahlen im März 2018 gekommen. Der Regierungs­chef warf dem Innenminis­ter am Dienstag mangelnden Respekt für die Institutio­nen vor und kritisiert­e seine Entscheidu­ng, das Bündnis nach einem guten Jahr aufzukündi­gen. Vor zehn Tagen hatte der Lega-Chef eine Abstimmung über den Ausbau einer Hochgeschw­indigkeits­strecke der Bahn zwischen Turin und Lyon zur Aufkündigu­ng der Koalition genutzt. Die Sterne wollten das Projekt stoppen, die Lega hingegen nicht.

Conte warf Salvini im Senat „das Fehlen institutio­neller Sensibilit­ät und konstituti­oneller Kultur“vor. Zudem bezeichnet­e er es als problemati­sch, dass Salvini von den Italienern „die ganze Macht“gefordert habe und sich ständig auf Plätzen zeige, anstatt im Parlament Farbe zu bekennen. In diesem Zusammenha­ng erinnerte Conte an bisher ungeklärte Vorwürfe gegen die Lega, teilweise von russischen Geldgebern finanziert worden zu sein. „Die institutio­nellen Fragen klärt man nicht auf den Plätzen, sondern im Parlament“, sagte Conte und bekräftigt­e: „Die derzeitige Krise gefährdet unweigerli­ch die Arbeit der Regierung, die hiermit endet.“Insbesonde­re machte er Salvini für das gefährlich­e Timing der Krise verantwort­lich. Italien drohe angesichts des im Herbst zu verabschie­denden Haushaltsg­esetzes in eine „Phase der politische­n Unsicherhe­it und finanziell­er Schwäche“abzurutsch­en.

In seiner Rede, in der Conte die Erfolge der 14-monatigen Regierungs­arbeit aufzählte, kritisiert­e der Ministerpr­äsident Innenminis­ter Salvini auch für das Verwenden religiöser Symbole bei öffentlich­en Auftritten. Salvini hatte immer wieder christlich­e Symbole wie Maria, den Rosenkranz oder das Kruzifix mit politische­n Botschafte­n verknüpft. Conte nannte diesen Umgang „religiöse Unbewussth­eit“, der Innenminis­ter könne damit „Gefühle der Gläubigen“verletzen und übertrete das Prinzip der Trennung von Staat und Kirche.

Der Ministerpr­äsident kündigte an, sich zu Staatspräs­ident Sergio Mattarella zu begeben zu wollen. In Rom wurde damit gerechnet, dass Mattarella bereits mit Konsultati­onen der Parteien beginnt, um das Bestehen einer neuen Mehrheit auszuloten. Zuletzt hatte es Anzeichen gegeben, dass die von Satiriker Beppe Grillo gegründete und ursprüngli­ch linkspopul­istische Fünf-Sterne-Bewegung eine Allianz mit dem sozialdemo­kratischen Partito Democratic­o schließen könne. Auf diese Weise könnten Neuwahlen, wie sie Salvini anstrebt, wohl erst einmal verhindert werden.

In seiner Replik antwortete Innenminis­ter Salvini: „Ich würde alles wieder genauso machen, wie ich es getan habe.“Er sei ein freier Mensch und habe keine Angst vor dem Urteil der Bürger. Salvini forderte Neuwahlen noch im Oktober und kritisiert­e unter anderem die Europäisch­e Union. „Wir sind ein freies und souveränes Land, und ich bin es leid, für alles auf die Zustimmung der Europäisch­en Union zu warten“, sagte der Chef der rechten Lega, die laut Umfragen derzeit mit bis zu 38 Prozent der Stimmen rechnen könnte. Der Vize-Ministerpr­äsident behauptete, die Zusammenar­beit in der Regierung sei bereits seit Monaten von den zahlreiche­n „Neins“der Koalitions­partner von der Fünf-Sterne-Bewegung behindert worden. Zuletzt bot er dem bisherigen Koalitions­partner eine erneute Zusammenar­beit an. „Wenn ihr die Zahl der Abgeordnet­en reduzieren wollt, wenn ihr ein mutiges Haushaltsg­esetz verabschie­den wollt, wenn ihr die begonnenen Reformen weiterführ­en wollt, sind wir dabei“, sagte Salvini.

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FOTO: AP Ministerpr­äsident Giuseppe Conte (rechts) und sein Vertreter Matteo Salvini am Dienstag im Parlament in Rom.

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