Rheinische Post

Frankfurt ist nicht Fargo, aber . . .

Der „Tatort“wandelt auf den Spuren der Coen-Brüder. Das gelingt viel besser als befürchtet.

- VON TOBIAS JOCHHEIM

FRANKFURT Diesig ist die Herbstnach­t, nasskalt und dunkel, doch im Büro einer Solar-Firma brennt noch Licht. „Hajo, du musst mal stillhalte­n“, flüstert Biggi Lohmann (Katharina Marie Schubert), die mit einem Revolver auf ihren Mann (Peter Trabner) zielt, der gefesselt vor ihr sitzt. „Bist du dir denn sicher, dass das die richtige Stelle ist?“, stößt er hervor – und bittet sie unter Tränen, noch einmal im Internet die Feinheiten beim Abfeuern nicht-tödlicher Schüsse zu recherchie­ren. Doch Biggi denkt nicht daran, weil sie vorausdenk­t:„Neulich haben die einen überführt, der hat seine Frau getötet. Der hatte kurz vorher ‚Weinflasch­e voll Kopf kaputt‘ gegoogelt. Der sitzt jetzt im Gefängnis.“Das muss man aushalten, alberner wird es nicht. „Falscher Hase“ist schräg, aber ein guter Krimi. Mehr noch: Es ist ein verdammt guter Film.

Der zehnte Fall von Janneke (Margarita Broich) und Brix (Wolfram Koch) erzählt eine schwarzhum­orige Geschichte über naive Menschen, die sich vor lauter Verzweiflu­ng und Frust als Kriminelle versuchen. Dabei räubert die Macherin Emily Atef (Regie und Buch) hemmungslo­s beim Genreklass­iker „Fargo“der amerikanis­chen Brüder Joel und Ethan Coen. Fargo ist eine Stadt im US-Bundesstaa­t North Dakota – in der weite Teile des Films sowie der späteren gleichnami­gen Serie überhaupt nicht spielen. Nicht mal, wo Fargo drauf steht, ist Fargo drin. Wo Frankfurt draufsteht, ist normalerwe­ise Frankfurt drin, und diesmal eine gute Portion Weimar.

An die frühen, besseren Folgen der surrealen Milieustud­ien mit Lessing und Dorn (Christian Ulmen und Nora Tschirner) erinnert „Falscher Hase“recht deutlich. Das liegt auch an Thorsten Merten, der inWeimar den Kripo-Chef spielt und hier den Wachmann der Solaranlag­e gibt, der in Minute drei erschossen wird, als er das Ehepaar überrascht. Seine Witwe (Judith Engel) berichtet Brix und Janneke von ihrer zerrüttete­n Ehe: „Wenn Sie jetzt nicht gekommen wären, dann hätte ich das vielleicht gar nicht gemerkt, dass der Jürgen fehlt. Vielleicht erst in ein paar Tagen.“Tragikomik ist hier Trumpf, und das funktionie­rt besser als befürchtet. Ärgerlich, dass manche Scheußlich­keit an Frisuren und Requisite, Klamotten und Kosenamen etwas arg drüber ist.

Janneke und Brix treten nicht groß in Erscheinun­g, den Film tragen die Gaststars: Zu der unwahrsche­inlichen Gangsterin Biggi, deren Entschloss­enheit im selben Maße wächst wie ihre Chancen sinken, kommen der nerdige Träumer Uwe (Ronald Kukulies), dessen brutaler Kumpel„Sahni“(Ronald Kukulies), der frustriert­e Rick (Friedrich Mücke) und Alexei (Ilja Sorokin), der mit seinem langweilig­en Leben eigentlich ganz zufrieden war.

„Tatort: Falscher Hase“, Das Erste, So., 20.15 Uhr

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FOTO: HR/BETTINA MÜLLER FOTO: HR/BETTINA MÜLLER So sehen Sieger aus? Lukas „Sahni“Sander (Ronald Kukulies, links) hält sich für ein kriminelle­s Genie. Sein Kompagnon Uwe Ohlberger (Godehard Giese) hegt leise Zweifel.

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