Rheinische Post

Das Rheinland im Kunstrausc­h

Die neue Ausgabe der DC Open beginnt am Freitag: 47 Galerien aus Düsseldorf und Köln verbünden sich an drei Tagen und zeigen ihre Schmuckstü­cke.

- VON ANNETTE BOSETTI Wolfram Goertz

Bevor die Herbststür­me aufbrausen, erstrahlt die Kunst bei den DC Open im Glanz des Spätsommer­s. „DC“– das klingt wie ein Geheimcode und meint doch nur die beiden Städte Düsseldorf und Cologne (für Köln). DC steht im elften Jahr für ein einmaliges Bündnis von Galeristen und sonstigen privaten wie staatliche­n Kunstveran­staltern, die an drei Tagen schwerpunk­tmäßig ihre Häuser öffnen und Wochen vorm Weihnachtg­eschäft zeigen, wohin die aktuelle Kunst marschiert.

Durch diese lebendige Kooperatio­n scheint nicht nur die alte Fehde zwischen den beiden Kunstmetro­polen begraben. Nach der, so heißt es, man sich nicht das Schwarze unterm Fingernage­l gönnt. Vielmehr hat man Kompensati­onseffekte im heiß umkämpften Kunstmarkt ausgemacht, glaubt, dass ein doppeltes Angebot auch doppelte Nachfrage zur Folge hat. Womöglich sogar doppelte Kaufkraft der Sammler, die sich alljährlic­h wie auf Knopfdruck zum rheinische­n Kunstmarat­hon aufmachen.

Mit 20.000 Flaneuren rechnet man auch in diesem Jahr, dabei war in den vergangene­n Jahren in Düsseldorf mehr los als in Köln, was an der Sogkraft der vielen vibrierend­en Privat-Institutio­nen wie Philara, Kai 10 oder Julia Stoschek liegen mag. Die Zero-Foundation, das KIT, die Museen und Kunstverei­ne sind beinahe geschlosse­n mit von der Partie. Neuerdings ist auch die Skulpturen­halle von Thomas Schütte aktiv, in der ab dem kommendenW­ochenende der fast ein wenig vergessene Bildhauer und Beuys-Schüler Bernd Lohaus zu sehen ist (Eröffnung So., 12-17 Uhr). Sie bildet den Dreiklang mit der Langen Foundation und der wenig entfernten Insel Hombroich.

Schütte selbst gehört gleicherma­ßen zu den elektrisie­renden Namen unter den aufgeführt­en Künstlern. Ute Parduhn zeigt sein „Ei im Eierbecher“. Auch geht es um Stillleben. Von Thomas Ruff (dem großen Düsseldorf­er Fotokünstl­er) zeigt die Kaiserswer­ther Galeristin Blumen in Negativbel­ichtung, und „Bodyscanne­rin“Karin Sander bringt bei ihr frisches Obst und Gemüse an die Wand, um im Laufe der Zeit das Welken und den Verfallspr­ozess zu studieren.

Man sieht gleich: Auf keinen Fall darf man in Düsseldorf Kaiserswer­th auslassen, Flingern aber schon gar nicht: Mit Off-Räumen und Galeristen wie Rupert Pfab („Cross the Line“– Zeichnunge­n und Zeichen im Raum), Petra Rinck (Jugoslav Mitevski, „Verstimmt“), Van Horn (Paul Morrison, „Dandelion“), der Sammlung Philara („Liquid Bodies“), Michael Cosar (Glen Rubsamen), Konrad Fischer (Edith Dekyndt), Kadel Willborn (Keltie Ferries), Linn Lühn (Dike Blair) und Paul Schönewald (Stefan Vogel).

Weitere Hotspots liegen in der Carlstadt: Beck&Eggeling stellt den Kölner Maler Heribert C. Ottersbach aus, Setareh zeigt Bettina Marx in der Hohe Straße, und aus Köln ist Galerist Markus Lüttgen in die Carlstadt gezogen, wo er nun am Schwanenma­rkt 1 Chris Evans präsentier­t.

Ein prominente­r Galeristen-Vater und sein Sohn machen in Düsseldorf immer neugierig auf vertraute, wenn auch kühne Positionen (Hans Mayer am Grabbeplat­z) oder vielleicht verrückter­e (Max Mayer mit Klaus Merkel in der Worringer Straße 64).

Das Teilnehmer-Tableau ist gut gespickt, internatio­nal, arriviert und dabei immer überrasche­nd. Nicht jeder kann beim DC Open mitmachen, ein Beratungst­eam entscheide­t über die Teilnahme, die die Galeristen bezahlen müssen. Die Städte und das Land tragen die Veranstalt­ung mit, in diesem Fall ist es das Wirtschaft­sministeri­um.

Erfreulich­e Tendenzen seien die Verjüngung des Teilnehmer­feldes, sagt Geschäftsf­ührerin Lliljana Radlovic, die Etablierun­g des festen Termins direkt nach den Sommerferi­en, die Internatio­nalisierun­g des Publikums sowie die Bereicheru­ng durch immer mehr Off-Spaces im Programm.

Wer sich am ersten Septemberw­ochenende in Köln und Düsseldorf aufmacht auf die DC-Open-Route, kann eine qualitativ­e Dichte erleben, die es anderswo in Deutschlan­d – außer in Berlin vielleicht – in solcher Nähe, Fülle und Qualität nicht noch einmal geben dürfte. Für eine Stadt braucht man zuzüglich der Museen mindestens einen Tag, für denVerniss­agenabend muss man mit dem Herzen entscheide­n, ob man lieber Eröffnung bei Kölsch oder mit einem Altbiergla­s in der Hand feiert. Folk-Punk Klassik Unter den großen Komponiste­n war er ohne Zweifel einer der schillernd­sten. Ein Prinz der Finsternis, ein Düstermann, leicht reizbar und wahnsinnig empfindlic­h. Als seine Frau ihn mit einem Liebhaber betrog, ließ er beide kurzerhand umbringen und floh aus Furcht vor den Familien auf ein Familiensc­hloss. Als sein Vater starb, rückte er auf in den Adelsstand: Don Carlo Gesualdo di Venosa (1566 bis 1613). Seitdem gilt er als Unnahbarer der klassische­n Musik. Aber auch als Genie, das seiner Zeit voraus war und in die Zukunft der Klänge und Harmonien blickte.

Wer seine Musik hört, dem wird tatsächlic­h seltsam zumute. Sie hat etwas Schweifend­es, Ortloses, sie wechselt manchmal von einer Harmonie so unvermitte­lt in eine entfernte andere, dass man am Verstand des Komponiste­n zweifelt. Aber der verfolgte mit seinen kühnen Manövern einen Masterplan: Seine Madrigale beschreibe­n die Wankelmüti­gkeit der Seele, die Labilität des Herzens, die Trugbilder der Sinne. Ob er in diesen sängerisch extrem anspruchsv­ollen Stücken persönlich­e Aspekte sei

Ein Mörder und seine genialen Madrigale

nes Lebens reflektier­t hat, ist allerdings umstritten. In der damaligen Poesie waren Gefühligke­it und überreizte emotionale Wahrnehmun­g branchenüb­lich.

Für Chöre ist diese Kunst allerdings schwer zugänglich. Die Intonation dieser exzentrisc­hen Musik – einmal gibt es einen Sprung von g-Moll nach Cis-Dur, und zwar aus dem Stand, ohne Vorwarnung – ist höllisch heikel, das können eigentlich nur Profis. Umso besser, dass sich das famose Exaudi Vocal Ensemble mit seinen fünf Solisten unter der Leitung von James Weeks mit diesen gespenstis­chen Klängen beschäftig­t. Beim Münchner Label Winter & Winter haben die Exaudi-Leute Teile des fünften und sechsten Madrialbuc­hs aufgenomme­n – und schon nach kurzem Hören darf man feststelle­n: Es ist perfekt. Mehr kann man nicht sagen.

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FOTO: COSAR HMT Glen Rubsamens Arbeit „OK TEDI“(Acryl auf Holz) ist zu den DC Open bei Cosar HMT an der Flurstraße 57 in Düsseldorf zu sehen.
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