Negative Bauzinsen – Segen oder Fluch?
Baukredite sind seit 2009 immer billiger geworden. In der Niedrigzinsphase könnte es weiter abwärts gehen. Gefahr: Die Preise drohen weiter zu steigen.
DÜSSELDORF
In Deutschland wird derzeit diskutiert, ob Kunden von Banken und Sparkassen womöglich dafür zahlen müssen, dass sie ihre Einlagen beim jeweiligen Geldhaus parken. Ein Alptraum für Sparer. Aber so wie die Niedrigzinsphase wenig Rendite bei der Geldanlage und gleichzeitig Mini-Zinsen für Bauherren bedeutet, führt die Debatte über mögliche Negativzinsen auf Sparkonten auch zu der Frage: Gibt es bald auch Negativzinsen bei Baudarlehen? Also einen Kredit, bei dem der Kreditnehmer weniger zurückzahlt, als er bekommen hat?
Befeuert hat die Debatte zuletzt der Bundesbank-Vorstand Joachim Wuermeling. „Betriebswirtschaftlich kann es für eine Bank sinnvoll sein, Kredite negativ zu verzinsen, anstatt selbst noch höhere Zinsen bei einer anderen Verwendung zu bezahlen“, hat Wuermeling der „Stuttgarter Zeitung“gesagt.
Übersetzt: Ein Geldhaus, das heute 0,4 Prozent Zinsen auf Einlagen bei der Europäischen Zentralbank zahlen muss, könnte besser beraten sein, einen Hypothekenzins mit minus 0,2 Prozent Zinsen an Bauoder Kaufwillige zu vergeben. Negative Bauzinsen sind also nur scheinbar ökonomischer Unsinn. Und mit der Furcht, die EZB könne ihren Einlagenzins schon bald auf minus 0,6 Prozent erhöhen, wächst die Wahrscheinlichkeit, dass die Banken sich Alternativen überlegen. Das gilt umso stärker, als dass die Kreditinstitute sich selbst derzeit extrem günstig Geld am Kapitalmarkt besorgen können.
In Dänemark werden solche Baudarlehen schon angeboten. Und aus Bankenkreisen verlautet, dass immer mehr in der Branche alternative Denkmodelle haben. „Das wäre zwar zunächst ein Nischenprodukt, aber ich glaube schon, dass einige forsche Anbieter im harten Wettbewerb Negativzinsen anbieten werden“, sagt der Immobilienexperte Michael Voigtländer vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW).
Offiziell fassen die Deutschen den negativen Bauzins aber noch mit spitzen Fingern an. „Das ist bei uns derzeit kein Thema.Wir beobachten erst einmal, wie sich die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank verändert“, sagt ein Sprecher der Stadtsparkasse Düsseldorf auf Anfrage. Ähnlich äußern sich Vertreter anderer Institute. Beim Volksbanken-Verband BVR heißt es: „In unserer dezentralen Bankengruppe entscheidet jedes Institut eigenständig über Konditionen.“Insgesamt sei „auch künftig mit Zinssätzen im positiven Bereich zu rechnen“. Auch der Erlanger Bankprofessor Wolfgang Gerke sieht keine negativen Bauzinsen – noch nicht:„Das ist mehr ein psychologisches Moment. Aber die Vorgehensweise der Banken könnte sich natürlich ändern, wenn die EZB ihre Geldpolitik weiter lockert.“
Für bau- oder kaufwillige Kunden hieße das allerdings nicht, dass sie am Ende weniger zurückzahlen müssten, als sie bekommen haben. Schließlich werden auch noch Gebühren und andere Kosten fällig. Und natürlich würden solche Konditionen vermutlich nur jenen angeboten, die hohe Sicherheiten oder sichere Einkommen (beispielsweise Beamte) zu bieten hätten. Aber für die mit der hohen Bonität könnte es noch günstiger werden als die 0,75 Prozent, die man derzeit im Durchschnitt für Baudarlehen mit zehnjähriger Zinsbindung zahlt.
Gleichzeitig gilt: Je niedriger die Zinsbelastung, umso größer die Nachfrage. Das Geschäft boomt. Die deutschen Sparkassen haben nach Angaben des Spitzenverbandes DSGV im ersten Halbjahr 2019 Neugeschäft imVolumen von 27,5 Milliarden Euro gemacht, zehn Prozent mehr als imVorjahr. Aber: „Wenn die Zinsen weiter sinken, könnte das die Immobilienpreise noch stärker treiben“, sagt Gerke. Voigtländer sieht das genauso:„Die Preise hängen natürlich auch von den Zinsen ab. Mit sinkenden Zinsen steigen die Preise.“Der BVR hat jüngst geschätzt, dass die Preise fürWohnimmobilien 2019 um 5,5 Prozent steigen würden, nach 5,9 Prozent im Vorjahr.
Spekulationsblasen an Immobilien- und Aktienmärkten sind schon lange ein Szenario, das Kritiker der EZB-Niedrigzinspolitik an dieWand malen. Insofern könnten negative Bauzinsen nicht nur ein Segen für Bauherren sein, sondern auch ein Fluch. Der Einzug ins Eigenheim könnte noch teurer werden. Deshalb ist vielfach gefordert worden, dass die Bundesländer die Grunderwerbssteuer senken. In NRW beispielsweise zahlt man 6,5 Prozent, beim Kauf einer Wohnung oder eines Hauses für 300.000 Euro werden also fast 20.000 Euro an Grunderwerbssteuer fällig. Würde eine Senkung etwas bringen? „Ja, weil sie einem größeren Teil der Bevölkerung die Möglichkeit verschafft,Wohneigentum zu bilden“, sagt IW-Immobilienexperte Michael Voigtländer. Aber: Sänke die Grunderwerbssteuer, würde auch das die Nachfrage und damit die Preise treiben. Fluch und Segen.