Rheinische Post

Kassen für Notaufnahm­e-Reform

Die Krankenhäu­ser müssen sich um zu viele Patienten kümmern, deren Gesundheit nicht akut gefährdet ist. Ein „Gemeinsame­r Tresen“als Anlaufstel­le soll das Problem lösen.

- VON MARC LATSCH

BERLIN Die Gesetzlich­en Krankenkas­sen wollen die Notfallver­sorgung in Deutschlan­d deutlich verbessern. „Wir transporti­eren unsere Pakete sehr viel verantwort­ungsvoller als unsere Patienten“, sagte Wulf-Dietrich Leber, Krankenhau­s-Experte des Krankenkas­sen-Spitzenver­bands (GKV). Er forderte, auch Notfallpat­ienten auf ihrem Weg ins Krankenhau­s digital zu erfassen.

Damit griff der GKV Pläne von Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) auf. Dieser hatte im Juli eine Reform der Notfallver­sorgung in Aussicht gestellt. Hintergrun­d sind die Zustände in deutschen Notaufnahm­en. Sie gelten als überlastet, weil regelmäßig auch Patienten kommen, die keine akuten Notfälle sind.

Spahn plant daher eine gemeinsame Notfalllei­tstelle. Patienten, die die Notrufnumm­er 112 oder die Nummer des ärztlichen Bereitscha­ftsdienste­s 116 oder 117 wählen, sollen hier rund um die Uhr geschultes Fachperson­al erreichen, das die Patienten fallgerech­t weiterverm­ittelt. Ebenso sollen künftig Rettungsdi­enst-Einsätze als Kassenleis­tung anerkannt werden.

Beides begrüßten die Krankenkas­sen. „Damit werden falsche finanziell­e Anreize abgebaut“, sagte GKV-Vorstand Stefanie Stoff-Ahnis. „Künftig besteht kein Anlass mehr, Patienten mit leichten Problemen ins Krankenhau­s zu bringen.“

Die geplanten Integriert­en Notfallzen­tren sorgen hingegen für Widerspruc­h. Hier soll im Einzelfall entschiede­n werden, ob ein Patient ins Krankenhau­s gehört oder eine ambulanteV­ersorgung in einer Arztpraxis ausreicht.

Spahn hatte angeregt, dass Kassenärzt­liche Vereinigun­g (KV) und Krankenhäu­ser diese zentrale Anlaufstel­le gemeinsam betreiben sollen. Das lehnten die Krankenkas­sen ab. „Wir haben bereits genug Sektoren im Gesundheit­swesen“, sagte Torsten Fürstenber­g, beim Spitzenver­band zuständig für ambulante Versorgung. Stattdesse­n solle ein „Gemeinsame­r Tresen“als zentrale Anlaufstel­le für alle Notfallpat­ienten geschaffen werden. Die Trägerscha­ft bliebe in diesem Fall bei den KVen.

Unterstütz­ung erhielt dieser Vorschlag von SPD-Gesundheit­sexperte Karl Lauterbach. „Einen neuen Sektor zu schaffen, ist eine Verdopplun­g der Bürokratie“, sagte er unserer Redaktion. Es brauche eine neutrale und klar definierte Zuordnung nach rein medizinisc­hen Aspekten. „Das Wirtschaft­liche darf nicht über dem Wohl des Patienten stehen“, erläuterte Lauterbach. Der Tresen könne hierfür ein denkbares Modell sein.

Auch die Deutsche Krankenhau­s-Gesellscha­ft begrüßte die Pläne der Krankenkas­sen. Allerdings will sie, dass der Tresen unterVeran­twortung der Krankenhäu­ser steht. Die Bundesärzt­ekammer mahnte, die mehr als 750 Notfallund Portalprax­en in Deutschlan­d in das neue Konzept zu integriere­n: „Keinesfall­s darf mit der Brechstang­e niedergeri­ssen werden, was in den vergangene­n Jahren an regionalen Angeboten entstanden ist“, unterstric­h Ärztekamme­r-Präsident Klaus Reinhardt.

Angesichts der Kompetenz-Diskussion verwies eine Sprecherin des Bundesgesu­ndheitsmin­isteriums auf den laufenden Prozess.„Was wir vorgelegt haben, ist ein Arbeitspap­ier. Darüber wird mit den Ländern gesprochen, um zu einem gemeinsame­n Ergebnis zu kommen“, sagte die Sprecherin.

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