Klick, klick, klick in Kaiserswerth
Eine Gruppe von Profi- und Hobbyfotografen trifft sich regelmäßig und erkundet die Stadt mit der Kamera. Wir haben sie begleitet.
Der Rhein schimmert, über der roten Backsteinmauer blickt eine Reihe Pflanzentöpfe am Rande der Café-Terrasse hinab, Wespen und Fußgänger nutzen die noch warme Abendluft aus, da brettert ein Fahrradfahrer in Sporthelm und Radlershorts über den Asphalt. Klick, klick, klick, so wird er auf Film verewigt, ehe er an der kleinen Schar Fotografen vorbeipest.
Diese haben sich übers Internet zusammengefunden, auf der Plattform „Meetup“, wo sie eine Gruppe von inzwischen über 1700 Nutzern sind. Einige sind Profis, viele Amateure. An diesem Abend sind 13 von ihnen in Kaiserswerth, mit ihren Kameras in den Händen oder am Trageband. Einer von ihnen, Robert Hein, grell-oranges Polo-Shirt, grauer Kurzhaarschnitt, braucht gleich zwei, über jede Schulter eine geschlungen, „eine 35 Millimeter, ein typisches Reportage-Objektiv, eine 50 Millimeter, ein typisches Porträt-Objektiv“, sagt er. Der einfache Grund: Er habe kein Zoom.
„Die Kamera fördert die Achtsamkeit“Robert Hein Teilnehmer des Fototreffens
Aber niemand muss zwei Kameras mitbringen oder überhaupt viel Geld für eine ausgeben. Eine Handykamera reicht völlig aus, um mitzumachen. Mimo Khair ermutigt sogar dazu, auch wenn die meisten Neuankömmlinge sich irgendwann eine Spiegelreflexkamera besorgen. Die Libanesin ist die Organisatorin des „Düsseldorf Street Photography Meetup“. Wenn die Fotografen Fragen haben, steht sie zur Verfügung. Aber sie gibt keine Anweisungen, lässt alle ihre eigenen Motive entdecken. Heute gibt es nur eine technische Frage:„Mimo, wieso ist deine Kamera eigentlich leiser als meine?“, fragt Robert Hein. Mimo Khair zeigt ihm den Lautstärkeregler ihres Auslösers. „Das ist praktisch, wenn man in einer Menschenmenge nicht so auffallen möchte“, sagt sie. Warum sie den Auslöser überhaupt auf laut stellen würde? Kann die Expertin nicht erklären.
Mimo Khair lernte ihr Handwerk in New York, wo sie an der Parsons School of Design studierte. Am liebsten fotografiere sie Menschen. „I love people“, sagt sie. Deshalb seien Portraits ihre größte Stärke. Auf ihren Foto-Touren überrasche sie Menschen nicht, als sei sie „ein Spion“, sie interagiere mit ihnen, wenn sie sie aufnimmt – aber wenn jemand auf einer Tour sie fragt, ob sie ihn fotografieren könne, verwerfe sie das Bild hinterher, „denn dann posieren die schon“, sagt sie auf Englisch. Deutsch spricht sie auch, aber auf Englisch mache sie weniger „mistakes“.
Die Idee für die Treffen hat Mimo Khair aus Shanghai, ihrem letzten Wohnort, mitgebracht, als sie vor zwei Jahren mit ihrer Familie nach Deutschland zog. Die Nachfrage ist in Düsseldorf nicht ganz so groß wie in der chinesischen Mega-Metropole. „Beim ersten Mal sind dort 500 Leute aufgetaucht“, sagt sie. In Düsseldorf ufert es mit der Gruppengröße nicht ganz so aus, trotzdem begrenzt sie die Teilnehmer-Zahl auf 20 pro Treffen. Auch das ist schon viel. Normalerweise geht die Gruppe gemeinsam, aber heute teilen sich die Fotografen auf, bilden kleine Grüppchen oder erkunden die Gegend im Alleingang. Motive gibt es genug in Kaiserswerth mit seinen urigen Ziegelhäusern in Sandund Pastellfarben. Einige entdecken den Stadtteil neu, andere zum ersten Mal, oder eine Mischung aus beidem.
Andrea Wilhelm, Co-Organisatorin, hockt vor der Mauer der Kaiserpfalz-Ruine, um den leeren Fensterbogen weit über ihrem Kopf besser einzufangen. „Ich bin zum ersten Mal hier“, sagt sie, dabei wohne sie
schon seit zehn Jahren in Düsseldorf – „naja, eher neun drei-viertel.“In der Foto-Gruppe ist sie seit anderthalb Jahren. Sie findet, mit der Kamera in der Hand nehme man die Welt ganz anders wahr, man gucke nach oben, nach unten, sehe alles aus einem anderenWinkel.„Die Kamera fördert die Achtsamkeit“, wirft Robert Hein ein.
Er finde es spannend, wie bei den Touren völlig verschiedene Bilder zustande kämen, obwohl viele dieselben Motive fotografierten. Jeder bringe seine eigene Perspektive mit. So unterschiedlich wie die Fotos sind auch die Fotografen: Einige sind deutsch, viele sind woanders geboren, es gibt Neuankömmlinge und Alteingesessene. Die Sprache wechselt ständig zwischen Englisch und Deutsch, je nachdem, was die meisten gerade verstehen. Sofia Prado ist erst vor zwei Wochen in Düsseldorf angekommen, die Argentinierin hatte daher noch keine Zeit, Deutsch zu lernen. Bei der Gruppe mache sie hauptsächlich mit, um Leute kennenzulernen, „damit ich nicht ständig nur mit meiner Mitbewohnerin rumhänge“, sagt sie. Dabei fotografiert sie selbst beruflich; allerdings ist sie es gewohnt, Bilder von gestylten Sushi-Rollen statt von Burgruinen zu machen. In ihrer Heimat arbeitete sie als Food-Fotografin.
Menschen kennenlernen, Düsseldorf kennenlernen, die Kamera kennenlernen: Zwar haben alle ihre etwas eigenen Gründe, Fotografie zum Team-Sport zu machen, aber sie eint die Neugier, Dinge zu entdecken, die man leichter durch das Objektiv findet.