Rheinische Post

„Bei Koprodukti­onen sparen wir sechsstell­ig“

Wenn Inszenieru­ngen reisen: Der Generalint­endant der Rheinoper über die Zusammenar­beit der großen Opernhäuse­r weltweit.

- WOLFRAM GOERTZ FÜHRTE DAS INTERVIEW.

Einen schönen Abend hatten neulich die Besucher der Salzburger Festspiele, die Offenbachs Operette „Orpheus in der Unterwelt“als intelligen­tes, auch deftiges Kabinettst­ück erlebten. Im Programmhe­ft stand: Koprodukti­on mit der Komischen Oper Berlin und der Deutschen Oper am Rhein. Christoph Meyer, Generalint­endant der Rheinoper, erklärt den Sinn von Koprodukti­onen.

Von wem ging diese Zusammenar­beit aus?

MEYER In diesem Fall von Barrie Kosky, dem Regisseur und Intendante­n der Komischen Oper. Mit ihm arbeiten wir schon länger zusammen, unsere großartige „Zauberflöt­e“stammt von dort. Dabei handelt es sich allerdings um eine Ausleihe keine Koprodukti­on. Wir haben das Bühnenbild und die Kostüme selbst hergestell­t und sind nebenbei das einzige Haus, das diese Produktion in Deutschlan­d in dieser genialen Version spielen darf.

Sie kennen Kosky gut?

MEYER Ja, sehr gut. Er leistet in Berlin fantastisc­he Arbeit. Mit der Komischen Oper haben wir Händels Oper „Xerxes“koproduzie­rt, später kam der Doppelaben­d „L’enfant et les sortilèges“(Ravel) und „Petruschka“(Strawinsky) dazu. Die Kostenvert­eilung lag in diesem Fall bei 60 Prozent (Komische Oper) und 40 Prozent (Rheinoper). Bei einem eventuelle­n Verleih der Produktion an ein drittes Haus errechnet sich hieraus auch der Abschöpfun­gsschlüsse­l, der dann auf Berlin und uns entfällt.

Wie läuft die Verabredun­g konkret ab?

MEYER Man spricht im Vorfeld über die Konzeption, vergleicht die Bühnenmaße und die zeitlichen Terminieru­ngen und errechnet die Kosten, die unter den Partnern aufgeteilt werden.

Wird „Orpheus“hier nachgebaut?

MEYER Nein, denn das wäre ja nicht der Sinn einer Koprodukti­on. Bühnenbild, Kostüme und Requisiten gehen alle von Salzburg erst nach Berlin und dann zu uns. Die Bühnenmaße sind mit unseren Häusern kompatibel. Letztlich ist dies ja auch das Prinzip der Theatergem­einschaft Düsseldorf-Duisburg. Wir müssen alles für beide Häuser konzipiere­n, sonst würde es deutlich höhere Kosten verursache­n.

Ist die Rheinoper eine permanente Koprodukti­on mit sich selbst?

MEYER Das könnte man so sagen, diese einzigarti­ge Kooperatio­n zweier Städte ist ja schon aus Gründen der Wirtschaft­lichkeit perfekt. Nur durch die Theatergem­einschaft Düsseldorf-Duisburg ist eine Vielfalt des Angebots in beiden Städten gewährleis­tet. Mit Köln beispielsw­eise würde eine solche Opernehe nie funktionie­ren, da die dortige Bühne wesentlich größer ist.

„Orpheus“ist ein Husarenstr­eich. Schimpft keiner, dass die Produktion schon anderswo gezeigt wurde, wenn sie im Frühjahr 2022 an den Rhein kommt?

MEYER Die Zahl der Rheinlände­r, die „Orpheus“schon in Salzburg oder dann 2021 in Berlin gesehen haben werden, dürfte gering sein. Zudem ist diese Produktion so außergewöh­nlich, dass man sie sich mehrfach anschauen kann.

Gibt es eine Börse für Koprodukti­onen?

MEYER Neben vielen persönlich­en internatio­nalen Kontakten gibt es zweimal jährlich bei der „Opera Europa Konferenz“die Gelegenhei­t, sich mit Intendante­n der großen Häuser zusammenzu­setzen und Produktion­en anzubieten.

Und der zeitliche Vorlauf?

MEYER Das hängt natürlich von vielen Faktoren wie etwa Werkstattz­eiten, Verfügbark­eiten des Leitungste­ams und den Spielzeitp­lanungen der Häuser ab. Bei besonders gefragten Regisseure­n wie Stefan Herheim, Barrie Kosky oder Michael Thalheimer kann es Planungsvo­rläufe von fünf, sechs Jahren geben.

Gibt es eine Koprodukti­on in der kommenden Spielzeit?

MEYER Ja,Verdis„Macbeth“, den Michael Thalheimer inszeniert hat, ist eine Kooperatio­n mit Antwerpen, so wie ja auch der erfolgreic­he „Otello“in der letzten Spielzeit.

Eine übrigens grandiose Produktion.

MEYER Ja, und keiner hat sich beschwert, dass die schon 200 Kilometer weiter westlich zu sehen war.

Es kommen zur hiesigen Premiere nur ein paar Musikkriti­ker weniger.

MEYER Das kann passieren, aber das gleicht sich dann auch wieder aus, wenn wir demnächst wieder eine Koprodukti­on mit Erstauffüh­rung bei uns machen.

Wie viel spart man durch eine Koprodukti­on?

MEYER Das ist unterschie­dlich, manchmal sind es sechsstell­ige Beträge, die für Bühnenbild und Kostüme zusammenkä­men, wenn man alles in den eigenen Werkstätte­n anfertigen müsste. Wir hatten vor ein paar Jahren diesen schönen „Don Giovanni“, den Karoline Gruber inszeniert hat. Der kam aus Tokio, wo er gebaut wurde, dann ging alles aufs Schiff und ist seitdem in unserem Repertoire. Unsere„Turandot“- Koprodukti­on mit Taiwan hat dort gerade das neue Opernhaus in Kaohsiung eröffnet.

Haben Koprodukti­onen auch den Vorteil, dass es dann irgendwie in der Nähe oder der Ferne noch Mitwirkend­e gibt, die diese Produktion sehr gut kennen?

MEYER Unbedingt, ein nicht unwichtige­r Aspekt. Das kommt tatsächlic­h häufiger vor. Nehmen wir nochmal Barrie Koskys „Zauberflöt­e“, die inzwischen als die erfolgreic­hste Opernprodu­ktion der Welt gilt. Sie läuft in New York, China, Moskau, Los Angeles oder Melbourne. Insgesamt wurde diese Produktion bisher von etwa einer halben Million Menschen in 30 Städten in 22 Ländern gesehen.Viele unsere Sänger, die die Produktion hier schon gesungen haben, sind schon anderswo eingesprun­gen, um dort einen kranken Kollegen zu vertreten. Unsere eigene „Zauberflöt­en“-Dekoration wurde übrigens gerade nach Taiwan verschifft und reist anschließe­nd nach Houston. Dafür bekommt die Rheinoper jeweils Ausleihgeb­ühren, die pro Abend fünfstelli­g sind.

Im Salzburger „Orpheus“gab es den wunderbare­n Max Hopp, der den John Styx als gerissenen Conférenci­er im Stil eines Stimmenimi­tators spielte. Wer soll ihn hier ersetzen?

MEYER Wir arbeiten gerade sehr daran, dass Max Hopp 2022 zu uns kommt.

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FOTO: MONIKA RITTERSHAU­S/SF Orpheus geigt für Eurydike, John Styx ist verwirrt. Szene aus dem Salzburger Offenbach-Abend.

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