Widerstand gegen Boris Johnson
Hunderttausende Briten gingen unter dem Motto „Stoppt den Putsch“auf die Straßen.
LONDON In mehr als 30 britischen Städten fanden am Wochenende Demonstrationen gegen die Pläne von Premierminister Boris Johnson statt, das Parlament zu suspendieren. Die von oben verordnete Zwangspause soll das Unterhaus davon abhalten, den von Johnson angestrebten Brexit am 31. Oktober verhindern zu können. Seine Gegner sehen im Manöver des Premierministers einen Verfassungsbruch.
Sie haben Angst vor den chaotischen Konsequenzen, wenn Großbritannien Ende Oktober ohne Austrittsregelung die EU verlassen sollte. Unter dem Motto„Stoppt den Putsch“gingen daher Hunderttausende Briten auf die Straße.Vor dem Amtssitz des Premierministers skandierten Demonstranten „Schäm dich, Boris Johnson“. Im schottischen Edinburgh riefen die Bürger „Hände weg von unserer Demokratie“. Selbst in Städtchen wie Clitheroe oder Lerwick protestierten sie gegen die Ausschaltung des Parlaments. Der Labour-Chef und Oppositionsführer Jeremy Corbyn rief in Glasgow dazu auf, alles zu unternehmen, um einen No-Deal-Brexit zu verhindern.
Die Proteste sollen in den nächsten Tagen weitergehen, versprach Michael Chessum von der Graswurzel-Organisation Momentum. Er hat zu zivilem Ungehorsam aufgerufen, will Brücken blockieren und „die Straßen dichtmachen“. Eine Petition gegen die Suspendierung hat mittlerweile mehr als 1,6 Millionen Unterzeichner gefunden.
Doch mehr Erfolg dürfte eine parteiübergreifende Aktion von Unterhausabgeordneten versprechen. Eine Allianz aus Oppositionsparteien und rebellischen Angehörigen der konservativen Regierungsfraktion hat sich gebildet. Man will am Dienstag, wenn das Parlament aus der Sommerpause zurückkehrt, eine Initiative starten, die auf gesetzlichem Weg einen No Deal am 31. Oktober ausschließen soll.
Die Zeit ist knapp. Bis zur Suspendierung des Parlaments hat man maximal ein knappes halbes Dutzend Sitzungstage, wenn auch am kommenden Wochenende getagt wird. In dieser Zeit müssen die Rebellen zuerst die Geschäftsordnung aussetzen, dann ein Gesetz vorschlagen und es danach durch alle parlamentarischen Lesungen bringen, bevor es schließlich der zweiten Kammer, dem Oberhaus, vorgelegt werden kann. Der genaue Gesetzestext soll am Dienstag veröffentlicht werden, dürfte aber darauf hinauslaufen, dass der Premierminister angewiesen wird, in Brüssel um eine mehrmonatige Fristverlängerung zu bitten. Ein ähnliches Gesetz wurde schon im März erfolgreich durchgesetzt. Das gibt der Opposition Hoffnung, dass auch diesmal die notwendigen Mehrheiten zusammenkommen.
Boris Johnson verdammte am Sonntag die Bestrebungen, einen No Deal zu verhindern, als „undemokratisch“. In einem Interview mit der „Sunday Times“erklärte er, dass sie es ihm „unmöglich“machen würden, einen Deal mit Brüssel zu bekommen. Seine Argumentation: Wenn die EU darauf zählen kann, dass das Parlament einen No Deal verhindert, wird sie niemals einlenken.