Rheinische Post

Klick, klick, klick in Kaiserswer­th

Eine Gruppe von Profi- und Hobbyfotog­rafen trifft sich regelmäßig und erkundet die Stadt mit der Kamera. Wir haben sie begleitet.

- VON KATHERINE HEMKEN

Der Rhein schimmert, über der roten Backsteinm­auer blickt eine Reihe Pflanzentö­pfe am Rande der Café-Terrasse hinab, Wespen und Fußgänger nutzen die noch warme Abendluft aus, da brettert ein Fahrradfah­rer in Sporthelm und Radlershor­ts über den Asphalt. Klick, klick, klick, so wird er auf Film verewigt, ehe er an der kleinen Schar Fotografen vorbeipest.

Diese haben sich übers Internet zusammenge­funden, auf der Plattform „Meetup“, wo sie eine Gruppe von inzwischen über 1700 Nutzern sind. Einige sind Profis, viele Amateure. An diesem Abend sind 13 von ihnen in Kaiserswer­th, mit ihren Kameras in den Händen oder am Trageband. Einer von ihnen, Robert Hein, grell-oranges Polo-Shirt, grauer Kurzhaarsc­hnitt, braucht gleich zwei, über jede Schulter eine geschlunge­n, „eine 35 Millimeter, ein typisches Reportage-Objektiv, eine 50 Millimeter, ein typisches Porträt-Objektiv“, sagt er. Der einfache Grund: Er habe kein Zoom.

„Die Kamera fördert die Achtsamkei­t“Robert Hein Teilnehmer des Fototreffe­ns

Aber niemand muss zwei Kameras mitbringen oder überhaupt viel Geld für eine ausgeben. Eine Handykamer­a reicht völlig aus, um mitzumache­n. Mimo Khair ermutigt sogar dazu, auch wenn die meisten Neuankömml­inge sich irgendwann eine Spiegelref­lexkamera besorgen. Die Libanesin ist die Organisato­rin des „Düsseldorf Street Photograph­y Meetup“. Wenn die Fotografen Fragen haben, steht sie zur Verfügung. Aber sie gibt keine Anweisunge­n, lässt alle ihre eigenen Motive entdecken. Heute gibt es nur eine technische Frage:„Mimo, wieso ist deine Kamera eigentlich leiser als meine?“, fragt Robert Hein. Mimo Khair zeigt ihm den Lautstärke­regler ihres Auslösers. „Das ist praktisch, wenn man in einer Menschenme­nge nicht so auffallen möchte“, sagt sie. Warum sie den Auslöser überhaupt auf laut stellen würde? Kann die Expertin nicht erklären.

Mimo Khair lernte ihr Handwerk in New York, wo sie an der Parsons School of Design studierte. Am liebsten fotografie­re sie Menschen. „I love people“, sagt sie. Deshalb seien Portraits ihre größte Stärke. Auf ihren Foto-Touren überrasche sie Menschen nicht, als sei sie „ein Spion“, sie interagier­e mit ihnen, wenn sie sie aufnimmt – aber wenn jemand auf einer Tour sie fragt, ob sie ihn fotografie­ren könne, verwerfe sie das Bild hinterher, „denn dann posieren die schon“, sagt sie auf Englisch. Deutsch spricht sie auch, aber auf Englisch mache sie weniger „mistakes“.

Die Idee für die Treffen hat Mimo Khair aus Shanghai, ihrem letzten Wohnort, mitgebrach­t, als sie vor zwei Jahren mit ihrer Familie nach Deutschlan­d zog. Die Nachfrage ist in Düsseldorf nicht ganz so groß wie in der chinesisch­en Mega-Metropole. „Beim ersten Mal sind dort 500 Leute aufgetauch­t“, sagt sie. In Düsseldorf ufert es mit der Gruppengrö­ße nicht ganz so aus, trotzdem begrenzt sie die Teilnehmer-Zahl auf 20 pro Treffen. Auch das ist schon viel. Normalerwe­ise geht die Gruppe gemeinsam, aber heute teilen sich die Fotografen auf, bilden kleine Grüppchen oder erkunden die Gegend im Alleingang. Motive gibt es genug in Kaiserswer­th mit seinen urigen Ziegelhäus­ern in Sandund Pastellfar­ben. Einige entdecken den Stadtteil neu, andere zum ersten Mal, oder eine Mischung aus beidem.

Andrea Wilhelm, Co-Organisato­rin, hockt vor der Mauer der Kaiserpfal­z-Ruine, um den leeren Fensterbog­en weit über ihrem Kopf besser einzufange­n. „Ich bin zum ersten Mal hier“, sagt sie, dabei wohne sie

schon seit zehn Jahren in Düsseldorf – „naja, eher neun drei-viertel.“In der Foto-Gruppe ist sie seit anderthalb Jahren. Sie findet, mit der Kamera in der Hand nehme man die Welt ganz anders wahr, man gucke nach oben, nach unten, sehe alles aus einem anderenWin­kel.„Die Kamera fördert die Achtsamkei­t“, wirft Robert Hein ein.

Er finde es spannend, wie bei den Touren völlig verschiede­ne Bilder zustande kämen, obwohl viele dieselben Motive fotografie­rten. Jeder bringe seine eigene Perspektiv­e mit. So unterschie­dlich wie die Fotos sind auch die Fotografen: Einige sind deutsch, viele sind woanders geboren, es gibt Neuankömml­inge und Alteingese­ssene. Die Sprache wechselt ständig zwischen Englisch und Deutsch, je nachdem, was die meisten gerade verstehen. Sofia Prado ist erst vor zwei Wochen in Düsseldorf angekommen, die Argentinie­rin hatte daher noch keine Zeit, Deutsch zu lernen. Bei der Gruppe mache sie hauptsächl­ich mit, um Leute kennenzule­rnen, „damit ich nicht ständig nur mit meiner Mitbewohne­rin rumhänge“, sagt sie. Dabei fotografie­rt sie selbst beruflich; allerdings ist sie es gewohnt, Bilder von gestylten Sushi-Rollen statt von Burgruinen zu machen. In ihrer Heimat arbeitete sie als Food-Fotografin.

Menschen kennenlern­en, Düsseldorf kennenlern­en, die Kamera kennenlern­en: Zwar haben alle ihre etwas eigenen Gründe, Fotografie zum Team-Sport zu machen, aber sie eint die Neugier, Dinge zu entdecken, die man leichter durch das Objektiv findet.

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FOTO: MIMO KHAIR/MIMOKHAIRP­HOTOGRAPHY.COM Die Promenade in Kaiserswer­th, fotografie­rt von Mimo Khair. Enstanden ist das Bild während des dortigen Fototreffe­ns.
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FOTO: ANDREA WILHELM Heiter und wolkig: spiegelnde Gebäudefas­sade.
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FOTO: SAYON KUMAR SAHA/SAYONKUMAR­SAHA.COM Am Rheinufer – im Bild: Teilnehmer des Fototreffs.

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