Als Wersten noch „Werstyne“hieß
Im Werstener Heimatarchiv lagert ein Buch, das die Geschichte des Viertels lebhaft und sauber recherchiert erzählt.
WERSTEN Wer sammelt, hat auch immer eines: ein Lieblingsstück. Es kann die Farbe oder das Aussehen sein, warum wir etwas besonders schön finden, aber auch sein Alter oder vielleicht seine Geschichte. Wir haben Mitarbeiter von Museen und Archiven im Düsseldorfer Süden nach ihren Lieblingsstücken aus der Sammlung befragt. Heute: Alfred Wolff vom Heimatarchiv der Werstener Jonges.
Äußerlich ist der Wälzer in braunem Ledereinband kein Hingucker, doch aufgeschlagen offenbart er Faszinierendes aus alten Zeiten. Hier hat Franz Daassen, der 1. Baas der HeimatgemeinschaftWerstener Jonges, die Chronik seines Stadtteils verewigt – auf über 80 Seiten, eng beschrieben in kalligrafischer Schönschrift. „Was ich von meiner Heimat weiß“steht in geschwungener großer Schrift über dem Text, und auf der nächsten Seite: „Den Werstener Jongs gewidmet. „Wenn ich mit dem Lesen beginne, bin ich wie im Rausch“, sagt Alfred Wolff.
Er engagiert sich nicht qua Amt, sondern als geschichtsinteressiertes Mitglied des Werstener Heimatvereins im besonderen Maß für das Archiv. Es war wohl um das Jahr 1953 – zur Gründungszeit der Werstener Jonges – als Franz Daassen Eindrucksvolles zu seinem Stadtteil recherchierte und aufschrieb: von der Römerzeit über das Mittelalter, von der ersten urkundlichen Erwähnung „Werstyne“bis hin zur wechselhaften Geschichte der Pfarrkirche. Auch sein Wissen über historische Orte wie die der Scheidlingsmühle, den Heukeshof oder den Barfushof hat der erste Baas der Jonges zu Papier gebracht.
Der schlichte Einband ist für Menschen aus Wersten wie eine Einladung zu einer Zeitreise. „Die Beschreibung ist wirklich grandios“, schwärmt Alfred Wolff. Auch die altertümliche Sprache gefällt ihm gut. Wolff hat in seinem Lieblingsobjekt auch seine persönlichen Lieblingskapitel – die über das Schulwesen. „Weil ganz ausführlich beschrieben ist, wie massiv die Leute sich damals eingesetzt haben, damit Schulen überhaupt nachWersten kommen“, erklärt der 69-Jährige. Der Bau der ersten Schule fällt in die napoleonische Besatzungszeit des Rheinlands. „Die erste offizielle Schule ‚Auf der Windfoch‘ wurde erbaut auf Verordnung des französischen Besatzungskommandeurs Murat“, zitiert der Autor Franz Daassen aus einer noch älteren Chronik als seiner. Ob Gehalt und Stellenbesetzungen oder dass ein Lehrer wegen Trunkenheit nur zehn Tage tätig war – detailgetreu zieht die Zeit vorüber.
Was der begnadete Schreiber beruflich gemacht hat, ist nicht bekannt, doch „man könnte fast meinen, dass er Lehrer war“, mutmaßt Alfred Wolff. Der kostbare Wälzer wird in der Dependence der Werstener Jonges aufbewahrt.
Deshalb und weil die engen Zeilen nicht gut lesbar waren, machten sich Horst Sauter und Wolfgang Vergölts an eine moderne Variante, die 2018 als Broschüre erschien. Wort für Wort haben die „Übersetzer“übernommen. Heilfroh waren sie, dass Franz Daassen nicht in Sütterlin geschrieben hatte. Dank Alfred Wolff gibt es den historischen Werstener Schatz auch im Internet unter: www.heimatverein-wersten. jimdo.com.