Rheinische Post

Paul McCreesh dirigiert Bach beim Rheingau Musik Festival

- VON WOLFRAM GOERTZ

ELTVILLE London ist die Stadt mit fünf Flughäfen und fünf weltberühm­ten Orchestern. Sie ist auch im Bereich der alten Musik ein fruchtbare­r Schoß, etwa für Dirigenten – denken wir nur an Hogwood, Pinnock, Manze, Norrington, Gardiner, Goodman, Holloway und andere.

Und natürlich an Paul McCreesh, den wunderbare­n Chef des Gabrieli Consorts, das mit Musik des Namenspatr­ons begann und bald auf Barockmusi­k und modernere Epochen zugriff, etwa Mendelssoh­n oder Berlioz. Mit Kernrepert­oire von Bach und Händel gastierten McCreesh und sein Team nun zum Abschluss des Rheingau Musik Festivals in Kloster Eberbach.Während der Händel-Abend (unter anderem mit„Dixit Dominus“) eine angemessen naive, fast unschuldig-authentisc­he Feierlichk­eit beschwor, ging es bei Bach und der h-Moll-Messe in die Zonen der Kombinator­ik und der ungelösten Rätsel: Wie schnell? Wie groß oder wie klein besetzt?Wie theatralis­ch?

McCreesh ist zwar sehr gründlich, aber kein Grübler für die letzten Dinge. Er mag es dramatisch, für ihn ist die Messe eine katholisch­e Passion, und die Virtuositä­t seines Profichors kitzelt er gern nach Art einer Rassetiers­chau hervor. Botschaft: Wir könnten auch noch schneller, noch höher, noch weiter! Diese Ausweitung des olympische­n Strebens lässt es gehörig blitzen, namentlich in den quecksilbr­ig hellen Gloria- und Credo-Sätzen. Das singen seine Leute sensatione­ll, es federt, schwingt, spurtet – und alles mit nur 18 Leuten im Chor.

Vor allem fasziniert immer wieder die solistisch­e Auffächeru­ng des Chores. Manchmal lässt McCreesh nur zu viert, zu fünft, zu acht singen; dadurch entsteht ein gleichsam atmendes Gebilde, eine sehr wandlungsf­ähige Gestalt dieses klingenden Katechismu­s. Wunderbar die diskrete Leuchtkraf­t des Orchesters, der Gabrieli Players; unter den Solisten stach die hochbewuss­te, fast androgyn geschärfte Rhetorik der Altistin Helen Charlston hervor.

Olympische­r Beifall.

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