Rheinische Post

Von Freizügigk­eit und Prüderie

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Welche Rolle spielen Liebe und Lust in anderen Kulturen? Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, reiste Charlotte Roche in fremde Länder. Der erste Teil der Reportager­eihe

„Love Rituals“(Vortag, 21.35 Uhr, ARTE) handelte von Japan. Den Einwohnern wird nachgesagt, dass sie immer weniger Interesse an Sex haben. Davon konnte sich Roche im Gespräch mit jungen Japanern selbst überzeugen. Öffentlich­e Liebes- oder Zuneigungs­bekundunge­n sind nicht üblich, auch allzu direkte Fragen über das Liebesoder gar Sexuallebe­n wirkten wenig erwünscht. Dem gegenüber stand allerdings ein sehr freizügige­s Festival, das Kanamara-Matsuri, zu deutsch „Penisfest“. Riesige Phallussym­bole, die durch die Gegend getragen wurden, Lutscher, die männliche beziehungs­weise weibliche Geschlecht­steile darstellte­n, und offen besprochen­e Sexualität brachten nach eigener Angabe sogar die offenherzi­ge Roche zum Erröten und ließen sich für den Zuschauer kaum mit dem gewohnten, eher prüden Bild der Japaner vereinen. Gemeinsam mit dem Publiziste­n Kyoichi Tsuzuki lernten die Autorin und mit ihr das Publikum zudem weitere japanische Vorstellun­gen von Sexualität kennen. Während einige Aspekte, wie die Tradition der Geishas, lediglich informativ waren, wirkten andere, wie die Zurschaust­ellung von Puppen in ungewohnte­n sexuellen Posen, befremdlic­h. Ein ungewohnte­s Nebeneinan­der von modernen Vorstellun­gen und gelebter Tradition begegnete dem Zuschauer auch im zweiten Teil in Israel. Dort glauben ultraortho­doxe Juden an den „Bashert“, einen von Gott vorherbest­immten Partner, während andere nach freieren Ansichten leben.

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