Mit „Dantons Tod“erstmals auf großer Bühne
Anna-Sophie Friedmann ist neu am Düsseldorfer Schauspielhaus und freut sich auf ihre erste Rolle vor vielen Zuschauern.
Ein ganz neuer Anfang in einer bislang fremden Stadt. Noch keinerlei Kontakte, außer den gerade erst geknüpften im Schauspielhaus. Das ist genau das Leben, das Anna-Sophie Friedmann jetzt spannend findet. Nach ihrem Abschluss an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch nahm sie an mehreren zentralen Vorsprechterminen teil. Ein übliches Verfahren, bei dem Theaterschaffende neue Mitglieder für ihr Ensemble gewinnen. „In einige Häuser wurde ich eingeladen, darunter nach Düsseldorf. Das ist es dann geworden“, sagt die Wienerin. „Alles sollte komplett frisch sein. Ich bin Anfängerin, da ist es sicher gut, diesen Beruf an einem etablierten Theater auszuüben.
Allein schon, um zu verstehen, wie bestimmte Abläufe funktionieren.“
Die junge Schauspielerin ist gespannt auf ihre ersten Erfahrungen, die sie bei der Premiere von „Dantons Tod“machen wird, und das gleich im Großen Haus. „Nie zuvor habe ich vor mehr Menschen gespielt, als meine Rollen an der Uni es zugelassen haben“, sagt sie. „Das wird bestimmt aufregend sein, davor habe ich Respekt.“Einstudiert hatte sie damals die Klara in Hebbels „Maria Magdalena“, die Lady Macbeth von Shakespeare - und auch schon Theater gespielt. im Ballhaus-Ost als Lady Milford in Schillers „Kabale und Liebe“.
Es gefällt Anna-Sophie Friedmann, dass die Düsseldorfer Saison mit dem Revolutions-Drama von Georg Büchner beginnt. Sie weiß um die umstrittene Eröffnung des Schauspielhauses bei„Dantons Tod“vor 50 Jahren und um die begleitenden Proteste aus der Studentenschaft. „Da ging es krass zu, und das kann ich auch verstehen“, sagt sie.„Theater muss für alle Menschen gespielt werden und für alle Schichten zugänglich sein.Wenn es nur einer Elite vorbehalten bleibt, hat es seinen Sinn verfehlt.“Theater habe viel mit gesellschaftlicher Verantwortung zu tun.
Hier nimmt Friedmann die Bühnen in die Pflicht und freut sich über Formate wie die „Bürgerbühne“oder die „to go“-Projekte in Düsseldorf, die ihrem Anspruch entgegen kommen. „Auch innerstrukturelle Hierarchien am Theater könnte man künftig noch besser überdenken“, regt Anna-Sophie Friedmann an. „Wir Schauspieler stehen allabendlich vor einem Publikum, bei dem unterschiedliche Empfindungen und Reaktionen ausgelöst werden. Jeder wird von einem Stück anders berührt, jeder nimmt etwas mit nach Hause. Das sollte uns bewusst sein.“Sie habe große Lust, Zusammenhänge zu verstehen und sich wenn nötig einzumischen. „Wo immer ich kann, will ich meinen Beruf in seiner Tiefe erfahren und genau wissen, wovon ich spreche.“
Anna-Sophie Friedmann, Jahrgang 1992, wuchs in einem behüteten Elternhaus in Wien auf. Die Mutter Rechtsanwältin, derVater ein Kreativer mit vielen künstlerischen Neigungen. „Er singt, spielt Klavier und Gitarre und hat mit seinen 73 Jahren gerade ein Stück geschrieben“, erzählt Anna-Sophie Friedmann voller Stolz. „Bei jedem Fest schwingt er Reden. Ich muss wohl einiges von ihm geerbt haben.“
Dann kommt sie auf die jüdischen Wurzeln der Familie ihrer Mutter zu sprechen. Ihr Großvater Erich Friedmann ließ sich in der Nazizeit von entfernten Verwandten adoptieren, um mit einem nicht-jüdischen Namen zu überleben und wurde eingezogen. Später wurde seine jüdische Identität bekannt, er kam aber wegen seiner militärischen Verdienste davon.“Ihr Urgroßvater gehörte zu den untergetauchten Juden in Wien, die nicht entdeckt wurden. „Unsere Familiengeschichte hat mich sehr geprägt“, sagt Anna-Sophie Friedmann. „Je politischer ich in den letzten Jahren wurde, umso mehr Bedeutung bekam diese Ver
gangenheit.“Das ging so weit, dass sie ihren Geburtsnamen beruflich ablegte und den Künstlernamen Friedmann annahm. „Ich habe ihn mir zurückgeholt. Ich mag den Klang, und ein Künstlername kann helfen – in einem Beruf, in dem man sich so vollkommen herschenkt“Bei ihr spürt man sofort, dass er für sie noch mehr ist – nämlich eine Berufung.
„Mir war immer klar, dass ich spielen will“, bestätigt sie. „Trotzdem stolperte ich in meinem Leben viel herum. Alle vier Jahre musste es etwas anderes sein. Ich scheine einen unruhigen Geist zu haben.“Mit 16 schmiss Friedmann die Schule, zog für ein Jahr nach Südfrankreich, kehrte zurück und beendete sie. Bei einem ihrer Umwege landete sie in der Gastronomie. Sie schloss die Ausbildung ab und erwarb sogar, ganz wienerisch, eine Schanklizenz. „Meine Eltern hat das damals beruhigt. Man weiß ja nie, wie weit man kommt in der Schauspielerei.“Die wurde es zum guten Ende schließlich doch und macht Anna-Sophie Friedmann seitdem glücklich. Das drückt sie gefühlvoll aus: „Diesen Genuss zu haben, auf der Bühne zu stehen und etwas befördern zu dürfen, woran ich glaube, ist ein Riesengeschenk.“
„Theater muss für alle Menschen gespielt werden und für alle Schichten zugänglich sein“Anna-Sophie Friedmann Schauspielerin