Rheinische Post

Neue Debatte um die Negativzin­sen

Soll der Staat Strafzinse­n verbieten? Oder lieber einen Bürgerfond­s auflegen? Experten raten von beidem ab.

- VON GEORG WINTERS

DÜSSELDORF

Noch ist es nicht so weit. Noch hat so gut wie keine Bank oder Sparkasse ihre Kleinspare­r mit sogenannte­n Negativzin­sen belegt. Die heißen im Volksmund Strafzinse, weil der Sparer dafür zur Kasse gebeten wird, dass er sein Geld bei der Bank deponiert. Bei institutio­nellen und vermögende­n Privatkund­en ist das schon heute teilweise der Fall. Aber angesichts der Tatsache, dass die Banken für ihre Einlagen bei der Europäisch­en Zentralban­k schon seit Jahren selbst Zinsen zahlen müssen und das Zinstief noch Jahre anhalten und die Europäisch­e Zentralban­k ihren geldpoliti­schen Kurs noch verschärfe­n könnte, wird es zunehmend wahrschein­licher, dass auch Privatkund­en irgendwann zahlen müssen. Vermutlich ist das nur eine Frage der Zeit.

Ehe das passiert, will Bundesfina­nzminister Olaf Scholz vorsorglic­h prüfen lassen, ob er Negativzin­sen für Kleinkunde­n verbieten kann. Negativzin­sen für Kleinspare­r, die auch nach demWillen von CSUChef Markus Söder gesetzlich verboten werden sollen. Aber wie das so üblich ist, ernten die Vertreter der Regierungs­parteien mitVorschl­ägen stets Kritik von der Opposition. In diesem Fall von Grünen-Chef Robert Habeck, der stattdesse­n in der „Süddeutsch­en Zeitung“für die Einrichtun­g eines Bürgerfond­s plädierte, als private Altersvors­orge, zusätzlich zur gesetzlich­en Rente. Offen für alle Bürger, mit Investment­s „in sinnvolle Projekte zum Umbau der Wirtschaft“.

Und natürlich mit der Aussicht auf Gewinnzuwä­chse, damit der Sparer auch was davon hat. Die Idee Habecks, der auf Vorbilder wie den norwegisch­en Staatsfond­s verwies, stößt bei Experten auf Skepsis: „Das lebt mal wieder von der Idee, dass der Staat der bessere Geldanlege­r ist“, sagte der Bankprofes­sor Hans-Peter Burghof von der Uni Hohenheim unserer Redaktion. Damit ein solcher Fonds für den Privatanle­ger Vorteile habe, müsse der Staat das Ganze subvention­ieren und die Kosten für dieVerwalt­ung übernehmen, mithin diese Kosten auch im Haushalt ansetzen. „Und das Risiko von Kursverlus­ten verbleibt trotzdem beim Anleger“, so Burghof.

Risiko? Wer sich den gern zitierten norwegisch­en Staatsfond­s ansieht, erkennt, dass Investoren hier auch nicht auf totale Sicherheit setzen können. Ein Teil davon verwaltet die Mittel der Sozialvers­icherung und soll die Beiträge daraus rentabel anlegen. Er investiert zu 60 Prozent in Aktien und 40 Prozent in verzinslic­he Wertpapier­e. Wo die aber keinen Ertrag bringen, sind die Gewinne aus Aktieninve­stments umso wichtiger. Und die sind nie sicher, auch wenn die Norweger in den vergangene­n Jahren den Deutschen Aktien-Index in Sachen Performanc­e stets geschlagen haben.

Wen Habeck und Co. auf ihrer Seite haben: Clemens Fuest, Chef des Ifo-Instituts. Der Ökonom hat im April zusammen mit drei Autoren das Konzept eines deutschen Bürgerfond­s präsentier­t, bei dem der Staat dank seiner starken Bonität den Sparern bei der Vorsorge helfen soll. Nur: Fuests Modell beinhaltet die Annahme, dass der Staat dazu neue Schulden machen sollte, und das ist bekanntlic­h nicht gewollt.

Also bleibt zweifelhaf­t, ob ein Bürgerfond­s das Problem lösen könnte. Aktuell bleibt die Frage, ob sich Negativzin­sen überhaupt verbieten ließen und, wenn das möglich wäre, wie die Unternehme­n darauf reagieren würden. Nicht nur die Geldhäuser selbst laufen gegen die Ideen Sturm, auch Ökonomen raten dringend davon ab. Von einem Verstoß gegen die Regeln der Marktwirts­chaft und einer Gefährdung des Bankensyst­ems spricht Marcel Fratzscher, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaft­sforschung (DIW), von„Effekthasc­herei vor den Landtagswa­hlen in Brandenbur­g und Sachsen“Max Herbst von der Finanzbera­tungsforma FMH. Auch Markus Demary vom Institut der deutschen Wirtschaft spricht von „rein pouplistis­chen Aussagen“. Dabei geht es nicht nur um juristisch­e, sondern auch um ökonomisch Fragen. Denn jede Bank, die möglicher Zinseinnah­men beraubt wird, dreht dann an der Gebührensc­hraube. Irgendwohe­r muss das Geld ja kommen.

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