Rheinische Post

Die Liga der Voreiligen

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Eigentlich könnten wir schon wieder aufhören. Der zweite Spieltag in der Fußball-Bundesliga hat gerade begonnen, da wissen wir schon alles, weil die Experten es verraten haben. Der FC Augsburg steht mit einem Bein in der zweiten Liga, Union Berlin sowieso. Borussia Dortmund ist unschlagba­r, und für die Bayern wird‘s schwer.

Mehr als die Hälfte aller Mannschaft­en spielt hektischen Angriffsfu­ßball, wie ihn wahrschein­lich der frühe Jürgen Klopp in einer Mainzer Trainer-WG erfunden hat, und Julian Nagelsmann

redet so gelehrt über Fußball daher, dass seine Spieler am Saisonende ein Diplom erhalten.

Das Fazit der Saison ist also gezogen. Das ist sehr erfreulich, von nun an kann es um die wichtigen Dinge gehen. Die kleine Wortkunde zum Beispiel, ohne die das kundige Gespräch über die längst entschlüss­elten Geheimniss­e des Spieljahrs nicht geführt werden kann. So schmückt sich denn jedes Kaffeekrän­zchen von Fachleuten im Fernsehen oder im Privaten (früher hieß das Stammtisch, aber das ist heute viel zu unfein) mit dem Begriff „vertikal“, gern auch mit dem klangvolle­n Substantiv „Vertikalit­ät“.

Das bezeichnet die vorgegeben­e Spielricht­ung der Moderne. Mit dem Wort „geradeaus“wäre es ebenfalls ganz gut beschriebe­n. Wie viele andere habe ich inzwischen gelernt, dass damit der „Gegner unter Druck gesetzt werden soll, und dass ihm „Stress“bereitet wird. Der größte Stressmach­er landet am Ende hinter Borussia Dortmund, so einfach ist das.

Die Bayern, auch darin dürfen sich die Experten einig sein, machen sich nach einer alten, leider Düsseldorf­er Tah gern gehalten, doch er wechselte für 7,5 Millionen Euro zu Bayer 04, wo er heute unumstritt­ener Stammspiel­er in der Innenverte­idigung ist. Man könnte also sagen, dass die Saison in Düsseldorf ein Sprungbret­t für den 23-Jährigen war, das ihn auf ein anderes Level gebracht hat. Tah weiß das bis heute zu schätzen.

„Ich habe sehr gute Erinnerung­en an meine Zeit bei der Fortuna“, sagt er vor dem Aufeinande­rtreffen beider Klubs am Samstag. lange in den Dauer-Meistersch­aften verschütte­ten Sitte am liebsten wieder selber Stress. Uli Hoeneß, der einst so meisterhaf­te Attacken ritt, wird sich von Amtsmüdigk­eit davonspüle­n lassen. Dann ist der Weg endgültig frei für Karl-Heinz Rummenigge, der den bedauernsw­erten Trainer Niko Kovac von morgens bis abends über alle denkbaren Kanäle hinweg piesacken wird, bis der Coach „am Ende des Tages“eben nicht mehr Kovac ist.

Das bisschen Weltklasse, das die Münchner als panische Antwort auf die Dortmunder Attacken auf dem Transferma­rkt und anderswo versammelt haben, wird sich in Kompetenzg­erangel verlieren, bis Rummenigge im Frühjahr 2020 Hoeneß zitiert und im Fernsehen sagen wird: „Wenn Sie wüssten, was wir schon sicher haben fürs nächste Jahr.“Inzwischen wird Fortuna Düsseldorf von allen Trends unbelastet in die Europa League einziehen, und Julian Nagelsmann in Leipzig einen Lehrstuhl für Fußball-Wissenscha­ft bekommen. Das, wie gesagt, wissen wir schon heute. Zum Glück.

 ?? FOTO: THISSEN/DPA ?? Jonathan Tah hat von 2014 bis 2015 für Fortuna Düsseldorf gespielt. Inzwischen läuft der Nationalsp­ieler für Bayer 04 Leverkusen auf. Hier spielt er den Ball 2014 in der Zweitligap­artie der Fortuna gegen Heidenheim.
FOTO: THISSEN/DPA Jonathan Tah hat von 2014 bis 2015 für Fortuna Düsseldorf gespielt. Inzwischen läuft der Nationalsp­ieler für Bayer 04 Leverkusen auf. Hier spielt er den Ball 2014 in der Zweitligap­artie der Fortuna gegen Heidenheim.

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