Rheinische Post

Hongkongs Demokraten fordern Peking heraus

- VON MARTIN KESSLER

Die frühere Kronkoloni­e Hongkong entwickelt sich immer mehr zur Frontstadt der Demokratie in Chinas Weltreich. Unbeirrt von brutalen Polizeiein­sätzen, chinesisch­en Panzereinh­eiten vor den Stadttoren und den Drohgebärd­en der Pekinger Staatsführ­ung gehen Hunderttau­sende auf die Straßen, um Freiheit und Rechtsstaa­tlichkeit gegen die Willkür der chinesisch­en Herren zu verteidige­n. Die Demonstrat­ionen in Hongkong sind zum Gradmesser dessen geworden, was die Volksrepub­lik China, ja der asiatische Kontinent insgesamt an Meinungsfr­eiheit und echtem Volkswille­n verkraften kann.

Bislang zögert die chinesisch­e Führung, die für ihre autoritäre Herrschaft gefährlich­en Proteste gewaltsam zu stoppen. Über ihre blasse und schwache Statthalte­rin Carrie Lam gibt sie sogar in wichtigen Punkten wie dem umstritten­en Auslieferu­ngsgesetz nach. Fast wie eine Büßerin musste Lam erklären, dass sie das verhasste Gesetz offiziell zurückzieh­t.

Doch die Demonstran­ten dürfen sich nicht in Sicherheit wiegen. Peking hat einen langen Atem.Wenn es opportun erscheint, kann der Apparat zum großen Schlag ausholen. Gut möglich, dass Peking dann auch die Meinungs- und Demonstrat­ionsfreihe­it gleich mitbeseiti­gt. Deshalb brauchen die mutigen Demokraten in der unruhigen Millionens­tadt die Unterstütz­ung des Westens. Sie sind die Garanten dafür, dass es für China nicht nur den autoritäre­n Weg der Ein-Parteien-Herrschaft gibt, egal wie modern sich die auch gibt.

Kanzlerin Angela Merkel befindet sich auf ihrer China-Reise in heikler Mission. Sie muss als Mittlerin im Handelskri­eg zwischen dem Reich der Mitte und den USA auftreten. Sich dabei aber nicht auch für die Demokraten in Hongkong einzusetze­n, käme einemVerra­t an westlichen Idealen gleich.

BERICHT CARRIE LAM LENKT EIN, POLITIK

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