Öko ist nicht immer einfach
Drei Wochen versuchte unser Autor, nachhaltiger zu leben. Die Bilanz fällt ernüchternd aus. Dennoch gibt es Hoffnung.
DreiWochen wollten wir klimaneutral leben, doch um ganz offen zu sein: Der Start war miserabel: 617 Kilometer Fahrt mit dem Auto (natürlich mitVerbrennungsmotor) bzw. der Fähre Richtung Dänemark, nur um kurz nach der Ankunft im Ferienhaus von der Familie, die schon etwas länger vor Ort ist, zum Grillen eingeladen zu werden. Es gibt Rindfleisch-Burger vom Holzkohlegrill.
Das schlechte Gewissen ist die einzige Konstante in den vergangenen dreiWochen. Denn immer wieder stießen wir an unsere Grenzen. Laut dem Rechner von „Carbonfootprint.com“verbrauchen wir als dreiköpfiger Haushalt rund 16 Tonnen CO2 im Jahr. Um den Klimawandel wirksam zu bekämpfen, dürften wir laut dem Rechner maximal sechs Tonnen verbrauchen. An diesen Wert sind wir auch in den drei Wochen nicht ansatzweise gekommen, wenn man die Zeit auf ein Jahr hochrechnen würde.
Und um es ganz ehrlich zu sagen: Diesen Wert zu erreichen wäre mit so vielVerzicht verbunden gewesen, dass wir diesen Lebenswandel nicht lange durchhalten würden.
Also muss es anders gehen – denn gleichzeitig ist ja auch klar, dass es so nicht weitergehen kann, wenn wir diesen Planeten für unsere Nachwelt in einem einigermaßen akzeptablen Zustand hinterlassen wollen. Mobilität, Ernährung, Müll, das sind die großen drei Bereiche, an denen wir arbeiten wollten.
Doch dabei gab es ein kleines Problem: Viele Dinge stehen bei uns schon in der Vorratskammer. Wir müssen sie aufbrauchen, bevor wir auf nachhaltigere Produkte ausweichen können – oder sie verschenken, wodurch der Plastikmüll zwar aus unserer Tonne verschwindet, aber dafür irgendwo anders anfällt. „Zero Waste ist kein Zustand, den man innerhalb von einer Woche erreichen kann“, sagt daher auch Stefanie Rassow-Kießling: „Zero Waste ist ein Prozess, bei dem jeder Schritt in die richtige Richtung zählt und ein Erfolg ist.“
Auf ihren Blog bin ich durch Zufall gestoßen. Die fünfköpfige Familie aus Oberbayern hat ihren Müll seit Jahren drastisch reduziert und kommt inzwischen weitestgehend mit einer Restmülltonne mit 40 Liter Fassungsvermögen pro Jahr aus. Auf ihrem Blog erfährt man, wie man mit einfachen Mitteln seinen Müllverbrauch reduzieren kann: Rasierhobel statt Nassrasierer, Gläser statt Plastiktüten, Tintenpatronen auffüllen statt nachkaufen, solche Sachen eben. Sie gibt uns den Tipp: „Kenne deinen Müll.“Wer seinen Müll analysiert, entdecke schnell, welche Baustellen es gibt und wo man ansetzen kann.
Unsere größten Baustellen sind Plastikverpackungen und die Windelberge unserer Tochter. Letztere ließen sich durch Baumwollwindeln ersetzen. Sie merken am Konjunktiv: Wir nutzen weiterhin Einmalwindeln. Vielleicht sind wir egoistisch oder faul, aber wir sind beide berufstätig, und ich habe nicht das Gefühl, dass das Waschen von Baumwollwindeln unser knapp bemessenes Privatleben aufwerten würde.
Beim Plastik sieht es völlig anders aus. Wir haben schon vor diesem „Experiment“zum Einkaufen Taschen und Tüten mitgebracht, in den vergangenen drei Wochen haben wir aber noch stärker darauf geachtet, Plastik-Müll zu vermeiden. Stefanie Rassow-Kießling empfiehlt zum Beispiel, Lebensmittel nicht mit Frischhaltefolie zu verpacken, sondern einfach in einer Schüssel mit Deckel in den Kühlschrank zu stellen. Klingt banal, aber dennoch bemühe ich mich, noch konsequenter darauf zu achten.
Beim Einkauf klappt der Plastikverzicht bei Obst und Gemüse mit ein bisschen Aufwand problemlos, gerade bei Kühlprodukten stießen wir allerdings an Grenzen. Ein Beispiel: Milch haben wir bei einem Bio-Bauernhof in unserer Nähe in einer Glasflasche gekauft, pflanzliche Milch aus Soja oder Hafer gab es hingegen immer nur im Tetra-Pack. Auch Nudeln, Reis oder Müsli sind in den Supermärkten in der Regel immer in Plastik oder zumindest Papier verpackt.
Immerhin: In unserer Nähe laufen momentan die Planungen für zwei Unverpackt-Läden, in denen man Lebensmittel ohne umweltverschmutzende Verpackungen bekommt – und sogar Hygieneartikel wie Toilettenpapier (auch wenn ich gelernt habe, dass man in der „ZeroWaste“-Gesellschaft statt Klopapier mit Wasser säubern sollte). In Wuppertal soll der Laden „Ohne wenn & aber“im Idealfall bereits im November eröffnen, in unserer Heimatstadt Wülfrath läuft gerade eine Kampagne über die Crowdfunding-Seite Startnext. Über solche Plattformen können Privatleute Kapital zum Gelingen von Projekten beisteuern – was wir im Fall vom Wülfrather „Grünkorn unverpackt“-Projekt auch getan haben.
Es gab viele Situationen, in denen ich gerne eine CO2-App auf dem Handy gehabt hätte, eine App, die mir genau sagt, wie gut oder schlecht die Ökobilanz eines Produkts ist. Alternativ hätte mir auch eine entsprechende Kennzeichnung der Produkte geholfen. Ist zum Beispiel die unverpackte Gewächshaus-Tomate aus den Niederlanden ökologischer als die in Plastik verpackte regionale Tomate aus Deutschland?
„Wir versuchen abzuwägen, was sinnvoller ist“, sagt Nicole Kallwies. Sie ist eine weitere Bloggerin, auf die ich bei meinen Recherchen gestoßen bin. Gemeinsam mit ihrer Familie versucht die Frau aus Dormagen seit Anfang des Jahres auf Müll zu verzichten und ökologischer zu leben. Wer ihren Blog Familie-Plastik. de liest, merkt schnell, dass drei Wochen auf keinen Fall ausreichen, um alles auf den Kopf zu stellen, dass es aber nach und nach gelingen kann, viele Dinge zu ändern, ohne sich wirklich einschränken zu müssen: Leitungswasser statt Mineralwasser trinken (machen wir schon), Reinigungsmittel selber machen (will ich mal ausprobieren, wenn die aktuellen Vorräte leer sind) und statt Flüssigseife und Duschgel Seife am Stück kaufen (landet im Einkaufswagen, sobald wieder neu eingekauft wird).
Manchmal, ist Nicole Kallwies überzeugt, müsse man aber auch pragmatisch sein: „Die Kinder sind nicht bereit, ganz auf ihre geliebten Gummibärchen zu verzichten“, beschreibt sie die Situation ihrer fünfköpfigen Familie: „Da es uns sehr wichtig ist, sie im Boot zu haben, kaufen wir ab und zu eine Tüte, aber nie diese Haribo-Tüten, die nochmal kleinere Tütchen enthalten.“
Pragmatisch – so habe ich auch meine größte persönliche Klima-Baustelle gelöst. Denn ich fahre als Berufspendler sehr viel Auto, der Umstieg auf Bus und Bahn ist leider mit sehr viel Aufwand verbunden. Bis sich daran etwas ändert, halte ich am Auto fest. Die 3000 Kilogramm CO2, die ich dadurch jedes Jahr emittiere, habe ich einfach mit Hilfe einer Geldzahlung über das Portal Atmosfair kompensiert. Vielleicht ist das eine Form des modernen Ablasshandels. Aber danach ging es mir trotzdem besser.