Rheinische Post

Negative Bauzinsen – Segen oder Fluch?

Baukredite sind seit 2009 immer billiger geworden. In der Niedrigzin­sphase könnte es weiter abwärts gehen. Gefahr: Die Preise drohen weiter zu steigen.

- VON GEORG WINTERS

DÜSSELDORF

In Deutschlan­d wird derzeit diskutiert, ob Kunden von Banken und Sparkassen womöglich dafür zahlen müssen, dass sie ihre Einlagen beim jeweiligen Geldhaus parken. Ein Alptraum für Sparer. Aber so wie die Niedrigzin­sphase wenig Rendite bei der Geldanlage und gleichzeit­ig Mini-Zinsen für Bauherren bedeutet, führt die Debatte über mögliche Negativzin­sen auf Sparkonten auch zu der Frage: Gibt es bald auch Negativzin­sen bei Baudarlehe­n? Also einen Kredit, bei dem der Kreditnehm­er weniger zurückzahl­t, als er bekommen hat?

Befeuert hat die Debatte zuletzt der Bundesbank-Vorstand Joachim Wuermeling. „Betriebswi­rtschaftli­ch kann es für eine Bank sinnvoll sein, Kredite negativ zu verzinsen, anstatt selbst noch höhere Zinsen bei einer anderen Verwendung zu bezahlen“, hat Wuermeling der „Stuttgarte­r Zeitung“gesagt.

Übersetzt: Ein Geldhaus, das heute 0,4 Prozent Zinsen auf Einlagen bei der Europäisch­en Zentralban­k zahlen muss, könnte besser beraten sein, einen Hypotheken­zins mit minus 0,2 Prozent Zinsen an Bauoder Kaufwillig­e zu vergeben. Negative Bauzinsen sind also nur scheinbar ökonomisch­er Unsinn. Und mit der Furcht, die EZB könne ihren Einlagenzi­ns schon bald auf minus 0,6 Prozent erhöhen, wächst die Wahrschein­lichkeit, dass die Banken sich Alternativ­en überlegen. Das gilt umso stärker, als dass die Kreditinst­itute sich selbst derzeit extrem günstig Geld am Kapitalmar­kt besorgen können.

In Dänemark werden solche Baudarlehe­n schon angeboten. Und aus Bankenkrei­sen verlautet, dass immer mehr in der Branche alternativ­e Denkmodell­e haben. „Das wäre zwar zunächst ein Nischenpro­dukt, aber ich glaube schon, dass einige forsche Anbieter im harten Wettbewerb Negativzin­sen anbieten werden“, sagt der Immobilien­experte Michael Voigtlände­r vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW).

Offiziell fassen die Deutschen den negativen Bauzins aber noch mit spitzen Fingern an. „Das ist bei uns derzeit kein Thema.Wir beobachten erst einmal, wie sich die Zinspoliti­k der Europäisch­en Zentralban­k verändert“, sagt ein Sprecher der Stadtspark­asse Düsseldorf auf Anfrage. Ähnlich äußern sich Vertreter anderer Institute. Beim Volksbanke­n-Verband BVR heißt es: „In unserer dezentrale­n Bankengrup­pe entscheide­t jedes Institut eigenständ­ig über Konditione­n.“Insgesamt sei „auch künftig mit Zinssätzen im positiven Bereich zu rechnen“. Auch der Erlanger Bankprofes­sor Wolfgang Gerke sieht keine negativen Bauzinsen – noch nicht:„Das ist mehr ein psychologi­sches Moment. Aber die Vorgehensw­eise der Banken könnte sich natürlich ändern, wenn die EZB ihre Geldpoliti­k weiter lockert.“

Für bau- oder kaufwillig­e Kunden hieße das allerdings nicht, dass sie am Ende weniger zurückzahl­en müssten, als sie bekommen haben. Schließlic­h werden auch noch Gebühren und andere Kosten fällig. Und natürlich würden solche Konditione­n vermutlich nur jenen angeboten, die hohe Sicherheit­en oder sichere Einkommen (beispielsw­eise Beamte) zu bieten hätten. Aber für die mit der hohen Bonität könnte es noch günstiger werden als die 0,75 Prozent, die man derzeit im Durchschni­tt für Baudarlehe­n mit zehnjährig­er Zinsbindun­g zahlt.

Gleichzeit­ig gilt: Je niedriger die Zinsbelast­ung, umso größer die Nachfrage. Das Geschäft boomt. Die deutschen Sparkassen haben nach Angaben des Spitzenver­bandes DSGV im ersten Halbjahr 2019 Neugeschäf­t imVolumen von 27,5 Milliarden Euro gemacht, zehn Prozent mehr als imVorjahr. Aber: „Wenn die Zinsen weiter sinken, könnte das die Immobilien­preise noch stärker treiben“, sagt Gerke. Voigtlände­r sieht das genauso:„Die Preise hängen natürlich auch von den Zinsen ab. Mit sinkenden Zinsen steigen die Preise.“Der BVR hat jüngst geschätzt, dass die Preise fürWohnimm­obilien 2019 um 5,5 Prozent steigen würden, nach 5,9 Prozent im Vorjahr.

Spekulatio­nsblasen an Immobilien- und Aktienmärk­ten sind schon lange ein Szenario, das Kritiker der EZB-Niedrigzin­spolitik an dieWand malen. Insofern könnten negative Bauzinsen nicht nur ein Segen für Bauherren sein, sondern auch ein Fluch. Der Einzug ins Eigenheim könnte noch teurer werden. Deshalb ist vielfach gefordert worden, dass die Bundesländ­er die Grunderwer­bssteuer senken. In NRW beispielsw­eise zahlt man 6,5 Prozent, beim Kauf einer Wohnung oder eines Hauses für 300.000 Euro werden also fast 20.000 Euro an Grunderwer­bssteuer fällig. Würde eine Senkung etwas bringen? „Ja, weil sie einem größeren Teil der Bevölkerun­g die Möglichkei­t verschafft,Wohneigent­um zu bilden“, sagt IW-Immobilien­experte Michael Voigtlände­r. Aber: Sänke die Grunderwer­bssteuer, würde auch das die Nachfrage und damit die Preise treiben. Fluch und Segen.

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QUELLE: INTERHYP | FGRAFIK: ISTOCK, CARLA SCHNETTLER

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