Rheinische Post

EU reichen die deutschen Gülle-Pläne nicht

Klöckner und Schulze enttäusche­n die EU. Es drohen weiter Strafen wegen der Nitrat-Belastung.

- VON MARKUS GRABITZ

BRÜSSEL Im Streit mit der EU-Kommission um Nitrat im Grundwasse­r reichen die Pläne der Bundesregi­erung für strengere Dünge-Regeln noch nicht aus. Es sei ein „konstrukti­ves“Treffen gewesen, teilte EU-Kommissar Karmenu Vella nach einem Treffen mit Bundesumwe­ltminister­in Svenja Schulze (SPD) und Agrarminis­terin Julia Klöckner (CDU) auf Twitter mit. Weitere dringende Arbeiten und rechtliche Verpflicht­ungen seien aber nötig. Kommt die Bundesregi­erung den Forderunge­n nicht rechtzeiti­g nach, droht eine millionens­chwere Klage am Europäisch­en Gerichtsho­f (EuGH). Bis September soll nun die vollständi­ge Antwort Berlins an Brüssel folgen.

Worum geht es? In Deutschlan­d ist zu viel Nitrat im Grundwasse­r. Der EU-Grenzwert liegt bei 50 Milligramm je Liter. An 28 Prozent der Grundwasse­rspeicher wird der Grenzwert überschrit­ten. Es werden Werte bis 300 Milligramm/Liter gemessen. Die hohenWerte sind vor allem darauf zurückzufü­hren, dass die Böden die hohen Mengen an natürliche­m und künstliche­m Dünger nicht aufnehmen können und ans Grundwasse­r abgeben.

Besteht Gesundheit­sgefahr? Nein, die Wasserbetr­iebe sorgen für erstklassi­ges Trinkwasse­r. Dafür müssen sie aber in vielen Regionen Deutschlan­ds belastetes Grundwasse­r mit unbelastet­em Wasser mischen sowie neue Grundwasse­rspeicher erschließe­n. Das erhöht die Wasserrech­nung der Verbrauche­r.

Welche Rolle spielen Bauern? Problemati­sch sind unter anderem Viehbetrie­be mit jeweils zehntausen­den Schweinen oder tausenden Kühen. Die Tiere scheiden viel Mist aus, der von den Äckern nicht absorbiert werden kann. Regionen mit extrem hoher Viehkonzen­tration gibt es in Niedersach­sen, Schleswig-Holstein, NRW und Bayern. Aber auch Betriebe, die sich auf bestimmte Pflanzen spezialisi­ert haben, tragen zur hohen Konzentrat­ion bei. Beim Anbau von Spargel, Obst, Gemüse und Weizen werden zur Ertragsste­igerung hohe Dosen von mineralisc­hem Kunstdünge­r eingesetzt, die ebenfalls häufig ans Grundwasse­r weitergere­icht werden. Die Rede ist zudem von Gülle-Tourismus: Betriebe mit Massenvieh­haltung aus den Niederland­en exportiere­n Gülle nach Norddeutsc­hland.

Was will die EU-Kommission? Sie will, dass die über 25 Jahre alten Grenzwerte eingehalte­n werden. Wie, ist ihr egal. Die Wasserbetr­iebe und Umweltschü­tzer behaupten, die Nitratgren­zwerte seien nur dann von Deutschlan­d einzuhalte­n, wenn es viel weniger industriel­l arbeitende Vieh-, Gemüse- und Getreideba­uern gebe. Die Kommission fordert, dass in den Problemgeb­ieten die Ausbringun­g von Dünger je Acker um 20 Prozent sinkt. Die Bundesregi­erung hat nur angeboten, dass Betriebe in problemati­schen Gegenden die 20 Prozent schaffen.

Was steht auf dem Spiel? Es stehen Strafzahlu­ngen von 857.000 Euro je Tag im Raum, sollte der Europäisch­e Gerichtsho­f (EuGH) zum Schluss kommen, dass Deutschlan­d nicht konsequent gehandelt hat. Politisch steht vor allem für Landwirtsc­haftsminis­terin Klöckner viel auf dem Spiel: Sollte Deutschlan­d verurteilt werden, wäre dies eine große Blamage für Ministerin und Branche: Die deutsche Landwirtsc­haft stünde als großer Umweltsünd­er da.

Waskönnend­ieMinister­innenbiete­n? Sie werden womöglich verspreche­n, Aufzeichnu­ngspflicht­en zum Düngen für Betriebe einzuführe­n, Sperrzeite­n für das Ausbringen von Dünger in gefährdete­n Gebieten zu verlängern und schärfere Vorgaben für das Düngen an Hängen zu machen.

Reichen die Vorschläge aus? Martin Weyand vom Bundesverb­and der Energie- und Wasserwirt­schaft hält dies für ausgeschlo­ssen: Er nennt es eine Frage der Generation­engerechti­gkeit, nach über 25 Jahren die Grenzwerte endlich einzuhalte­n. Dafür müsse der Schutz des Grundwasse­rs Priorität haben.

Was hat die EU schon getan? Deutschlan­d ist 2018 vom EuGH verurteilt worden. Die EU-Richter rügten sechs Verstöße und forderten, diese Verstöße bis März 2020 abzustelle­n.

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