Neue Debatte um die Negativzinsen
Soll der Staat Strafzinsen verbieten? Oder lieber einen Bürgerfonds auflegen? Experten raten von beidem ab.
DÜSSELDORF
Noch ist es nicht so weit. Noch hat so gut wie keine Bank oder Sparkasse ihre Kleinsparer mit sogenannten Negativzinsen belegt. Die heißen im Volksmund Strafzinse, weil der Sparer dafür zur Kasse gebeten wird, dass er sein Geld bei der Bank deponiert. Bei institutionellen und vermögenden Privatkunden ist das schon heute teilweise der Fall. Aber angesichts der Tatsache, dass die Banken für ihre Einlagen bei der Europäischen Zentralbank schon seit Jahren selbst Zinsen zahlen müssen und das Zinstief noch Jahre anhalten und die Europäische Zentralbank ihren geldpolitischen Kurs noch verschärfen könnte, wird es zunehmend wahrscheinlicher, dass auch Privatkunden irgendwann zahlen müssen. Vermutlich ist das nur eine Frage der Zeit.
Ehe das passiert, will Bundesfinanzminister Olaf Scholz vorsorglich prüfen lassen, ob er Negativzinsen für Kleinkunden verbieten kann. Negativzinsen für Kleinsparer, die auch nach demWillen von CSUChef Markus Söder gesetzlich verboten werden sollen. Aber wie das so üblich ist, ernten die Vertreter der Regierungsparteien mitVorschlägen stets Kritik von der Opposition. In diesem Fall von Grünen-Chef Robert Habeck, der stattdessen in der „Süddeutschen Zeitung“für die Einrichtung eines Bürgerfonds plädierte, als private Altersvorsorge, zusätzlich zur gesetzlichen Rente. Offen für alle Bürger, mit Investments „in sinnvolle Projekte zum Umbau der Wirtschaft“.
Und natürlich mit der Aussicht auf Gewinnzuwächse, damit der Sparer auch was davon hat. Die Idee Habecks, der auf Vorbilder wie den norwegischen Staatsfonds verwies, stößt bei Experten auf Skepsis: „Das lebt mal wieder von der Idee, dass der Staat der bessere Geldanleger ist“, sagte der Bankprofessor Hans-Peter Burghof von der Uni Hohenheim unserer Redaktion. Damit ein solcher Fonds für den Privatanleger Vorteile habe, müsse der Staat das Ganze subventionieren und die Kosten für dieVerwaltung übernehmen, mithin diese Kosten auch im Haushalt ansetzen. „Und das Risiko von Kursverlusten verbleibt trotzdem beim Anleger“, so Burghof.
Risiko? Wer sich den gern zitierten norwegischen Staatsfonds ansieht, erkennt, dass Investoren hier auch nicht auf totale Sicherheit setzen können. Ein Teil davon verwaltet die Mittel der Sozialversicherung und soll die Beiträge daraus rentabel anlegen. Er investiert zu 60 Prozent in Aktien und 40 Prozent in verzinsliche Wertpapiere. Wo die aber keinen Ertrag bringen, sind die Gewinne aus Aktieninvestments umso wichtiger. Und die sind nie sicher, auch wenn die Norweger in den vergangenen Jahren den Deutschen Aktien-Index in Sachen Performance stets geschlagen haben.
Wen Habeck und Co. auf ihrer Seite haben: Clemens Fuest, Chef des Ifo-Instituts. Der Ökonom hat im April zusammen mit drei Autoren das Konzept eines deutschen Bürgerfonds präsentiert, bei dem der Staat dank seiner starken Bonität den Sparern bei der Vorsorge helfen soll. Nur: Fuests Modell beinhaltet die Annahme, dass der Staat dazu neue Schulden machen sollte, und das ist bekanntlich nicht gewollt.
Also bleibt zweifelhaft, ob ein Bürgerfonds das Problem lösen könnte. Aktuell bleibt die Frage, ob sich Negativzinsen überhaupt verbieten ließen und, wenn das möglich wäre, wie die Unternehmen darauf reagieren würden. Nicht nur die Geldhäuser selbst laufen gegen die Ideen Sturm, auch Ökonomen raten dringend davon ab. Von einem Verstoß gegen die Regeln der Marktwirtschaft und einer Gefährdung des Bankensystems spricht Marcel Fratzscher, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), von„Effekthascherei vor den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen“Max Herbst von der Finanzberatungsforma FMH. Auch Markus Demary vom Institut der deutschen Wirtschaft spricht von „rein pouplistischen Aussagen“. Dabei geht es nicht nur um juristische, sondern auch um ökonomisch Fragen. Denn jede Bank, die möglicher Zinseinnahmen beraubt wird, dreht dann an der Gebührenschraube. Irgendwoher muss das Geld ja kommen.