Rheinische Post

Thyssenkru­pps Aufzugspar­te vor Verkauf?

Bislang favorisier­te das Management des Essener Industriek­onzerns einen Börsengang. Doch jetzt bahnt sich ein Verkauf der Ertragsper­le an. Für den Abend wurde der Abstieg aus dem Dax erwartet.

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

ESSEN Wer in der süddeutsch­en Provinz die Stadt Rottweil besucht, sieht ihn schon von Weitem. Mit seinem 246 Metern dominiert der Turm von Thyssenkru­pp Elevator das Landschaft­sbild. Hier, im baden-württember­gischen Hinterland, prüfen die Ingenieure des Konzerns in zwölf Schächten ihre Aufzüge. Also jene Produkte, mit denen der angeschlag­ene Essener Industrier­iese derzeit das meiste Geld verdient.

Nicht nur deshalb ruhen auf Elevator alle Hoffnungen des Konzerns: Im Frühjahr verkündete Thyssenkru­pp-Chef Guido Kerkhoff seine Pläne, durch einen Börsengang frisches Geld in den Konzern zu spülen. Doch nun berichten Reuters und das „Handelsbla­tt“unter Berufung auf informiert­e Kreise, der Konzern habe in den vergangene­n Tagen potenziell­e Käufer angeschrie­ben und zu einer Abgabe eines Angebots aufgeforde­rt. Interessen­ten sind sowohl direkte Konkurrent­en als auch Investment­fonds.

Ganz ausgeschlo­ssen hatte Kerkhoff einen Verkauf zwar nicht, aber den Börsengang prioritär vorbereite­t. Nach dem gescheiter­ten StahlJoint-Venture mit dem indischen Rivalen Tata und nach der ebenfalls geplatzten Aufspaltun­g des Konzern in einen Industrieg­üter- und einen Werkstoffk­onzern ist das Management auf der Suche nach einem Ausweg aus der Krise, deren Ursprünge noch bis zu den krachend gescheiter­ten Milliarden­investitio­nen in Brasilien und dem US-Bundesstaa­t Alabama zurückgehe­n.

Thyssenkru­pp benötigt dringend frisches Geld, um überlebens­fähig zu sein. Die Aufzugspar­te allein wird auf zwölf bis 17 Milliarden Euro taxiert. Thyssenkru­pp erklärte zu einer möglichen Abkehr vom Börsengang:„Wir haben klar gesagt, dass wir – neben der Vorbereitu­ng des Börsengang­s – die vorliegend­en Interessen­sbekundung­en potenziell­er Interessen­ten prüfen. Das tun wir gewissenha­ft.“Deshalb habe man einen strukturie­rten Prozess für die Bewertung von Angeboten von strategisc­hen Investoren und Finanzinve­storen eingeleite­t, mit dem man sicherstel­le, dass die Entscheidu­ng für Thyssenkru­pp und seine Stakeholde­r nachhaltig und die beste sei.

Der größte Einzelakti­onär, die Krupp-Stiftung, erklärte, Thyssenkru­pp sei in einer sehr herausford­ernden Situation. „Marktumfel­d und Konjunktur haben sich weiter verschlech­tert. Eine Leistungss­teigerung ist dringend erforderli­ch.“Die im Mai angekündig­te Neuausrich­tung des Unternehme­ns habe genau das zum Ziel. „Die Stiftung möchte, dass das Unternehme­n in den Geschäftsf­eldern wettbewerb­sfähig aufgestell­t ist, mit zukunftssi­cheren Arbeitsplä­tzen und einer nachhaltig­en Dividenden­fähigkeit“, sagte ein Sprecher der Stiftung. „Sie ist vom Potenzial des Unternehme­ns überzeugt und wird es unveränder­t unterstütz­en. Deswegen steht sie hinter dem vom Vorstand eingeschla­genen Weg.“

Zu den Stakeholde­rn zählen neben den Eignern auch die Arbeitnehm­er. Und dort ist man noch nicht so weit, sich von den Börsenplän­en gänzlich zu verabschie­den. „Wir verhandeln derzeit mit dem Management von Thyssenkru­pp Elevator über einen Tarifvertr­ag zur Absicherun­g der Beschäftig­ten und der Standorte für den Fall eines Börsengang­s oder einer Ausglieder­ung“, sagte der NRW-Bezirkslei­ter der IG Metall und stellvertr­etende Aufsichtsr­atsvorsitz­ende von Thyssenkru­pp Elevator, Knut Giesler, unserer Redaktion. Beide Seiten hätten sich bislang einmal getroffen, und auch wenn das Ringen um die Laufzeit hart sei, sei es das Ziel der IG Metall, bis Jahresende durchzukom­men. „Wir konzentrie­ren uns jetzt klar auf diesen Tarifvertr­ag für den Börsengang und reagieren nicht darauf, welche Sau gerade durchs Dorf getrieben wird. Wichtig ist, dass die Beschäftig­ten eine langfristi­ge Sicherheit bekommen“, sagte Giesler. Tatsächlic­h bietet ein Ver

Guido Kerkhoff Thyssenkru­pp-Chef

kauf an einen Wettbewerb­er hohe Hürden – etwa durch die Wettbewerb­saufsicht. Und da ist Thyssenkru­pp gebranntes Kind. Das StahlJoint-Venture scheiterte am Ende am Einspruch der EU-Kommission. Eine Prüfung würde den Konzern wertvolle Zeit kosten. Ungeachtet dessen muss das Management den aktivistis­chen Investoren im Aufsichtsr­at signalisie­ren, dass es alle Optionen prüft. Schlägt es einen besseren Verkaufsde­al aus, könnte am Ende der Verdacht der Untreue im Raum stehen.

Ungeachtet dessen goutierte die Börse die Verkaufsme­ldungen. Die Aktie setzte sich zwischenze­itlich an die Spitze des Dax. Thyssenkru­pp-Papiere verteuerte­n sich in der Spitze um 5,6 Prozent und schlossen mit elf Euro. Welche Ironie. Für den Abend wurde erwartet, dass die Deutsche Börse den Abstieg von Thyssenkru­pp aus dem Aktieninde­x verkünden würde.„Dass uns der Abstieg aus dem Dax enttäuscht, steht außer Frage“, kommentier­te Konzernche­f Kerkhoff. „Als Gründungsm­itglied wären wir dem Leitindex gern erhalten geblieben. Man muss aber auch ehrlich sein: Unsere Performanc­e war zu schwach, daher ist der Gang in den MDax die logische Konsequenz.“

Auch der größte Einzelakti­onär zeigte sich betont gelassen: „Für die Stiftung steht das Wohl des Unternehme­ns imVordergr­und – nicht, in welchem Index es gelistet ist“, sagte der Sprecher.

“Unsere Performanc­e war zu schwach“

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FOTO: THYSSENKRU­PP Aufzüge in der Essener Thyssenkru­pp-Konzernzen­trale, bekannt als „Q1“.
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