Bayer kassiert 7,6 Milliarden Euro
Die Leverkusener geben die mehr als 100 Jahre alte Tiergesundheits-Sparte ab, um die Schulden abzubauen. Der Bayer-Betriebsrat begrüßt, dass die Stellen bis 2025 sicher sind, fordert aber weitere Klarstellungen.
MONHEIM/LEVERKUSEN Klein, aber fein. So beschrieben viele Jahre lang Insider des Bayer-Konzerns das traditionsreiche Geschäft mit der Tiermedizin. Jetzt verabschieden sich die Leverkusener von einem ihrer stabilsten Bereiche: Bayer verkauft das aus Monheim geführte Geschäft Tiergesundheit für 7,6 Milliarden Dollar (umgerechnet 6,85 Milliarden Euro) an den US-Wettbewerber Elanco. Damit wechseln rund 4200 der bisher 120.000 Bayer-Mitarbeiter ihren Arbeitgeber.
Elanco hat zugesichert, bei Animal Health den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen bis 2025 zu übernehmen. Die Mitarbeiter würden zu den gleichen Konditionen bei den Amerikanern beschäftigt. „Das ist ein Pfund, das wir loben“, sagt Oliver Zühlke, Gesamtbetriebsratschef von Bayer unserer Redaktion. „Diese Zusagen sind alles andere als eine Selbstverständlichkeit.“Allerdings fordern die Betriebsräte von Bayer auch, dass Elanco einen langfristigen Plan für die Zukunft vorlegt, damit die Beschäftigten wissen, wohin die Reise geht. Zühlke: „Es tut weh, so viele langjährige Kolleginnen und Kollegen zu verlieren. Die guten Bedingungen für den Neustart sind nun hart errungen, aber wichtig, richtig und verdient.“
Der Verkauf der Tiermedizin ist die mit Abstand größte Transaktion beim Umbau von Bayer, denVorstandschef Werner Baumann Ende 2018 angekündigt hatte, um die Schuldenlast nach dem 60 Milliarden Euro teuren Kauf von Monsanto wieder zu senken. Ende Juni lagen die Verbindlichkeiten bei 39 Milliarden Euro, Ende des Jahres sollen sie bei nur noch 35 Milliarden Euro liegen. Das dürfte gelingen.
Denn erst vor wenigen Wochen hatte Baumann den Verkauf der Anteile am Chemieparkbetreiber Currenta, an dem Bayer 60 Prozent hält, an eine australische Bank bekannt gegeben. Für 585 Millionen Dollar geht die Fußpflegemarke Dr. Scholl’s an einen US-Finanzinvestor, die Sonnenschutzmarke Coppertone wechselt für 550 Millionen Dollar zu Beiersdorf aus Hamburg.
„Es ist gut, dass Bayer sich mit diesen Verkäufen etwas Entlastung verschafft“, sagt Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Er fordert aber auch, dass der Vorstand die Klagewelle wegen vermuteter Krebserkrankungen durch das Pflanzenschutzmittel Glyphosat beilegt. „Wenn nun das sehr profitable und stabile Geschäft mit der Tiermedizin den Konzern verlässt, steigt die Erwartung, auch eine Lösung für die Glyphosat-Krise zu finden. Gerade weil es immer mehr Klagen gibt, sollte nun auch bald diese Front begradigt werden.“
Die Bayer-Aktie zog wegen des Verkaufs am Dienstag leicht an, während der Dax etwas abrutschte. Dabei hat sich das Papier mit aktuell etwas mehr als 66 Euro seit dem extremen Tiefpunkt im Mai bereits wieder leicht erholt. Damals lag der Kurs bei nur noch 52 Euro, knapp 70 Euro weniger als noch im Sommer 2017 vor dem Monsanto-Kauf und der Klagewelle wegen Glyphosat.
Bayer hat für die Tiermedizin einen relativ guten Preis erzielt: Der Vorstand erhielt das 18,8-fache des bereinigten operativen Ergebnisses des Bereichs. Offensichtlich ist es dem Vorstand gelungen, einen Aufschlag dafür auszuhandeln, dass Elanco durch die Akquistion seine Marktposition deutlich verbessert: Bisher waren die Amerikaner mit 5700 Mitarbeitern nur die Nummer Vier im weltweiten Geschäft mit Tiergesundheit hinter Zoetis, Boehringer Ingelheim und Merck und vor der Bayer-Sparte als bisheriger Nummer Fünf. Künftig ist Elanco mit rund 10.000 Beschäftigten dagegen hinter Zoetis zweitgrößter Anbieter. Das ist gut um das globale Vertriebsnetz auszulasten.
Elanco-Chef Jeffrey Simmons geht davon aus, dass sich sein Unternehmen und die zugekauften Aktivitäten gut ergänzen: Elanco sei besonders stark durch gute Beziehungen zu Tierärzten, Bayer habe mit seinen Angeboten für die Tiergesundheit eine gute Präsenz im Handel und im Internet. Die Produkte von Bayer wie die Floh-, Wurm- und Zeckenschutzmittel der Produktfamilie Advantage sind beliebt bei Tierfreunden, ebenso das Zeckenschutzband Seresto.