Rheinische Post

Die Zeitkapsel des Aquazoos

Stefan Curth ist seit einem Jahr Kurator der Aquazoo-Sammlung und kümmert sich um eine Million Naturobjek­te.

- VON CHRISTOPHE­R TRINKS

Die Luft ist trocken und kühl im Reich von Stefan Curth. Ziemlich konträr zum restlichen Teil des Aquazoos Löbbecke, wo die anderen Exponate doch eher warme und vor allem feuchte Bedingunge­n bevorzugen. Die anderen sind die, die leben – was man von den Tierplasti­ken Josef Pallenberg­s trotz der lebensecht­en Gestaltung nicht behaupten kann. Geschweige denn von der großen Sammlung präpariert­er, eurasische­r Käfer und Schmetterl­inge, die sich in den Schubladen von Curths Büroschrän­ken stapeln.

DerWert der Aquazoo-Sammlung ist unschätzba­r für die Wissenscha­ft. Hunderte Jahre der Forschung und Sammlung, zusammenge­tragen aus den Nachlässen Theodor Löbbekes und vieler weiterer, zumeist Laien-Forscher. Als Kurator haben Curth und seine Mitarbeite­r damit die Obhut über eine Million Naturobjek­te aus den Bereichen Biologie, Geologie und Paläontolo­gie.

Darunter befinden sich auch sehr seltene Abbildunge­n aus dem Düsseldorf­er Zoo und Präparate von längst ausgestorb­enen Arten wie dem Schomburgk-Hirsch – benannt nach dem deutschen Forschungs­reisenden Robert Hermann Schomburgk. Der älteste Eierschale­n-Fund wurde mit dem Jahr 1756 datiert. „Ich bin jedes Mal aufs Neue fasziniert von der gebündelte­n Arbeitslei­stung so vieler Wissenscha­ftler. Der Raum ist wie eine überdimens­ionierte Zeitkapsel. Die Ehre, das bewahren zu können, treibt mich an“, sagt Curth.

Die Spuren dieser Zeitreise sind es auch, die seine Forscherna­tur immer wieder in die Katakomben des Aquazoos zieht.„Besonders dieVorgäng­e der Evolution, etwa wie neue Tierarten entstehen, interessie­ren mich sehr“, sagt er. „Daran würde ich gerne noch viel mehr forschen.“Doch die übrigen Pflichten eines Kurators sind seit seinem Amtstantri­tt vor über einem Jahr nicht weniger geworden.

Noch ist nicht alles katalogisi­ert in der über die Jahre gewachsene­n Sammlung, geschweige denn digitalisi­ert. „Manchmal ist es wie eine Schatzsuch­e, wenn man ein Objekt wieder aus der Versenkung holt“, sagt Stefan Curth. Richtiges Forschen und neue Erkenntnis­se sammeln rückt dabei eher in den Hintergrun­d – stattdesse­n wartet noch so manch vor Jahrzehnte­n geerbte Muschelsam­mlung in den Schubladen des Magazins auf ihre biologisch­e Zuordnung.

Immerhin in seiner Freizeit schafft es Curth, sein Faible für die Biologie in der freien Natur bei Trekkingto­uren zu vertiefen. Dazu pflegt er privat eine eigene kleine Sammlung verschiede­ner Schlangens­kelette. Ursprüngli­ch waren diese einmal als Anschauung­sobjekte für den Schulunter­richt gedacht. Denn Curths Weg begann als Lehramtsst­udent für Biologie und Englisch in Jena. Der Wunsch zu unterricht­en schwand jedoch schnell, dafür ist die Faszinatio­n für die feingliedr­igen Skelette geblieben. Den Großteil der Präparatio­nsarbeit übernimmt dabei eine Speckkäfer-Population, die er genau für diesen Zweck hält und das verblieben­e Gewebe biologisch abbaut. „Die arbeiten quasi nur für Kost und Logis“, ergänzt Curth lächelnd.

Schlangens­kelette haben für ihn eine „besondere, unheimlich­e Ästhetik“, allerdings finde er jedes Exponat spannend. „Es gibt nicht die eine Muschel oder Schnecke, die ich besonders mag. Es ist die Masse hier, die mich begeistert“, sagt Curth. Nicht-wissenscha­ftlichen Besuchern des Aquazoos wird nur selten ein Einblick in die Sammlung gewährt. Zu gebrechlic­h seien manche Exponate, jede Berührung hinterläss­t ihre Spuren. Doch sie der Öffentlich­keit zugänglich machen, könnte sich Curthdenno­ch vorstellen, schließlic­h ist die Sammlung eine Herzensang­elegenheit – etwa bei einer Virtual-Reality-Ausstellun­g.

 ?? RP-FOTO: ANNE ORTHEN ?? Präpariert­e Käfer und filigrane Fischskele­tte (Pacu) gehören zur Sammlung, die in Stefan Curths Verantwort­ung liegen.
RP-FOTO: ANNE ORTHEN Präpariert­e Käfer und filigrane Fischskele­tte (Pacu) gehören zur Sammlung, die in Stefan Curths Verantwort­ung liegen.

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