Kleine literarische Weltreise am Rande der Zeltstadt
Unterm Zeltdach sind gelbe Campingstühle auf dem Rasen platziert. Er ist gesprenkelt mit braunen Erdflecken. Der Wind säuselt, im Hintergrund dröhnt eine unverständliche Stimme durch einen Lautsprecher. Man fühlt sich ein wenig abgeschottet hier am Rande des Campfire-Festivals vor dem Landtag, aber trotzdem füllen sich allmählich die Sitze, während Sofia Magdits neben dem Tisch vorne ein melancholisches Stück auf dem Saxophon spielt.
Sofia Magdits ist nicht bloß Musikerin, sondern auch Schreiberin im Writers’ Room – so wie die anderen Autoren des Tages. Für diese Schriftsteller ist Deutschland die zweite Heimat, sie sind mit Persisch, Türkisch oder Arabisch aufgewachsen. Für diese Veranstaltung schrieben sie übers Grundgesetz.
Yasemin Doganbey aus der Türkei nahm sich des Artikels 5 in einem Essay an. Sie war Augenzeugin, wie nach dem Putschversuch 2015 Journalisten verfolgt und in die Schatten getrieben wurden. Seit 2016 lebt sie in Deutschland.„Ich fühle mich hier frei“, sagt sie und wünscht sich, dass es so bleibt.
Salah Ngab ließ in seinem Gedicht „Artikel 11: Der Ausweg“seinen Vater zu Wort kommen, der ihn in Libyen warnt: „Du gehörst nicht zu diesem Land. Du musst weg“. Seine Worte rühren, sind prägnant, obwohl Deutsch seine Zweitsprache ist. Nur einmal kommt er beim Vorlesen ins Holpern, „Miteo..“, Maren Jungclaus, Leiterin des Literaturbüros NRW, sagt ein: „Meteorit!“. Er bedankt sich und gibt das Wort zurück an seinen Vater, der ihm sagt, „Das Universum, mein Sohn, besitzt keinen Pass“.
Rührend ist auch die Erzählung von Samer Al Najjar, der seit fünf Jahren Deutsch spricht und die Sprache nun studiert. In „Artikel 8: Eine Geschichte zum Syrienkrieg.“erzählt er, wie aus einem „friedlichen Protest ein Völkermord wurde“. Freunde verschwanden, und niemand wollte sie mehr gekannt haben.„Klar, Angst mach alles möglich,“erzählt er. Man hört die Wut in seiner Stimme, während er sich erinnert, wie der Tod zur Alltäglichkeit wurde.
Die Texte erinnern nicht nur an die Zerbrechlichkeit unserer Rechte, sondern auch an die Wichtigkeit der Stimmen, die andere Blicke auf die Welt herantragen. Daher gibt es im Anschluss eine entspanntere Veranstaltung, in der Writers’-Room-Mitglieder Bücher aus ihren Muttersprachen vorstellen, die sie für literarisch wichtig halten. Nicht alle davon sind bisher ins Deutsche übersetzt. Dazu sagte Maren Jungclaus: „Es ist schade, wie wenige ausländische Klassiker in Deutschland bekannt sind.“