Die Zeitkapsel des Aquazoos
Stefan Curth ist seit einem Jahr Kurator der Aquazoo-Sammlung und kümmert sich um eine Million Naturobjekte.
Die Luft ist trocken und kühl im Reich von Stefan Curth. Ziemlich konträr zum restlichen Teil des Aquazoos Löbbecke, wo die anderen Exponate doch eher warme und vor allem feuchte Bedingungen bevorzugen. Die anderen sind die, die leben – was man von den Tierplastiken Josef Pallenbergs trotz der lebensechten Gestaltung nicht behaupten kann. Geschweige denn von der großen Sammlung präparierter, eurasischer Käfer und Schmetterlinge, die sich in den Schubladen von Curths Büroschränken stapeln.
DerWert der Aquazoo-Sammlung ist unschätzbar für die Wissenschaft. Hunderte Jahre der Forschung und Sammlung, zusammengetragen aus den Nachlässen Theodor Löbbekes und vieler weiterer, zumeist Laien-Forscher. Als Kurator haben Curth und seine Mitarbeiter damit die Obhut über eine Million Naturobjekte aus den Bereichen Biologie, Geologie und Paläontologie.
Darunter befinden sich auch sehr seltene Abbildungen aus dem Düsseldorfer Zoo und Präparate von längst ausgestorbenen Arten wie dem Schomburgk-Hirsch – benannt nach dem deutschen Forschungsreisenden Robert Hermann Schomburgk. Der älteste Eierschalen-Fund wurde mit dem Jahr 1756 datiert. „Ich bin jedes Mal aufs Neue fasziniert von der gebündelten Arbeitsleistung so vieler Wissenschaftler. Der Raum ist wie eine überdimensionierte Zeitkapsel. Die Ehre, das bewahren zu können, treibt mich an“, sagt Curth.
Die Spuren dieser Zeitreise sind es auch, die seine Forschernatur immer wieder in die Katakomben des Aquazoos zieht.„Besonders dieVorgänge der Evolution, etwa wie neue Tierarten entstehen, interessieren mich sehr“, sagt er. „Daran würde ich gerne noch viel mehr forschen.“Doch die übrigen Pflichten eines Kurators sind seit seinem Amtstantritt vor über einem Jahr nicht weniger geworden.
Noch ist nicht alles katalogisiert in der über die Jahre gewachsenen Sammlung, geschweige denn digitalisiert. „Manchmal ist es wie eine Schatzsuche, wenn man ein Objekt wieder aus der Versenkung holt“, sagt Stefan Curth. Richtiges Forschen und neue Erkenntnisse sammeln rückt dabei eher in den Hintergrund – stattdessen wartet noch so manch vor Jahrzehnten geerbte Muschelsammlung in den Schubladen des Magazins auf ihre biologische Zuordnung.
Immerhin in seiner Freizeit schafft es Curth, sein Faible für die Biologie in der freien Natur bei Trekkingtouren zu vertiefen. Dazu pflegt er privat eine eigene kleine Sammlung verschiedener Schlangenskelette. Ursprünglich waren diese einmal als Anschauungsobjekte für den Schulunterricht gedacht. Denn Curths Weg begann als Lehramtsstudent für Biologie und Englisch in Jena. Der Wunsch zu unterrichten schwand jedoch schnell, dafür ist die Faszination für die feingliedrigen Skelette geblieben. Den Großteil der Präparationsarbeit übernimmt dabei eine Speckkäfer-Population, die er genau für diesen Zweck hält und das verbliebene Gewebe biologisch abbaut. „Die arbeiten quasi nur für Kost und Logis“, ergänzt Curth lächelnd.
Schlangenskelette haben für ihn eine „besondere, unheimliche Ästhetik“, allerdings finde er jedes Exponat spannend. „Es gibt nicht die eine Muschel oder Schnecke, die ich besonders mag. Es ist die Masse hier, die mich begeistert“, sagt Curth. Nicht-wissenschaftlichen Besuchern des Aquazoos wird nur selten ein Einblick in die Sammlung gewährt. Zu gebrechlich seien manche Exponate, jede Berührung hinterlässt ihre Spuren. Doch sie der Öffentlichkeit zugänglich machen, könnte sich Curthdennoch vorstellen, schließlich ist die Sammlung eine Herzensangelegenheit – etwa bei einer Virtual-Reality-Ausstellung.