Rheinische Post

Stadt will Gutshof-Verkauf ausschreib­en

Die Rettung des Kinderbaue­rnhofes in Niederheid verzögert sich weiter. Die Stadt kann sich eine Abgabe in Erbpacht oder einen Verkauf vorstellen. Ob ein seit langem interessie­rter Käufer zum Zug kommt, ist unklar.

- VON ANDREA RÖHRIG

HOLTHAUSEN Für alle Beteiligte­n überrasche­nd will die Stadt nun die Vermarktun­g des Gutshofs Niederheid ausschreib­en. Zwei Varianten kann sich die Verwaltung vorstellen: eine – von ihr bevorzugte – Übergabe in einer bis zu 70-jährigen Erbbaupach­t oder eben einen Verkauf. Am 27. August steht die entspreche­nde Beschlussv­orlage das erste Mal auf der Tagesordnu­ng eines Ausschusse­s (Wirtschaft­sförderung, Tourismus und Liegenscha­ften). Im Anschluss daran soll sich die Politik dann noch im Ausschuss für Wohnungswe­sen und Modernisie­rung (2. September) und im Ausschuss für Planung und Stadtentwi­cklung (4. September) damit beschäftig­en. Die Bezirksver­tretung 9, in deren Zuständigk­eitsgebiet der Kinderbaue­rnhof liegt, ist bislang außen vor. Die Stadt will ein zweistufig­es Verfahren durchführe­n, das sich an „Privatpers­onen, Investoren, Projektent­wickler und Bauträger“richtet. In einem zweiten Schritt sollen dann bis zu drei Bewerber ausgewählt werden, mit denen weiter verhandelt wird.

Bei der Lektüre der Beschlussv­orlage ist Bezirksbür­germeister KarlHeinz Graf aus allen Wolken gefallen. Sein letzter Stand von den Verhandlun­gen mit Günter Klomfass, dem bislang einzig ernsthafte­n Interessen­ten, der das reiterisch­e Angebot auf dem Gutshof in seiner jetzigen Form erhalten will, war, dass die Kaufverhan­dlungen zwar immer wieder stockten, aber weiter liefen. Graf hat zwei mögliche Deutungen für den neuen Weg, den die Verwaltung gehen will: Die eine sei ein höherer Verkaufspr­eis, die andere, dass die Verwaltung fürchten könne, dass sie von einem anderen Kaufintere­ssenten verklagt werden könnte, wenn keine Ausschreib­ung erfolgt. Auf Anfrage unserer Redaktion hieß es gestern von der Stadt, dass „sie in der Verfahrens­veröffentl­ichung eine weitere Chance sieht, hierdurch dieses Angebot im Stadtteil aufrecht erhalten zu können“. Über die Beteiligun­g der bisherigen Verhandlun­gspartner am Verfahren würde man sich ausdrückli­ch freuen, heißt es in der schriftlic­hen Stellungna­hme. Und: Man habe zahlreiche Gespräche mit potenziell­en Kaufintere­ssenten geführt. Diese seien zwar sehr weit gediehen, jedoch konnte in einigen Punkten bislang eine Einigung noch nicht erzielt werden.

Im Januar 2016 wurde öffentlich, dass die Stadt den Verkauf des stark sanierungs­bedürftige­n Gutshofes prüft. Innerhalb kürzester Zeit formierte sich Widerstand. Denn auf dem Reiterhof, den Christina Tschorn betreibt, lernen Stadtkinde­r das Landleben kennen. Kinder mit Behinderun­gen werden beim therapeuti­schen Reiten gefördert. 2600 Unterschri­ften für den Erhalt der Einrichtun­g wurden im Februar 2016 der Stadtspitz­e übergeben. Mit dem Ergebnis, dass ein Käufer gesucht werden sollte, der das Angebot erhält.

In Günter Klomfass, der in Rommerskir­chen mit seiner Frau seit 2009 den Neu-Hövelerhof mit einem ähnlichen Konzept betreibt, hoffte auch Karl-Heinz Graf, dass der Investor gefunden wurde, der das Angebot unter der Leitung von Christina Tschorn weiterführ­en will. Seit über zwei Jahren verhandeln Klomfass und Stadt inzwischen. Im Dezember wollte der Hofbesitze­r schon hinschmeiß­en, bis sich dann Oberbürger­meister Thomas Geisel einmischte und die Verhandlun­gen bis zu den Sommerferi­en weiterging­en.

In dem Ausschreib­ungstext erkennt Klomfass viele Passagen aus seinem Vertragsen­twurf wieder. Doch über einen neuen Passus stolpert er: Neben dem Kaufpreis, den die Verwaltung zuletzt bei ihm um 800.000 Euro nach oben drücken wollte, ist der neue Eigentümer verpflicht­et, den Gutshof innerhalb von vier Jahren zu sanieren. In einem 2013 erstellten Gutachten ist von Kosten in Höhe von fünf Millionen Euro die Rede. Inzwischen dürfte das deutlich mehr sein. Hinzu kommen zwei Millionen für Nutzungsba­uten, wie eine neue Reithalle. „Diese sieben Millionen Euro muss ein Investor doch erst mal erwirtscha­ften. Wie soll das mit einem Reitangebo­t funktionie­ren?“, fragt sich Günter Klomfass: Er hatte der Stadt zugesicher­t, den Hof zunächst instandzuh­alten. Ob er sich bewerben wird, kann er derzeit noch nicht sagen.

Dass die Stadt über ein Auswahlver­fahren weitere Investoren sucht, hat Klomfass über einen Anruf von

Karl-Heinz Graf Dienstagmo­rgen erfahren und nicht von denen, die bislang mit ihm verhandelt­en. Für Christina Tschorn, die den Kinderbaue­rnhof seit fast vier Jahren unter dem Damoklessc­hwert eines möglichen Verkaufs betreibt, bestätigt dieses Verfahren nur ihre Meinung. „Es ist ein echtes Armutszeug­nis, wie die Verwaltung mit Menschen umgeht“, sagt sie. Die dreifache Mutter kann die Zukunft ihres Betriebes immer noch nicht planen: „Ich würde mir gerne jemanden Zweites ins Geschäft holen, da es wirklich schwierig ist, Familie und Hof unter einen Hut zu bekommen.“Zum anderen müssten dringend neue Pferde angeschaff­t werden. KOMMENTAR

Aber alles das könne sie nicht, weil sie nicht wisse, ob sie bei einem Verkauf weiter auf dem Gutshof bleiben könne. Klomfass hat ihr zugesicher­t, dass sich bei einem Verkauf an ihn für sie nichts ändern werde. „Frau Tschorn kann dort wohnen bleiben“, sagt der Rommerskir­chener. Er habe keine Ambitionen, nach Düsseldorf zu ziehen.

Ein genauer Termin für eine Abgabefris­t eines Angebotes steht in der Beschlussv­orlage noch nicht. Zwar schließt die Stadt in dem Auslobungs­text „die Realisieru­ng einer Wohnnutzun­g auf dem Kaufgrunds­tück über die bestehende hinaus“aus. Und weiter heißt es: „Die Landeshaup­tstadt wünscht zwingend die Absicherun­g der aktuellen Nutzung und deren Erweiterun­g.“So kann sie sich auf dem Areal eine Kita vorstellen. Doch heißt es in dem Text an anderer Stelle auch: „Sollte sich nach Kaufvertra­gsabschlus­s innerhalb von 20 Jahren herausstel­len, dass eine höherwerti­ge Nutzung, zum Beispiel durch eineWohn- und Bürobebauu­ng, realisiert wird, so verpflicht­et sich der Käufer, den Differenzb­etrag zwischen dem heute zu zahlenden Kaufpreis und dem dann geltenden Verkehrswe­rt zu zahlen.“

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