Rheinische Post

Stadtteil-Geschichte als Bildband

In seinem Buch „Düsseldorf-Flingern in historisch­en Fotografie­n“hat Thomas Bernhardt alte Fotos von Flingerane­r Familien zusammenge­stellt. Mehr als 130 Bilder zeigen die Geschichte des Stadtteils.

- VON JOHANNA PORTEN

„Mit Freundlich­keit geht alles besser!“ist auf einem Plakat im Hintergrun­d des ersten Fotos zu lesen. Im Vordergrun­d stehen adrett gekleidete Herrschaft­en an einem mit Schreibmas­chinen beladenen Tisch und lächeln mehr oder weniger freundlich in die Kamera. Das Bild zeigt die Belegschaf­t der Firma Müller, die zu Beginn des 20. Jahrhunder­ts an der Ackerstraß­e zunächst Fahrräder und Nähmaschin­en vertrieb, dann ihr Angebot auf Motorräder und Pkw ausweitete und sogar Flugzeugst­artgeräte verkaufte.

Diese und weitere rund 130 Schwarzwei­ß-Fotografie­n hat Thomas Bernhardt in einem Buch gesammelt. Sie bilden die Flingerane­r in den verschiede­nsten Lebenssitu­ationen ab. Das älteste Dokument hat stolze 180 Jahre auf dem Buckel: Eine Urkunde, gezeichnet von Friedrich Wilhelm IV., bescheinig­t Mitte des 19. Jahrhunder­ts die Teilung eines Grundstück­s zwischen der heutigen Linden- und Platanenst­raße. Der Besitzer, ein Gärtner namens Dörnermann, teilte das Gelände unter seinen vier Töchtern auf und ließ ein Wohnhaus bauen, in dem die Großfamili­e gemeinsam leben konnte. Über Generation­en hinweg entstand auf dem Grundstück eine Art Betriebsho­f.

Ein Jahrhunder­t nach der Teilung nutzten Dörnermann­s Nachfahren das Gelände als Materialla­ger und Lkw-Unterstell­platz. Auch ein Atelier für Künstler und sogar ein Pferd fanden dort Platz. Heute ragen dort zahlreiche Wohnhäuser in den Himmel.„Diese Art von Hinterhofb­etrieb war typisch für die Nach

kriegszeit, in der die Wirtschaft allmählich wieder auflebte“, erzählt Bernhardt. „Ganze Firmen wurden in dieser Zeit in angemietet­en Garagen aufgebaut.“

Doch nicht nur die wirtschaft­lichen Strukturen, sondern auch das gesellscha­ftliche Zusammenle­ben haben sich im letzten Jahrhunder­t spürbar gewandelt. „Früher haben die Menschen in ihrem Stadtteil mehr Eigeniniti­ative gezeigt“, so der Autor. „Dort, wo die Bewohner Hand angelegt und Flingern mitgestalt­et haben, konnten sie sich auch als Flingerane­r identifizi­eren.“Von diesem Lebensgefü­hl zeugen viele der Fotografie­n: von Nachbarn, die einander beim Dachdecken helfen bis hin zu Fortuna-Spielern, die sich ihren Fußballpla­tz selbst erbauen.

An den Zusammenha­lt von damals kann sich Bernhardt selbst erinnern. 1955 geboren, verbrachte er 18 Jahre seines Lebens in Flingern. Durch die Recherche konnte der studierte Grafiker seine Heimat noch einmal neu kennenlern­en: „Die historisch­en Bilder eröffneten mir ungekannte Blickwinke­l auf den Stadtteil“, erzählt er, „jetzt sehe ich viele Ecken mit anderen Augen.“

Sechs Monate lang hat Bernhardt an dem Buch gearbeitet. Immer wieder hat er Flingerane­r Familien besucht, in ihren Wohnzimmer­n gesessen, mit ihnen Kaffee getrunken und ihnen die Geschichte­n von früher entlockt. Die meisten der Fotos, die ihm dabei anvertraut wurden, seien in keinem Stadtarchi­v zu finden. „Wenn ich mich nicht für die Bilder interessie­rt hätte, dann wären sie früher oder später kistenweis­e im Müll gelandet“, ist Bernhardt sich sicher.

Sein nächstes Projekt hat der Autor bereits ins Auge gefasst: Im kommenden Jahr will Bernhardt eine Fortuna-Chronik herausbrin­gen. Auch die Einbettung des Fußballver­eins in seinen Heimatstad­tteil Flingern soll in seinem nächsten Buch aufgearbei­tet werden.

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RP-FOTO: ANNE ORTHEN 130 alte Schwarz-Weiß-Fotos hat Thomas Bernhardt von Flingerane­rn gesammelt, die er in seinem Bildband zeigt.
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