Kassen für Notaufnahme-Reform
Die Krankenhäuser müssen sich um zu viele Patienten kümmern, deren Gesundheit nicht akut gefährdet ist. Ein „Gemeinsamer Tresen“als Anlaufstelle soll das Problem lösen.
BERLIN Die Gesetzlichen Krankenkassen wollen die Notfallversorgung in Deutschland deutlich verbessern. „Wir transportieren unsere Pakete sehr viel verantwortungsvoller als unsere Patienten“, sagte Wulf-Dietrich Leber, Krankenhaus-Experte des Krankenkassen-Spitzenverbands (GKV). Er forderte, auch Notfallpatienten auf ihrem Weg ins Krankenhaus digital zu erfassen.
Damit griff der GKV Pläne von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) auf. Dieser hatte im Juli eine Reform der Notfallversorgung in Aussicht gestellt. Hintergrund sind die Zustände in deutschen Notaufnahmen. Sie gelten als überlastet, weil regelmäßig auch Patienten kommen, die keine akuten Notfälle sind.
Spahn plant daher eine gemeinsame Notfallleitstelle. Patienten, die die Notrufnummer 112 oder die Nummer des ärztlichen Bereitschaftsdienstes 116 oder 117 wählen, sollen hier rund um die Uhr geschultes Fachpersonal erreichen, das die Patienten fallgerecht weitervermittelt. Ebenso sollen künftig Rettungsdienst-Einsätze als Kassenleistung anerkannt werden.
Beides begrüßten die Krankenkassen. „Damit werden falsche finanzielle Anreize abgebaut“, sagte GKV-Vorstand Stefanie Stoff-Ahnis. „Künftig besteht kein Anlass mehr, Patienten mit leichten Problemen ins Krankenhaus zu bringen.“
Die geplanten Integrierten Notfallzentren sorgen hingegen für Widerspruch. Hier soll im Einzelfall entschieden werden, ob ein Patient ins Krankenhaus gehört oder eine ambulanteVersorgung in einer Arztpraxis ausreicht.
Spahn hatte angeregt, dass Kassenärztliche Vereinigung (KV) und Krankenhäuser diese zentrale Anlaufstelle gemeinsam betreiben sollen. Das lehnten die Krankenkassen ab. „Wir haben bereits genug Sektoren im Gesundheitswesen“, sagte Torsten Fürstenberg, beim Spitzenverband zuständig für ambulante Versorgung. Stattdessen solle ein „Gemeinsamer Tresen“als zentrale Anlaufstelle für alle Notfallpatienten geschaffen werden. Die Trägerschaft bliebe in diesem Fall bei den KVen.
Unterstützung erhielt dieser Vorschlag von SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. „Einen neuen Sektor zu schaffen, ist eine Verdopplung der Bürokratie“, sagte er unserer Redaktion. Es brauche eine neutrale und klar definierte Zuordnung nach rein medizinischen Aspekten. „Das Wirtschaftliche darf nicht über dem Wohl des Patienten stehen“, erläuterte Lauterbach. Der Tresen könne hierfür ein denkbares Modell sein.
Auch die Deutsche Krankenhaus-Gesellschaft begrüßte die Pläne der Krankenkassen. Allerdings will sie, dass der Tresen unterVerantwortung der Krankenhäuser steht. Die Bundesärztekammer mahnte, die mehr als 750 Notfallund Portalpraxen in Deutschland in das neue Konzept zu integrieren: „Keinesfalls darf mit der Brechstange niedergerissen werden, was in den vergangenen Jahren an regionalen Angeboten entstanden ist“, unterstrich Ärztekammer-Präsident Klaus Reinhardt.
Angesichts der Kompetenz-Diskussion verwies eine Sprecherin des Bundesgesundheitsministeriums auf den laufenden Prozess.„Was wir vorgelegt haben, ist ein Arbeitspapier. Darüber wird mit den Ländern gesprochen, um zu einem gemeinsamen Ergebnis zu kommen“, sagte die Sprecherin.