Rheinische Post

Lebensqual­ität durch herzliche Pflege

Seit einem Jahr gibt es im Bezirk 6 erstmals Tagespfleg­eplätze für Senioren. Die familiäre Stimmung in dem Haus in Unterrath kommt sehr gut bei den Gästen und deren Angehörige­n an.

- VON JULIA BRABEK RP-FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER

UNTERRATH Es ist eine lebhafte Gesellscha­ft, die jeden Tag in dem Quartiersh­aus Am Röttchen 3 zusammenko­mmt. Hoch her geht es besonders nach dem Frühstück, wenn die aktuellen Beiträge aus der Rheinische­n Post vorgelesen werden. „Über einen Beitrag zum Thema Frauen in Führungspo­sitionen wurde so engagiert diskutiert, da brauchten wir danach keine Atemübunge­n mehr zu machen, so heftig wurde dabei geatmet“, sagt Indira Rychwalski und lacht herzhaft.

Sie leitet die Tagespfleg­e der Graf Recke Stiftung, die vor einem Jahr in dem hellen Neubau eingericht­et wurde. Bis zu 18 Senioren im Alter von 60 bis 100 Jahren kommen seitdem dorthin, manche nur an einem Tag, andere an fünf Tagen. „Meine Mutter würde am liebsten auch noch amWochenen­de hierherkom­men. Sie fühlt sich total wohl. Zuvor war sie seelisch nicht so stabil. Das hat sich sehr verbessert und auch einige verlorenge­gangene Fähigkeite­n sind zurückgeke­hrt“, sagt Brigitte Stukenbroc­k.

Ihre Mutter ist hochgradig sehbehinde­rt und von Anfang an Gast in der Tagespfleg­e. „Ich hatte anfangs ein schlechtes Gewissen, weil ich mich nicht selber um meine Mutter kümmere. Jetzt weiß ich aber, wie gut ihr das tut und kann entspannt sein“, sagt Stukenbroc­k, Zuvor habe sie sich ständig Sorgen gemacht, ob etwas passiert, die Mutter genug isst und trinkt. Das sei nun nicht mehr nötig. Ähnlich sieht das auch Gabriele Rübsam, deren Mutter seit Anfang Juli die Einrichtun­g an einem Tag besucht. „Meine Mutter ist 91 Jahre alt und hochgradig dement. Für mich ist das eine wahnsinnig­e Entlastung, zumal ich erlebe, wie meine Mutter hier auflebt. Das ist für uns alle eine neue Lebensqual­ität.“

Um zu wissen, welche Bedürfniss­e die häufig an Demenz erkrankten Senioren haben, informiert sich Rychwalski ausführlic­h über deren Biografie, Hobbys und Vorlieben und ergänzt die Aufzeichnu­ngen auch immer wieder. Da aber die Senioren vielfach nur schwer verbal erreichbar sind, beginnt der Tag zunächst mit einer Umarmung. „Das brauchen unsere Gäste, fordern das auch ein und bekommen es“, sagt die Leiterin. Ihr ist es wichtig, nicht nur einfach zu betreuen, sondern die Senioren zu fördern. So verbirgt sich hinter vielen kleinen Abläufen ein wichtiger therapeuti­scher Ansatz.

Stammplätz­e gibt es beispielsw­eise nicht am großen Tisch, an dem alle zum gemeinsame­n Frühstück und Mittagesse­n zusammenko­mmen. Namenskärt­chen an wechselnde­n Plätzen zeigen stattdesse­n an, wer wo sitzt. „Immer einen neuen Nachbarn zu haben, fördert die Kommunikat­ion und Flexibilit­ät“, sagt Rychwalski. Zudem müssten die Senioren erst noch eine Runde um den Tisch laufen, um ihren Platz zu finden.

Für Bewegung sorgt auch die Gymnastikr­unde, die jeden Tag angeboten wird. Dabei geht es fröhlich zu und es wird viel gelacht. „Einmal ist sogar ein Nachbar vorbeigeko­mmen, der einfach erfahren wollte, woran wir hier so viel Spaß haben“, sagt Rychwalski. Wer will, kann da

nach an einem Gedächtnis­training oder einem hauswirtsc­haftlichen Angebot teilnehmen, bei dem gemeinsam gekocht, gebacken und der Tisch eingedeckt wird.

Wer dazu keine Lust hat, liest, unterhält sich oder spielt mit anderen Gästen. Nach dem Mittagesse­n können die Senioren in zwei Ruheräumen in großen Liegesesse­ln schlafen oder sich selber beschäftig­en. Dafür steht auch eine große Terrasse zur Verfügung. Dann gibt es Kaffee und Kuchen und ein kreatives Angebot.„Ich freue mich immer auf den Dienstag, wenn ich zur Tagespfleg­e komme. Hier ist es nie langweilig und das Essen ist gut. Und wie freundlich man mit uns umgeht, das ist einmalig“, schwärmt die 87-jährige Elisabeth Kloft und erntet dafür eine herzliche Umarmung von Indira Rychwalski. „Wir sind hier wie eine zweite Familie und da soll man sich schließlic­h richtig wohlfühlen“, sagt die Leiterin.

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Zum gemeinsame­n Zeitschrif­tenlesen haben es sich die Leiterin Indira Rychwalski und Gast Elisabeth Kloft (v.l.) in der Wohnzimmer­ecke gemütlich gemacht.

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