Im Circus Maximus der SPD
Bei der ersten von 23 Regionalkonferenzen haben 17 Kandidaten für den SPD-Vorsitz gekämpft und wirkten von sich überzeugt.
SAARBRÜCKEN Michael Zeiger sitzt entspannt auf seinem Stuhl im großen Saal der Saarbrücker Kongresshalle. Der 46-Jährige hat seinen Vater Paul-Gerhard Zeiger mitgebracht. Seit fast 60 Jahren ist der Genosse. So ein Auswahlverfahren hat es für den Parteivorsitz noch nicht gegeben.
Rund 500 Zuschauer sind an diesem Mittwochabend zur ersten von 23 Regionalkonferenzen gekommen, 100 Journalisten sind ebenfalls da. Sie wollen wissen, wer von den 17 Kandidatinnen und Kandidaten sich am besten schlägt. Für Michael Zeiger und seinen Vater sind die Favoriten Bundesfinanzminister Olaf Scholz und seine Mitbewerberin Klara Geywitz aus Brandenburg. Scholz trauen die Zeigers das Amt am ehesten zu, der könne das, sind sie überzeugt. Wenige Reihen weiter sitzen Alessa Adam und Christian Ruppenthal. Die Mittzwanziger aus Neunkirchen im Saarland schließen eins aus: Olaf Scholz zu wählen. Der sei viel zu sehr Establishment.
Eine Stunde lang präsentieren sich die Kandidatinnen und Kandidaten in einer Vorstellungsrunde, jedes Team hat nur fünf Minuten Zeit, das genügt nur für ein paar möglichst klare Hauptsätze. Der frühere NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans und seine Mitbewerberin Saskia Esken haben den Anfang zugelost bekommen. Sie stellen sich gegenseitig vor, „Nowabo“, wie der Mann mit dem Steuer-CD-Erfolg überall genannt wird, ist beliebt. Das ist im Saal zu spüren, das Team bekommt viel Applaus. Steuergerechtigkeit, Digitalisierung, das sind ihre Schwerpunkte. Saskia Esken ist Informatikerin und gegen Uploadfilter, was vor allem bei jungen SPD-Mitgliedern zieht. Doch es dauert noch etwa eine halbe Stunde, bis die beiden eine Überraschung erleben. Simone Lange und Alexander Ahrens, Oberbürgermeister aus Flensburg und Bautzen, ziehen ihre Kandidatur zurück. Sie wollen „Nowabo“und Esken unterstützen lassen.
Damit werdenWalter-Borjans und Esken zu ernstzunehmender Konkurrenz für das Team Scholz und Geywitz. Die betonen in ihrer Vorstellungsrunde ihre Bodenständigkeit. Vor allem Scholz tut das. Er könne es nicht ausstehen, wenn einige Leute sich als etwas Besseres fühlten. Jeder sei gleich viel wert. Er sei Rechtsanwalt von Beruf, nicht Finanzminister. Und dann zitiert Scholz, der lange Erster Bürgermeister Hamburgs war, noch den von dort stammenden Ex-Kanzler Helmut Schmidt: Der Sozialstaat sei neben der Demokratie die beste Erfindung und er müsse in Zeiten der Globalisierung verteidigt werden. Er stößt damit auf Zustimmung im Saal.
Den meisten Applaus aber können Gesine Schwan und Ralf Stegner einheimsen. Sie wirken angriffslustig, frisch, auch wenn sie alles andere als Neulinge sind. Die 76-jährige Professorin im Ruhestand und der 59 Jahre alte SPD-Vize sprechen vielen Gästen der Regionalkonferenz aus dem Herzen.
Sie sind es nach der Vorstellungsrunde auch, die bei Alessa Adam am meisten punkten konnten, Christian Ruppenthal favorisiert nun den Staatsminister für Europa, Michael Roth, und Christina Kampmann, die frühere NRW-Familienministerin aus Bielefeld. Kampmann betont, dass sie die schwarze Null zugunsten von Investitionen aufgeben wollen, Roth gibt die Vereinigten Staa
ten von Europa als Ziel aus. FürVater Zeiger und seinen Sohn aber reicht das nicht. Sie bleiben im Circus Maximus der SPD bei ihrem Favoritenteam: Scholz und Geywitz.
Das Verfahren halten sie für gut. Albrecht von Lucke, Politikwissenschaftler der Blätter für deutsche und internationale Politik, übt hingegen scharfe Kritik am Rennen mit 23 Regionalkonferenzen und dem knappen Zeitbudget. „Das Format mit seinen viel zu kurzen Redezeiten pro Person ist für die unbekannteren Paare denkbar ungeeignet, um sich wirklich vorzustellen und Unentschlossene zu überzeugen“, ist von Lucke überzeugt. Daher würden faktisch diejenigen bevorzugt, die ohnehin schon bekannt sind. „Um wirklich echte Chancengleichheit zu schaffen, hätte man sich auf wenige, aber dafür viel längere Vorstellungsrunden und Debatten konzentrieren müssen.“