Half Seniorin beim Pflegebetrug?
Eine 74-Jährige soll erfundene Leistungen eines Pflegedienstes quittiert haben.
(wuk) Mit einer 74-jährigen Pflegepatientin muss sich das Amtsgericht am morgigen Dienstag ab 10 Uhr befassen. Der Rentnerin wird Betrug in 17 Fällen vorgeworfen, weil sie einem ambulanten Pflegedienst reihenweise Blanko-Bestätigungen für Pflegeleistungen unterschrieben habe, obwohl es diese Leistungen angeblich nie gab. Die Anklage nennt einen Schaden von mehr als 5000 Euro. Nach einem Mammutprozess beim Landgericht gegen neun Mitglieder einer betrügerischen Pflegemafia, die Anfang 2018 zu teils langjährigen Haftstrafen verurteilt wurden, steht damit jetzt der erste Prozess gegen eine der Kundinnen von damals an.
Meist russische Patienten hatten zwischen 2008 und 2016 am millionenschweren Betrugssystem der verurteilten Pflegemafia mitgewirkt. Und es waren die ärmsten und schwächsten Kunden, die damals ausgenutzt wurden, darunter angeblich auch die 74-Jährige. Ihr hatte die Krankenkasse eine ambulante Pflegehilfe zugebilligt für das tägliche An- und Ausziehen ihrer Kompressionsstrümpfe.
Laut Pflegeprotokollen ist das auch gewissenhaft so ausgeführt worden – 17 Monate lang, auch an Wochenenden. Erst später kam bei Ermittlungen gegen das weit verzweigte Betrugsnetz der neun Schwindler heraus: Auch bei der 74-Jährigen hat es solche An- und Ausziehhilfen nie gegeben – obwohl die Frau schriftlich die korrekte Ausführung dieser Leistungen bestätigt hatte. Durch die meist blanko unterschriebenen Protokolle konnte die Pflegemafia allein in diesem Fall 5200 Euro zu Unrecht bei der Krankenkasse abrechnen. Im Urteil gegen die Drahtzieher des Systems ging das Landgericht 2018 von mehr als hundert vergleichbaren Betrugsfällen aus mit einem Gesamtschaden von 8,5 Millionen Euro. Im Gegenzug für die falschen Bestätigungen hatten sie den Pflegebedürftigen kleine Geldbeträge in bar zugesteckt oder Gratisfahrten zu Ärzten und anderen Terminen spendiert.
Gegen einen Strafbefehl über 300 Euro wegen Betruges hatte die 74-Jährige allerdings Einspruch eingelegt, über den nun verhandelt wird.